Ernährung: Die Nutzpflanzen-Artenvielfalt nimmt rapide ab

24. Januar 2014

Im Supermarkt merkt man es nicht auf den ersten Blick. Doch seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ist die Artenvielfalt beim Saatgut drastisch zurückgegangen.

Dies zeigt eine Studie, die schon vor 30 Jahren vom „U.S. National Seed Storage Laboratory“ durchgeführt wurde. Dieses Institut, das heute den Namen „National Center for Genetic Resources Preservation NCGRP“ trägt, sammelte Daten über zehn typische landwirtschaftliche Produkte, nämlich Salate, Erbsen, Tomaten, Gurken, Kürbis, Kohl, Rettich, Rüben, Mais und Zuckermelonen.

Dann verglich das NCGRP die Verfügbarkeit von Samen dieser Pflanzen im Jahr 1903 mit der im Jahre 1983, als es noch keine gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gab. Die Studie kam zu dem Ergebnis, daß die Vielfalt der Samenbestände im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts deutlich abgenommen hat. Viele Arten, die über zahlreiche Generationen angebaut wurden, sind ganz verschwunden.

Das Wissenschaftsmagazin „National Geographic“ schreibt hierzu: „Während wir uns inzwischen daran gewöhnt haben, daß uns nur eine Handvoll kommerzieller Gemüseund Obstsorten zur Verfügung steht, sind Tausende alter Arten verschwunden.“ Wie viele genau im vergangenen Jahrhundert verschwunden sind, sei schwer zu sagen. So gab es beispielsweise im Jahr 1903 auf dem kommerziellen Markt noch 544 verschiedene Sorten. 1983 konnten nur noch 28 Kohlsorten festgestellt werden, inzwischen gibt es wahrscheinlich noch weniger. Bei den Salaten sieht es ähnlich aus. Von 497 Sorten im Jahr 1903 gibt es heute nur noch 36 Sorten auf dem Markt.

In allen Kategorien, die von der Studie erfaßt wurden, ergab sich seit 1903 ein Rückgang der Vielfalt auf ein Zwölftel bis 1983. Es ist davon auszugehen, daß der Bestand heute noch geringer ist. Zurückzuführen ist dies hauptsächlich auf die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Betriebe und die Einführung von Monokulturen, bei denen nur eine einzige Pflanzensorte angebaut wird.

Mark Wilson von „Fast Company“ kommentiert dies folgendermaßen: „Es ist eine Schande, diese Vielfalt der schmackhaftesten Geschenke der Natur zu verlieren. Noch bedenklicher ist aber, daß Monokulturen dem Boden Nährstoffe entziehen. Wo es früher nachhaltige Erntezyklen gab, findet sich heute Ackerland, dessen Nährstoffe so ausgeplündert sind, daß große Mengen chemischer Düngemittel eingesetzt werden müssen, damit überhaupt noch etwas wächst. Außerdem werden die Pflanzen anfällig für Krankheiten.“

Immerhin ist erfreulicherweise eine Trendumkehr zu beobachten, denn kleinere Landwirtschaftsbetriebe werden immer beliebter. Allerdings ist es so gut wie unmöglich, zur alten Vielfalt der Samen zurückzukehren, denn viele von ihnen sind für immer verschwunden. Einem Bericht der Internationalen Vereinigung von ökologischen Landbaubewegungen zufolge schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) den Verlust der landwirtschaftlichen Artenvielfalt seit 1900, als der Markt für Saatgut entstand, auf 75 Prozent.

In diesem Zusammenhang fällte der Europäische Gerichtshof am 13. Dezember des Vorjahres ein erfreuliches Urteil. Er entschied, bei der Zulassung der Kartoffelsorte Amflora habe die EU-Kommission gegen das vorgeschriebene Verfahren der EU verstoßen. Amflora ist eine patentierte genmanipulierte Kartoffel des deutschen Chemiekonzerns und Monsanto-Partners BASF. Die Amflora ist gentechnisch so verändert, daß sie besonders viel Stärke bildet, die in der Papierindustrie verwendet wird.

Durch das Urteil, das nur durch eine Rechtsbeschwerde angefochten werden kann, wird eine Überprüfung des gesamten Zulassungsprozesses für gentechnisch veränderte Organismen in der EU ermöglicht. Dies natürlich sehr zum Mißfallen der ohnehin stark unter Druck stehenden GVO-Industrie, denn das Urteil bedeutet einen Präzedenzfall für andere Gen-Pflanzen.

Gegenwärtig werden weltweit auf geschätzten 170 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Feldfrüchte angebaut, hauptsächlich in Nord- und Südamerika und einigen asiatischen Ländern. Der Widerstand gegen GVO in den EU‑Ländern bedeutet für den weltgrößten Anbieter von gentechnisch manipulierten Organismen, Monsanto, und die GVO-Lobby einen erheblichen Hemmschuh, weltweit die Zulassung für ihre Produkte zu erreichen. Eigentlich ein Grund zur Freude.

Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.

Schreibe einen Kommentar

Die maximale Zeichenanzahl bei Kommentaren ist auf 2000 begrenzt.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert