Fulda. Die Identitäre Bewegung Deutschland galt lange Zeit als loser und unorganisierter Zusammenschluß von vor allem Internetaktivisten, der zwar im sozialen Netzwerk Facebook zunehmende Präsenz entwickeln konnte, im wahren Leben aber eher bescheiden aufgetreten ist.
Das will die Bewegung nun ändern und hat sich Mitte April zu einem Vernetzungstreffen bei Fulda zusammengefunden. Auf dem sogenannten Deutschlandtreffen sind verschiedene Gruppen aus dem deutschsprachigen Raum zusammengekommen, um über Strukturen sowie künftige Aktionen und öffentliches Auftreten der Identitären Bewegung zu beraten, aber auch um realistisch und selbstkritisch das bisherige Vor gehen zu analysieren. Angereist waren auch die verwandte Identitas-Gemeinschaft aus Schleswig-Holstein sowie Gäste der German Defense League und der Pax Europa. Im Ergebnis konnten die über 80 an gereisten Identitären eine gemeinsame Führung bestimmen und eine grundsätzliche „Neustrukturierung“ einleiten, die ihrer Bewegung das nötige Maß an Organisation verleihen soll.
Das Phänomen der Identitären Bewegung war 2012 aus Frankreich in den deutschsprachigen Raum übergeschwappt, nachdem dort am 20. Oktober Aktivisten das Dach einer neugebauten Moschee besetzt hatten. Die Aktion schlug hohe Wellen, und flugs traten auch die ersten deutschen Identitären Gruppen auf Facebook auf den Plan. Allerdings blieben die tatsächlichen Aktivitäten in der Öffentlichkeit spärlich, von ein paar kleinen – aber immerhin kreativen – Protestveranstaltungen mit Musik und Tanz ab gesehen. Gesicht zeigen wollte kaum jemand. Stattdessen wurden pompöse Grundsatzbekenntnisse verfaßt, und man distanzierte sich fleißig von allen möglichen rechten Gruppierungen und von Rassismus. Tatsächlich positioniert sich die Bewegung mit ihren Schlagworten „Heimat, Tradition, Identität“ ins besondere gegen die drohende Überfremdung Europas und Deutschlands. Man versteht sich als moderne Jugendkultur zur „Reconquista“ (Rückeroberung) der eigenen Heimat und Bewahrung der eigenen Identität.
Daß eine quasi aus dem Nichts entstandene Gruppierung dabei zunächst Zeit braucht, Strukturen und Aktivismus zu entfalten, liegt auf der Hand. Nun will man gegensteuern und zu „einer wirklichen Bewegung“ werden. Direkt zu Beginn stellte der neubestimmte Deutschland-Chef der Identitären, Nils Altmieks, klar, daß „der Einsatz für Deutschland und Europa nicht ohne eine gewisse Opferbereitschaft möglich“ sei. Der 27jährige Bauingenieur aus Nordrhein-Westfalen kritisierte auch die fehlende Ernsthaftigkeit des identitären Aktivismus in der Vergangenheit und forderte in dieser Hinsicht ein Umdenken ein. Gleichzeitig sollen auch neue Interessenten künftig besser betreut und integriert werden. Um dies umzusetzen und die allgemeine Organisation zu verbessern, beschlossen die Identitären, ihren Aktivisten künftig sogenannte „Regionalleiter“ zur Seite zu stellen, die die einzelnen Veranstaltungen in ihren Gebieten koordinieren sollen. Die Funktion der Regionalleiter werden dabei allerdings keine Einzelpersonen, sondern vor Ort dominierende identitäre Gruppen übernehmen – in Schleswig-Holstein beispielsweise werden die Identitas künftig den Ton angeben. Zusätzlich beschloß die Identitäre Bewegung die Berufung von „Kompetenzteams“ für spezielle Bereiche wie z.B. Mediengestaltung und Organisation. Auch dies soll die Bewegung einen Schritt weiter in Richtung organisierter Strukturen und professionellen Handelns bringen.
Die Identitären nutzten das Vernetzungstreffen auch, um über weltanschauliche Grundsätze und die Geschichte der Identitären Bewegung zu sprechen und diese im Rahmen von Vorträgen zu verinnerlichen, wobei die Anlehnung an die Ideengeber aus Frankreich deutlich wurde. Der österreichische Aktivist und Autor des Buches Die Identitäre Generation, Markus Willinger, beschrieb die Ideen der Identitären im ZUERST!-Interview im Mai 2013 als patriotisch, konservativ und werte bewußt. Diese Ideen gelte es in der Gesellschaft zu verbreiten. Die Orientierung an „eher liberalen Islamkritikern“ wird dagegen abgelehnt, der „Kampf gegen den Liberalismus“ sei unverhandelbare Überzeugung, wie aus einem Bericht der Identitas über das Treffen in Fulda hervorgeht. Die Identitäre Bewegung will Brücken schlagen zwischen den patriotischen Lagern, die „Liebe zu Deutschland“ sei dabei der gemeinsame Nenner.
Dabei nehmen die Identitären dem Vorwurf des Rassismus und der Islamophobie schnell den Wind aus den Segeln – denn was sie für Deutschland und Europa fordern, wünschen sie auch allen anderen: das Recht auf Selbstbestimmung sowie eine Absage an die westlich-liberale Hegemonie und an den Multikulturalismus.
Dieser Artikel erschien in ZUERST! Ausgabe 6/2014 –
jetzt hier kostenloses Probeexemplar anfordern!