„Weltregierung“

20. November 2013

Foto: Wikimedia/Farrel

Hundert Jahre FED: eine Erfolgsgeschichte der fragwürdigeren Art

Gedanken, die auf Taubenfüßen daherkommen, lenken dem bekannten Nietzsche-Wort zufolge die Welt. Ganz buchstäblich beweist das eine der folgenreichsten Weichenstellungen der Finanzgeschichte, die sich in diesem Monat zum 100. Mal jährt. Die Rede ist von der Errichtung des Federal Reserve Systems der amerikanischen „Zentralbank“ im Dezember 1913.

Zentralbank – das suggeriert, daß es sich bei der FED um die staatliche Notenbank der USA handelt. Genau das ist sie aber nicht. Die FED ist vielmehr „keine klassische staatliche Nationalbank, sondern ein Zusammenschluß von Privatbanken“, stellte Alexander Langgruber, Chefredakteur des geldmagazins, der monatlichen Finanzbeilage der Wiener Zeitung, 2009 in einer Sonderausgabe des Magazins fest.

Tatsächlich ist das System ein Mischgebilde aus staatlichen und privaten Elementen. Es besteht offiziell aus zwölf regionalen FED-Banken, die sich wiederum im Eigentum von Geschäftsbanken ihrer Region befinden. Von einer bestimmten Größe an sind Banken zu einer Mitgliedschaft gesetzlich verpflichtet, das sind knapp 40 Prozent der US-Geschäftsbanken. Geleitet wird die FED von einem siebenköpfigen Rat, dem „Board“, dessen Mitglieder vom US-Präsidenten ernannt werden. Soweit zum staatlichen Anteil.

Schon die Gründung der FED hat das Zeug zu einem echten Polit-Thriller, der sich so nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten abspielen konnte. Umso erstaunlicher, daß die Geschichte niemals verfilmt wurde – aber es gibt eben Dinge, über die auch Hollywood lieber den Mantel des Schweigens breitet. In einem exklusiven Jagdclub auf Jekyll Island im Bundesstaat Georgia trafen sich im November 1910 die mächtigsten Männer der US-amerikanischen Finanzwelt mit dem ebenso eitlen wie geltungssüchtigen Senator Nelson Aldrich. Grund der diskreten Zusammenkunft – alle Teilnehmer reisten unter falschem Namen an – war die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs zur Gründung einer Zentralbank.

Die Feinarbeit leistete ein „Fachmann“, nämlich Paul Moritz Warburg, der erst seit einigen Jahren amerikanischer Staatsbürger war. Warburg, Teilhaber des Bankhauses Kuhn, Loeb and Company, galt als „Bankgehirn“ von New York. Er hatte das Finanzgeschäft im Hamburger Stammhaus M.M. Warburg Co. gelernt, das in Deutschland die Interessen der Rothschild-Dynastie vertrat.

Dem cleveren Banker waren die Vorbehalte in der amerikanischen Öffentlichkeit gegen eine „Zentralbank“ wohlbekannt, deshalb dachte er sich das System der zwölf „regionalen“ Reserve-Banken aus, mit dem sich gut verschleiern ließ, daß sich einzig und allein in New York die Geldmacht konzentrierte. Warburg hatte große Ambitionen: „Wir werden eine Weltregierung haben, ob wir es wollen oder nicht. Die einzige Frage lautet: Wird sie erreicht durch Eroberung oder durch Zustimmung?“

Der kühne Plan, eine Zentralbank in privater Verfügung zu gründen, scheiterte jedoch zunächst, da Aldrichs Rolle als Wall-Street-Lobbyist wohlbekannt war und die Abgeordneten „seine“ Vorlage durchfallen ließen. Nun trat Plan B in Kraft. Die Gruppe finanzierte 1912 den Präsidentschaftswahlkampf des demokratischen Kandidaten Woodrow Wilson, der sich der Öffentlichkeit als Gegner des Geldadels verkaufte. Wilson siegte, und mit Hilfe des von der Wall Street gekauften Präsidenten wurde die nur leicht veränderte Vorlage von Jekyll Island am 23. Dezember 1913 im Kongreß abgestimmt, als viele Abgeordnete bereits in den Weihnachtsferien oder aufgrund der Feiertage mit anderen Dingen beschäftigt waren.

Seit diesem Tag kontrollieren private Banker die US-Geldpolitik. In der jüngeren Geschichte verbindet man die FED vor allem mit einem Namen: Alan Greenspan. Mehr als 18 Jahre – von August 1987 bis Januar 2006 – stand Greenspan an der Spitze der US-„Zentralbank“. In diese Zeit fällt eine Reihe von Krisen mit massiven Auswirkungen, darunter der Absturz der „New Economy“ 2000 und die geplatzte US-Immobilienblase 2007 mit den bekannten globalen Kettenreaktionen.

Wirtschaftsprofessor Max Otte zeichnet in seinem Buch Der Crash kommt ein wenig schmeichelhaftes Bild des mächtigen FED-Bosses, der 1926 in New York als Sohn eines Aktienbrokers geboren wurde. Es ist das Bild eines Mannes, der in erster Linie immer an sich selbst dachte und seine Umwelt mit klingender Wortakrobatik in die Irre zu führen verstand. Als „Greenspeak“ wurde seine charakteristische Rhetorik bekannt: „pompöse, nichtssagende Schachtelsätze, die in jede beliebige Richtung interpretiert werden können“.

Greenspan wie auch sein Nachfolger Ben Shalom Bernanke haben die Macht einer „Zentralbank“, nämlich die Geldmenge zu steuern und die Leitzinsen nach Belieben erhöhen oder senken zu können, virtuos im Sinne der privaten Bank-Interessen genutzt. Auch das geldmagazin sah die FED „als Verursacher der Finanzkrise“ und als eine „Geldmaschine für ein privates Bankenkartell“. Selbst in den USA gab es immer wieder kluge Köpfe, die dieses System durchschauten. Nur hatte bisher niemand die Macht, es zu ändern.

 

Andreas Neuweber

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