NSA-Ausschuß: Deutsche Politiker tun sich immer noch schwer damit, die US-Spionage zu verurteilen
Bislang haben sich deutsche Politiker nicht gerade mit Ruhm bekleckert, was die Aufklärung des NSA-Skandals anbelangt. Als im Juni letzten Jahres der „Whistleblower“ Edward Snowden enthüllt hatte, daß der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) systematisch Millionen von Telefonaten, Kurznachrichten, E-Mails und Internet-Gesprächen deutscher Bürger ausgespäht hatte, hielt sich die Empörung von Spitzenpolitikern in Grenzen. In blindem Vertrauen auf Geheimdienst-Aussagen erklärte der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) die Affäre am 12. August 2013 kurzerhand für beendet.
Selbst als die Bundesregierung Ende Oktober mitteilen mußte, daß sogar das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel angezapft worden war, blieben die Reaktionen butterweich. Merkel habe US-Präsident Obama mitgeteilt, daß sie dieses Vorgehen „unmißverständlich mißbilligt und als völlig inakzeptabel ansieht“, wurde verlautbart. US-Besuche deutscher Politiker und Geheimdienst-Chefs in der Angelegenheit verliefen ergebnislos. Bei manchen Beobachtern verfestigte sich der Eindruck, die Enthüllung des Skandals sei der Regierung unangenehmer als die skandalösen Vorgänge selbst.
Ende März 2014 beschloß der Deutsche Bundestag dann einstimmig, einen Untersuchungsausschuß zur Aufklärung der NSA-Affäre einzusetzen. Das Gremium unter Vorsitz des CDU-Abgeordneten Clemens Binninger konstituierte sich Anfang April. Vier Abgeordnete der CDU/CSU, zwei der SPD und je einer von Grünen und Linken sollen nun aufklären, was aufzuklären geht. Zuvor hatte es monatelanges Parteiengezänk gegeben, bevor sich die Große Koalition mit der Opposition auf eine gemeinsame Linie einigen konnte. „Wenn wir die Parteipolitik beiseitelassen, werden wir auch etwas erreichen“, äußerte sich Binninger zuversichtlich.
Geklärt werden sollen laut gemeinsamem Antrag der Fraktionen für den Zeitraum von 2001 an, „ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten ‚Five Eyes‘ [USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland] eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge“ und deren Inhalte „von, nach und in Deutschland“ erfolgte oder immer noch erfolgt. Insbesondere soll der Ausschuß prüfen, ob Mitglieder der Bundesregierung, des Bundestages oder anderer Verfassungsorgane bzw. Bundesbedienstete gezielt von den genannten Nachrichtendiensten ausgeforscht worden sind.
Zum dritten soll der Ausschuß die Frage beantworten, ob aus den gewonnenen Erkenntnissen rechtliche, technische oder sonstige Maßnahmen abgeleitet werden sollen, die die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung künftig effektiver schützen. Innerhalb dieser drei Komplexe gilt es auch die Rolle der letzten Bundesregierung in der Affäre und die Zusammenarbeit deutscher und ausländischer Nachrichtendienste unter die Lupe zu nehmen. Darauf hatten Grüne und Linke besonderen Wert gelegt. Zum Start des Ausschusses gab es reichlich verbalen Kanonendonner. So prangerte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz den „größten Überwachungs- und Geheimdienstskandal aller Zeiten“ an.
Kurz zuvor hatte die Washington Post gemeldet, daß die NSA mit ihrem Überwachungsprogramm „Mystic“ in der Lage sei, den kompletten Telefonverkehr eines Landes aufzuzeichnen und auszuwerten. Gegen ein – ungenanntes – Land sei das System bereits im Einsatz. Als Quelle für diese Nachricht wurde wiederum Edward Snowden angegeben. Gleichzeitig wurden Beruhigungspillen verteilt. Laut New York Times wolle US-Präsident Obama eine Gesetzesvorlage einbringen, nach der es der NSA künftig untersagt werde, Telefondaten ohne konkreten Anlaß zu speichern.
Doch egal, was der Untersuchungsausschuß herausfindet oder nicht, eines ist jetzt schon gewiß: Wie sich der „Freund“ und „Partner“ USA auch verhält, die Beziehungen zu Washington kommen nicht auf den Prüfstand. Auf die umfangreichen Fragenkataloge deutscher Ministerien an britische und US-Behörden hat es bislang nicht eine einzige Antwort gegeben. Auch Ausschußvorsitzender Binninger rechnet damit, „daß Zeugen, die wir vielleicht laden oder auch Akten, die wir gerne hätten, aus dem Ausland uns natürlich nicht zur Verfügung gestellt werden“, wie er gegenüber dem Deutschlandfunk einräumte.
Die Richtung hatte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ohnehin in einem Interview mit der Rheinischen Post vorgegeben: „Die Zusammenarbeit unserer Sicherheitsbehörden mit den USA ist für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland von überragender Bedeutung.“ Die Mitglieder des Ausschusses sollten sich doch bitteschön ihrer „großen Verantwortung“ bewußt sein, mit ihrem Wirken diese Zusammenarbeit nicht zu beschädigen. Welchen Sinn hat dann aber dieser Ausschuß?
Nachtrag: Nur wenige Tage nach Konstituierung des Ausschusses legte Clemens Binninger (CDU) den Vorsitz nieder. Er begründete dies mit Unstimmigkeiten über die Vernehmung von Edward Snowden, der aus seiner Sicht nichts zur Aufklärung beitragen könne. Der Opposition ginge es nur um „parteipolitische Profilierung“.
Dirk Reinartz