Berlin. Der seit Monaten innerhalb der AfD-Führung schwelende Konflikt um die künftige Führungsstruktur der Partei und damit einhergehend ihre inhaltliche Positionierung eskaliert zusehends.
In einer gemeinsamen E-Mail an den Vorsitzenden Bernd Lucke fordern dessen Co-Sprecher Konrad Adam und Frauke Petry, der stellvertretende Vorsitzende Alexander Gauland sowie die beiden EU-Abgeordneten Marcus Pretzell und Beatrix von Storch „ein offenes und ehrliches Gespräch“, da sie „in großer Sorge um unsere junge Partei“ seien. „In der Sache geht es uns darum, daß beim anstehenden Bundesparteitag am 31.1.2015 neben vielen sinnvollen und sorgfältig erarbeiteten Satzungsänderungen auch die bestehende und bewährte Vorstandsstruktur geändert werden soll.“ Lucke will auf dem Parteitag in Bremen das Modell mit drei Co-Chefs abschaffen und sich selbst zum alleinigen Vorsitzenden aufschwingen.
Um die Parteifunktionäre auf seine Linie einzuschwören, habe Lucke „privat hunderte AfD-Entscheidungsträger, nämlich alle Kreis- und Bezirksvorsitzenden sowie Landessprecher, zu einem faktischen Vorparteitag geladen“, heißt es in der E-Mail weiter. Grundsätzlich sei die ordentliche Vorbereitung eines Parteitages zwar zu begrüßen. „Allerdings haben Sie, Bernd Lucke, diesen Vorparteitag den beiden anderen Sprechern ohne Rücksprache schlicht zur Kenntnis gegeben“, so der Vorwurf. „Zur Vorbereitung einer doch so wichtigen Versammlung wünschen wir uns aber keine Alleingänge, sondern Team-Arbeit.“ Da eine solche nicht mehr stattfinde, schreibe man ihm nun „aus Sorge um die Einheit der Partei, die so wichtig für die politische Landschaft in Deutschland ist“. Es sei „nur natürlich“, daß bei unterschiedlichen inhaltlichen Vorstellungen Auseinandersetzungen nicht ausblieben, weswegen man ihn, Lucke, „zu einem Gesprächstermin am 18.01.2015 um 9 Uhr in Frankfurt/ Main bitten“ wolle – nur wenige Stunden vor Beginn der von Lucke in Eigenregie einberufenen Versammlung.
Öffentlich wahrnehmbare Unterstützung bekommt Lucke derweil lediglich von Hans-Olaf Henkel, einem weiteren Vize-Vorsitzenden und ehemaligen Vorsitzenden des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). „Ich bin es leid, daß die Partei immer wieder ein so schlechtes Bild in der Öffentlichkeit abgibt, weil die drei Sprecher Gegensätzliches von sich geben“, sagte Henkel dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Dieses Modell habe sich „nachhaltig nicht bewährt“, das beweise „die Kakophonie der letzten Wochen“.
Allerdings trug Henkel zu dieser ebenfalls seinen Teil bei. In einer E-Mail an Konrad Adam, aus welcher der „Spiegel“ zitiert, schreibt er: „Sie sind total ‚von der Rolle‘ und merken es offensichtlich nicht einmal. Sie scheinen von Enttäuschung über Ihre Bedeutung in der Partei und von Ihrem Ehrgeiz zerfressen zu sein. Sie können Herrn Lucke nicht im Entferntesten das Wasser reichen.“ Adam mache sich „selbst immer lächerlicher“, so Henkel. Und weiter: „Was für ein Absturz! Gibt es in Ihrem Umfeld denn niemanden mehr, der Ihnen mal den Spiegel vorhält? Was müssen Ihre ehemaligen Kollegen, Freunde und Verwandten eigentlich aushalten? Selten wurde ich Zeuge einer so dramatischen Persönlichkeitsveränderung. Ein Drama! Ich hoffe, der letzte Akt wird bald aufgeführt und Sie treten von der Bühne.“ (lp)