ZUERST!-Hintergrund: Prigoschins Putschversuch gegen Putin – Ein turbulenter Samstag und viele Fragezeichen

26. Juni 2023
ZUERST!-Hintergrund: Prigoschins Putschversuch gegen Putin – Ein turbulenter Samstag und viele Fragezeichen
International
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Foto: Symbolbild

Moskau. Nach dem Putschversuch des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin am Samstag bleiben zahlreiche Fragen offen. Prigoschins „Wagner“-Miliz war es zunächst gelungen, einige Militärbehörden in der Großstadt Rostow am Don unter ihre Kontrolle zu bringen und dann mit eigenen bewaffneten Kontingenten auf der Autobahn bis in den Moskauer Verwaltungsbezirk vorzudringen. Prigoschins Ziel war es offiziell, Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Gerassimow absetzen zu lassen, die er bereits früher wegen vermeintlicher Fehlleistungen heftig kritisiert hatte. Zuletzt lastete er der Moskauer Militärführung an, seine Söldner mit Raketen angegriffen zu haben, wodurch es hohe Verluste gegeben habe.

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In einer Videobotschaft stritt Prigoschin in diesem Zusammenhang die offizielle Begründung des Kreml für den Einmarsch in die Ukraine ab und erklärte, es habe 2022 keine Bedrohung Rußlands durch das Nachbarland oder die NATO gegeben. Zudem sagte er, daß die Zahl der russischen Verluste in der laufenden Militäraktion um ein Zehnfaches höher sei als von Moskau offiziell eingestanden.

Der eigentliche Anlaß für Prigoschins Meuterei dürfte freilich der Beschluß der russischen Regierung gewesen sein, seine „Wagner“-Miliz zum 1. Juli in die Streitkräfte einzugliedern; dies hätte ihn seines wichtigsten Machtinstruments beraubt; die private „Wagner“-Truppe hatte sich nicht nur in den letzten Monaten erhebliche militärische Meriten beim Kampf um Bachmut erworben, sondern bereits über die letzten Jahre hinweg bei zahlreichen Einsätzen vor allem in Afrika.

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Noch im Laufe des Samstags brach Prigoschin, nachdem Unterstützung aus den Streitkräften, der Nationalgarde und der Polizei ausblieb, seinen Putschversuch ab, wobei der weißrussische Präsident Lukaschenko vermittelte. Beobachter rätseln allerdings über die dürftigen Versuche im Laufe des Samstags, Prigoschins Fahrzeugkolonnen auf ihrem Weg in Richtung Moskau aufzuhalten. Der unabhängige Journalist Boris Reitschuster, ehemals „Focus“-Korrespondent in Moskau, merkt dazu an: „In Moskau wurden Muldenkipper mit Sand zu den Stadteingängen gefahren, einige Fahrspuren wurden durch Müllwagen und Lastwagen blockiert. Diese Versuche der Blockade wirkten geradezu hilflos. Ist das Verteidigungsministerium so blank, daß es in der Hauptstadt kein nennenswertes Aufgebot von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen mehr aufbieten wollte? Oder gab es andere Gründe dafür, daß man nur eher operettenhaft mit Muldenkippern und Müllwagen Barrikaden errichtete?“

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Prigoschin soll sich mittlerweile nach Weißrußland begeben haben – von seinen Forderungen ist mittlerweile keine Rede mehr. Kremlchef Putin wiederum, der den Putschversuch noch in einer Ansprache am Samstagmorgen als Dolchstoß in den Rücken der kämpfenden Truppe schärftstens verurteilt und strafrechtliche Konsequenzen angekündigt hatte, ließ am Abend erklären, daß es mit Blick auf die militärischen Leistungen der „Wagner“-Truppe, die man nicht vergesse, keine Strafverfolgung geben werde.

Bemerkenswert ist die Haltung des Westens. In westlichen Regierungs- und Medienkreisen war Prigoschin in der Vergangenheit immer wieder als mögliche Alternative zu Kremlchef Putin gehandelt worden, allerdings mit größten Vorbehalten. So stellte etwa das US-Magazin „Politico“ in einem Szenario vom September 2022 klar, daß eine etwaige Machtübernahme durch Prigoschin auch für den Westen ein Schreckensszenario bedeuten könnte – es stufte den „Wagner“-Chef als „Warlord“ ein, der auf einer imaginären Skala des „Schreckens“ noch vor dem tschetschenischen Präsidenten Kadyrow rangierte.

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Angesichts der Meldungen vom Putschversuch wurden denn auch schnell Sorgen über einen möglichen Erfolg Prigoschins laut – sogar in Polen und in der Ukraine. So erklärte der frühere polnische Verteidigungsminister Siemonika: „Ein instabiles Rußland ist ebenso gefährlich wie ein aggressives Rußland.“ Auch der ehemalige Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Geraschtschenko, zeigte sich wegen der russischen Atomsprengköpfe besorgt, und der österreichische Bundeskanzler Nehmanner mahnte, daß sie nicht „in die falschen Hände gelangen“ dürften. Dieser Gefahr war sich auch die russische Regierung durchaus bewußt – der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, stellte klar, man werde die Lage nicht so weit außer Kontrolle geraten lassen, daß „Nuklearwaffen in den Händen von Banditen landen – so sehr diese Kriminellen, die ihren Verstand verloren haben, dies auch wollen“.

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Allerdings: dieses Risiko war amerikanischen Geheimdienstkreisen, die angeblich bereits Mitte Juni von Prigoschins Putschplänen gegen Moskau wußten, nicht groß genug, um die russische Regierung vorsorglich zu warnen. Das Weiße Haus machte sich diese Haltung zueigen, als am Freitag ein erstes Krisentreffen unter Leitung von US-Präsident Biden stattfand. Die Aussicht auf eine Schwächung Moskaus überwog alle Bedenken wegen einer möglichen Eskalation.

Auch in diesem Punkt meldet der unabhängige Rußlandexperte Reitschuster Fragen an: „Wie kann es sein, daß der US-Geheimdienst laut US-Medien schon einen Tag vor dem Putsch-Versuch Hinweise auf diesen hatte und auch dem Präsidenten mitteilte? Ist es realistisch, anzunehmen, daß dann der russische Geheimdienst gleichzeitig nichts wußte? Wenn er aber etwas wußte – wieso war man dann in Moskau ganz offensichtlich so schlecht vorbereitet?“

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Der „Washington Post“ zufolge gehen die US-Geheimdienstler davon aus, daß man im Kreml mindestens einen Tag vor dem Beginn der Meuterei über die geplante Rebellion informiert war.

Andere Beobachter wollen deshalb nicht ausschließen, es habe sich letztlich um ein abgekartetes Spiel gehandelt, um interne Gegner des Kreml, möglicherweise auch die NATO aus der Reserve zu locken. Wie die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ inzwischen mitteilte, habe es während der Krise am Samstag „informelle Kontakte“ zwischen der NATO und dem russischen Verteidigungsministerium gegeben. Dabei habe sich der Westen „sofort“ um die Klarstellung bemüht, daß man in keiner Weise in die Ereignisse verstrickt sei.

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Bundesdeutsche Regierungskreise klammern sich unterdessen weiter die Hoffnung auf eine Schwächung Putins. So gab die FDP-Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann in Bundestag die Parole aus, im russischen Herrschaftssystem zeige sich ein erster „Haarriß“. Auch der CDU-Politikberater Nico Lange suggerierte im ZDF, Kremlchef Putin sei nach den Ereignissen vom Samstag „sehr stark beschädigt“. Allerdings ist das eine Prognose, mit der westliche „Experten“ praktisch seit Beginn des Ukrainekrieges regelmäßig aufwarten – und regelmäßig falsch liegen. (mü)

Bildquelle: Wikimedia/Vitaly V. Kuzmin/CC-BY-SA 4.0

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10 Kommentare

  1. Spionageabwehr sagt:

    Ziel war es, mithilfe des FALSCHEN DIMITRI Prigoschin
    Putin zu schwächen und Russland zu destabilisieren

    Nicht, die Regierung zu stürzen.
    Zumindest noch nicht.
    Aber Russland ist nun vorgewarnt.

    Falsche Dimitris gab es einige:
    1605 den von Polen eingeschleusten.
    Vor 1914 ein paar westorientierte
    1917 Kerenski, Trotzki
    1990 Jelzin

    • Winnetou Apatschi sagt:

      Putin zu schwächen?
      Kann sein, kann aber auch ganz anders sein.
      Die Aktion könnte einvernehmlich geplant sein.
      So jemand wie Prigonschin, der dann auch noch so weit geht, hätte auch laut verkündet, dass es sich gegen Putin richtet, wenn er diesen schwächen wollte.

      Diese Aktion könnte ganz andere Gründe haben.

  2. Winnetou Apatschi sagt:

    Mein erster Gedanke: Auf diese Art kann man den Grund für die Verlegung der Wagner Truppen verschleiern.
    Gegen Putin ist der angebliche Aufstand eh nicht gerichtet.
    Wollen wir hoffen, daß nicht der Beginn einer neuen Eskalationsstufe ist.
    In diesem Zusammenhang fände ich auch die Hintergründe vom Tode Grigory Klinishov auch interessant.

    • Ali Baba sagt:

      fände ich auch die Hintergründe vom Tode Grigory Klinishov auch interessant.““
      Ich auch…! Und noch dazu viele Fragezeichen, allzu viele. Nicht spekulieren,
      schade um die Zeit; daher SCHWAMM DRUEBER !!

  3. Spionageabwehr sagt:

    Putin könnte seinen Platz für Dimitri Medwedew freimachen

  4. Gelbspötter sagt:

    Das – bisher – hierzulande bekannte Ergebnis der Aufführung sieht doch so aus: Putin und Prigoschin sowie dessen Truppe haben politisch und physisch überlebt, Schoigu und Gerassimov wurden vermutlich gestutzt, „Achmat“ ist quasi in die Streitkräfte integriert, Lukaschenko bekommt einen fähigen Militärführer, der westl. Ruch einer ungezügelten „Verbrecherarmee*“ wurde vorab durch die (vertragstreue) vorhergehende Entlassung von Sträflingen nach Ablauf ihrer Vertragszeit aus der Wagner-Truppe abgeschwächt. So sieht das Ganze für mich eher nach einem erfolgreichen Schachzug aus. Die dummen und ratlosen Gesichter im “ vorinformierten“ Westen sprechen auch dafür. Mal sehen, was noch kommt.
    * Auch die frz. Fremdenlegion bot und bietet Existenzen mit einem nicht absolut regelkonformen gesellschaftlichen Vorleben Unterschlupf; auch bei der ehem. als „Blackwater“ firmierenden und vergleichbaren Truppen dürfte es wohl ähnlich sein.

  5. Sting sagt:

    Von Georg Spöttle ehemalige Mittarbeiter MAD

    Ich war mir sicher, dass es sich am Samstagabend nicht lohnen würde, wenn Prigoschin sich wirklich auf einen Putsch vorbereitete.

    Ich hielt es für unvorstellbar, dass Wagners Konvois Lipeck erreicht hätten, wenn es im Kreml zu einem ernsthaften Aufstand gekommen wäre.

    Die Luftwaffe hätte die Wagner-Streitkräfte nach Putins Rede vernichtet.

    Vielleicht ist es etwas ganz anderes… Nur ein Gedankenexperiment, aber was ist, wenn das alles nur ein Ablenkungsmanöver ist und zum Beispiel mit einer List echte Verräter eliminiert werden soll?

    Sie testeten, wer dem Präsidenten gegenüber loyal war und wer im Falle einer Rebellion abtrünnig werden würde …

    Es impliziert auch, dass dahinter ein anderer Plan steckt. Wagner wird nun in Weißrussland gebraucht, um eine neue Front zu eröffnen…

    Oder so wollten sie den Hasen über das, was die Ukrainer tun, aus dem Busch lassen.

    Gibt es genug Soufflés für einen Großangriff und wie wird der Westen in dieser Situation reagieren …

    Ich sage, das sind nur Gedanken, denn für mich passt das Bild auch nicht, aber irgendwie glaube ich nicht an eine echte Rebellion, da hätte es keine Vergebung gegeben…

    Nur die Zukunft wird sowieso eine Antwort geben. ..

  6. Bernd Sydow sagt:

    Wenn westliche Medien über die Kampfhandlungen in der Ukraine berichten, kommt zum Schluß der Satz „die Meldungen aus dem Kampfgebiet lassen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen“.

    Vergleichbares gilt für den angeblichen Putschversuch des Söldnerführers Prigoschin. Es ist aber so, daß Prigoschin und seine Wagner-Truppe – er ist ebenso wie ich ein Anhänger von Wagners gewaltiger Musik – ihren Marsch auf Moskau abgebrochen haben (Da war Mussolini mit seinem Marsch auf Rom sichtbar erfolgreicher).
    Die deutschen Mainstream-Medien behaupten nun, Putin sei „geschwächt“ – aber nichts deutet darauf hin! Im deutschen öffentlich rechtlichen Fernsehen stieß die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages Strack-Zimmermann, eine Putin-Hasserin durch und durch, ins gleiche Horn.

    Sollte es den rußlandfeindlichen Kräften und den westlichen Geheimdiensten gelingen, Rußland zu destabilisieren – Putin ist der Garant für Rußlands Stabilität par excellence! – hätte das auch für den Westen katastrophale Folgen!

  7. Peter Lüdin sagt:

    Die Ukraine hat standgehalten, weil W. Zelenskyi geblieben ist und den Widerstand von innen heraus gestärkt und inspiriert hat. V. Putins Flugzeug ist von Moskau nach Nordwesten, vermutlich Petersburg, geflogen hat unterwegs den Transponder ausgeschaltet. Wenn V. Putin abhaut, weil er sich in seiner Heimatstadt sicherer fühlt, dann fehlt genau das: ein standhafter Anführer. Die Einschätzung V. Putins als Person ist die eines kleinen Petersburger Strassengauners, der permanent mit Täuschung und Machtgier bis hin zu mehreren Kriegen Kompensation und Bestätigung sucht. Im Grunde nicht dumm, aber ein feiger Schwächling.

    • Der tut nix sagt:

      Können Sie anhand von Flight Radar mal kurz die Flugdaten der russischen Präsidenten Maschine schicken, oder haben Sie Samstag Abend Kopf nickend die richtige mediale Berichterstattung verfolgt?
      Wann ist er eigentlich umgekehrt(Putin)

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