Brüssel. Vor einigen Tagen hat die EU-Kommission angekündigt, sie werde untersuchen, inwieweit die Exportüberschüsse der deutschen Wirtschaft Auswirkungen auf ganz Europa haben.
Zu einem Überschuß kommt es dann, wenn ein Land mehr ausführt, als es einführt. Beträgt der Leistungsbilanzüberschuß mehr als sechs Prozent der Wirtschaftsleistung, gefährdet er, nach Meinung der EU-Kommission, die Stabilität in Europa. Im ersten Halbjahr 2013 lag der deutsche Überschuß bei 7,22 Prozent, also um 1,2 Prozent über der von der EU gesetzten Obergrenze.
Eine Möglichkeit, diese Unwucht zu beheben, wäre eine Anhebung der Löhne in Deutschland, die ihrerseits deutsche Produkte verteuern und damit deren Export erschweren würde. Im Gegenzug würden Importe billiger; davon könnten die anderen Länder profitieren. Aber wie dies umsetzen? Die Bundesregierung kann zwar Mindestlöhne festlegen, aber sie kann nicht in die Autonomie der Tarifparteien eingreifen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, also Unternehmer und Gewerkschaften, handeln miteinander die Löhne aus, ebenso die Laufzeit der Verträge.
Und so wie niemand in der Welt gezwungen wird, deutsche Autos, Werkzeuge oder Waschmaschinen zu kaufen, kann niemand in Deutschland gezwungen werden, Produkte zu kaufen, die er nicht haben will, z.B. Rechner aus Griechenland, Schwarzbrot aus Portugal oder Mode aus Irland.
Es sei denn, die EU legt fest, welches Land was produzieren soll, wie es im „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ des kommunistischen Ostblocks der Fall war, in dem die Sowjetunion das Sagen hatte. Bulgarien lieferte Oliven, Ungarn Gänsedaunen und die DDR Plaste und Elaste. Unter den Bedingungen einer solchen Planwirtschaft können Leistungsbilanzen ausgeglichen werden. Der Nachteil liegt allerdings darin, daß der Verbraucher am Ende weder Oliven noch Daunen oder Plaste bekommt und auch nach Äpfeln und Zucker Schlange stehen muß, weil das Angebot nicht der Nachfrage entspricht.
Daß die EU nun ausgerechnet dort ansetzt, wo die UdSSR aufgeben mußte, kann man nur mit institutionellem Größenwahn und dem Wunsch nach Machtaufbau und Machterhalt erklären. Kein Abgeordneter des EU-Parlamentes hat übrigens gegen einen Eingriff in die Regeln der Marktwirtschaft protestiert oder eine Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik beklagt. So nehmen es die EU-Länder hin, daß Brüssel jede Kleinigkeit regelt.
Denn es gibt noch viel zu tun. Kann es die EU hinnehmen, daß Bayern München ein Fußballspiel nach dem anderen gewinnt? Ist das nicht auch ein Leistungsüberschuß, der nach einer EU-Richtlinie schreit? Sollte ein Verein, der, sagen wir, drei Spiele in Folge gewonnen hat, nicht verpflichtet werden, beim vierten Spiel die anderen gewinnen zu lassen, damit die sich nicht benachteiligt fühlen?
Derzeit klagen deutsche Bäcker gegen eine EU-Verordnung, wonach Streuselkuchen nur dann den Beinamen „Schlesischer“ tragen darf, wenn er aus dem polnisch verwalteten Teil Schlesiens kommt, nicht aber aus der Gegend um Görlitz, die auch zu Schlesien gehört.
Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.