Die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ bekannte sich unter Verzicht auf Rache und Vergeltung zum unbedingten Heimatrecht aller Menschen. Vor 70 Jahren wurde sie unterzeichnet und verkündet. Nach dem Jahrhundertverbrechen der Vertreibung von Millionen Deutschen verhängten die Alliierten ein sogenanntes Koalitionsverbot für die heimatlos Gemachten. Die Besatzungsmächte trieb die Sorge um, die verzweifelten Ostflüchtlinge könnten ein dauerhafter Unruhefaktor der Nachkriegsordnung werden. Ihre soziale und politische Abschottung sollte unbedingt vermieden werden, damit ja keine mächtige Bewegung zur Rückkehr in die Heimat aufkam. Statt dessen sollte die Assimilierung in Westdeutschland forciert werden. Das Koalitionsverbot untersagte die Gründung eigener Parteien, um eine organisierte Stimme für ostdeutsche Interessen gar nicht erst laut werden zu lassen. Trotz einer gewissen Aufweichung des Organisationsverbotes im Zuge des beginnenden Kalten Krieges durfte an der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 keine Vertriebenenpartei teilnehmen.
Abonniere jetzt:
>> Die starke Stimme für deutsche Interessen <<
Am 9. April 1949 hatte sich mit dem „Zentralverband vertriebener Deutscher“ (ZvD) ein erster überregionaler Zusammenschluß der Vertriebenen in den westlichen Besatzungszonen konstituieren können. In Konkurrenz zum eher sozialpolitisch ausgerichteten ZvD entstanden zahlreiche Heimatgruppen, in denen sich Menschen nach früheren Herkunftsregionen organisierten und die stärker für heimatpolitische Ziele eintraten. 1949 fusionierten die daraus entstandenen Landsmannschaften zu den „Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften“ (VOL).
Diese Gemeinschaftsbildung schuf ein heimatliches Zusammengehörigkeitsgefühl und linderte etwas die große seelische Not der Vertriebenen. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung stellten sie 1950 in der Bundesrepublik Deutschland 16,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Durch die Massenflucht aus der DDR stieg ihr Anteil bis 1961 sogar auf 21,5 Prozent. Damit war jeder fünfte Bundesbürger ein deutscher Flüchtling. Obgleich sie ein demographischer Machtfaktor waren, zeigte sich mit der Charta der deutschen Heimatvertriebenen schon vor 70 Jahren, daß diese politisch zurückhaltend und versöhnungsbereit waren.
Mit der von ihnen am 5. August 1950 unterzeichneten Charta erteilten 30 Repräsentanten der damals bestehenden Landsmannschaften und Vertriebenenorganisationen jedem Vergeltungsgedanken eine Absage und bekundeten – bei Betonung des Heimatrechtes als Menschenrecht – den Willen zu einem geeinten Europa. Der Monat August war bewußt gewählt, um an die Unterzeichnung des Potsdamer Abkommens im August 1945 zu erinnern, in dem die Siegermächte ein Drittel des Staatsgebietes des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 abgetrennt und unter polnische sowie sowjetische Verwaltung gestellt hatten.
Das in seiner historischen Bedeutung oft unterschätzte Dokument beginnt mit den Worten: „Im Bewußtsein ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen, im Bewußtsein ihrer Zugehörigkeit zum christlich-abendländischen Kulturkreis, im Bewußtsein ihres deutschen Volkstums und in der Erkenntnis der gemeinsamen Aufgabe aller europäischen Völker haben die erwählten Vertreter von Millionen Heimatvertriebenen nach reiflicher Überlegung und nach Prüfung ihres Gewissens beschlossen, dem deutschen Volk und der Weltöffentlichkeit gegenüber eine feierliche Erklärung abzugeben, die die Pflichten und Rechte festlegt, welche die deutschen Heimatvertriebenen als ihr Grundgesetz und als unumgängliche Voraussetzung für die Herbeiführung eines freien und geeinten Europas ansehen.“
Die Unterzeichner erklärten den Verzicht auf „Rache und Vergeltung“, die Unterstützung von allem, „das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist“, sowie das unermüdliche Wirken „am Wiederaufbau Deutschlands und Europas“.
Von zeitloser Gültigkeit sind die Worte zum Heimatrecht: „Wir haben unsere Heimat verloren. Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat trennen bedeutet, ihn im Geiste töten. Wir haben dieses Schicksal erlitten und erlebt. Daher fühlen wir uns berufen zu verlangen, daß das Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird.“ Solange dieses Recht nicht verwirklicht sei, wolle man bei einer gerechten Verteilung der Kriegslasten als gleichberechtigte deutsche Staatsbürger arbeiten und wirken.
Bei der Bekanntgabe der Erklärung im Bad Cannstatter Kurhaus fehlte trotz Ankündigung Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU), der sich als Festredner von Vizekanzler Franz Blücher vertreten ließ. Adenauer sei wegen eines Kuraufenthaltes in der Schweiz verhindert, sagte bei seiner Begrüßung der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Zentralverbandes vertriebener Deutscher, Linus Kather. Der in Ostpreußen geborene Jurist war der erste Unterzeichner der Charta.
Zumindest in Wahlkampfzeiten bemühte sich Adenauer um die Neuankömmlinge, obwohl der Rheinländer seinen Landsleuten östlich der Elbe immer distanziert gegenübergestanden hatte. In einer Rundfunkansprache vor der Bundestagswahl 1949 warb er dennoch massiv um die Stimmen der Heimatvertriebenen: „Deutschland kann natürlich das Vertriebenenproblem nicht aus eigener Kraft lösen. Es handelt sich hier um eine internationale Aufgabe, die allein in der Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat, in der Beseitigung auch der Oder-Neiße-Linie ihre letzte Lösung finden kann. Nie werden wir unsere Ansprüche auf unser Land östlich der Oder und Neiße aufgeben.“ Es werde Aufgabe von Parlament und Regierung sein, mit „Festigkeit unser Recht auf den deutschen Osten“ geltend zu machen.
Am 6. August 1950 und damit einen Tag nach ihrer Unterzeichnung wurde die Charta bei einer Großkundgebung mit bis zu 150.000 Teilnehmern vor dem Stuttgarter Schloß verkündet. Für einen Reporter der Stuttgarter Zeitung war sofort klar, mit was für leidgeprüften Menschen er es zu tun hatte: „Auf den ersten Blick ist es erkennbar: Hier steht der fünfte Stand! Das sind Menschen, denen man ihr schweres Los nicht nur an der dürftigen und verschlissenen Kleidung ansieht. Ihr Schicksal, die grauenhaften Erlebnisse ihrer Flucht vor fünf Jahren, haben sich in die Gesichter eingezeichnet. Das sind ernste, resignierende Gesichter, die keinen Zweifel darüber lassen, daß diese Demonstration nichts mit einem fröhlichen Heimattreffen zu tun hat.“ Auf diese Massenveranstaltung im August 1950 geht der „Tag der Heimat“ zurück, den der Bund der Vertriebenen (BdV) traditionell begeht. Das von der BdV-Bundesversammlung festgelegte Leitwort für 2020 lautet naheliegenderweise: „70 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen“.
Diese wurde in viele Sprachen übersetzt und erregte auch im Ausland das Aufsehen, das sich die Heimatvertriebenen gewünscht hatten. Allerdings taten die Funktionäre des Bundes der Vertriebenen und der ostdeutschen Landsmannschaften in den folgenden Jahren und Jahrzehnten nichts dafür, ein Mißverständnis aufzuklären, das sich die etablierte Politik in Deutschland bald nutzbar machte. Sie zog aus der Ankündigung in der Charta der Heimatvertriebenen, auf Rache und Vergeltung verzichten zu wollen, den Schluß, dies bedeute auch den Verzicht auf die Wiedergewinnung der ostdeutschen Heimatgebiete.
Daran hatte aber 1950 kein Heimatvertriebener auch nur im Traum gedacht. Bei den Begriffen „Rache“ und „Vergeltung“ hatte man vor Augen, was Russen, Polen und Tschechen den Deutschen in Ostdeutschland und im Sudetenland gerade einmal fünf Jahre zuvor alles an Grausamkeiten und Entsetzlichkeiten angetan hatten: Massenmord, Gewaltorgien, millionenfache Vergewaltigungen von Frauen, Deportation auf Hungermärschen und in offenen Güterwaggons, Zwangsarbeit, Menschenschinderei in polnischen Konzentrationslagern, Hungertod und Kindersterben. Bei der Wiederherstellung des territorialen Rechtszustandes und der Rückgabe der ostdeutschen Heimatgebiete sollte keinem Russen, Polen oder Tschechen Vergleichbares angetan werden. Nicht mehr und nicht weniger war mit dem Verzicht auf Rache und Vergeltung gemeint. Antideutsche Kräfte im In- und Ausland nutzten diesen Passus schamlos, um den Eindruck zu erwecken, die Heimatvertriebenen selbst hätten sich längst mit dem Verlust ihrer Heimatgebiete abgefunden.
(…)
Die Charta ist so etwas wie das Grundgesetz der deutschen Heimatvertriebenen und gilt bis heute als Wertekompaß des 1957 gegründeten BdV. In seinem 2005 erschienenen Buch Wer Sturm sät: Die Vertreibung der Deutschen, das als „Streitschrift“ deklariert wurde, um üble Polemiken zu rechtfertigen, wendet sich Micha Brumlik entschieden dagegen, daß der BdV ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ als regierungsamtliches Projekt verwirklichen darf. Dieses Zentrum dürfe keinesfalls als „nationales Erinnerungs- und Trauerprojekt“ entstehen, sondern nur als „transnationales Projekt“. Diese Sichtweise folgt dem abstoßenden Verdikt, daß die Massenaustreibung Deutscher eine gerechte Strafe für Hitler gewesen sei, eine „moralische Strafe gegen ein moralisch schuldig gewordenes Volk“, so Brumlik.
Das eine gefühlte Ewigkeit dauernde Gezerre um das Zentrum gegen Vertreibungen zeigt die ganze Verklemmtheit der deutschen Erinnerungspolitik. Das BdV-Projekt sollte die Vertreibungen im 20. Jahrhundert dokumentieren und dabei natürlich auch dem Schicksal der Deutschen genügend Raum geben. Im Jahr 2000 gründete der BdV dafür eine gleichnamige Stiftung, deren Vorsitzende seine damalige Präsidentin Erika Steinbach wurde. Weil sie mit der Konzeption des Bundes der Vertriebenen nicht übereinstimmte, verständigte sich die schwarz-rote Bundesregierung 2005 auf die Gründung der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, die drei Jahre später per Gesetz errichtet wurde.
2008 fiel auch die Entscheidung, das Berliner „Deutschlandhaus“ in der Nähe des Potsdamer Platzes zum künftigen Sitz des Dokumentationszentrums der Bundesstiftung zu machen. Daß dort in Brumlik-Manier die Vertreibung als folgerichtige Reaktion auf den Nationalsozialismus interpretiert wird, beweist ein Beitrag auf der Internetseite der Staatsministerin für Kultur und Medien: „Die Vertreibungen von mehr als zwölf Millionen Deutschen stehen dort im Fokus. Aufgrund der aggressiven Außenpolitik des Deutschen Reiches wurden sie aus den früheren preußischen Ostprovinzen sowie den Siedlungsgebieten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa während und nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben. Das Dokumentationszentrum trägt im Geist der Versöhnung und in der Kontinuität der Verständigungspolitik dazu bei, an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibung für immer zu ächten.“ Hartmut Lieger
Diesen Beitrag finden Sie in ungekürzter Länge in der aktuellen Ausgabe des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST!. Bestellen Sie noch heute diese Heftnummer unter https://lesenundschenken.de/zeitschriften/zuerst/7473/zuerst?c=131
Das Leben kennt keine Heimatvertriebenen, weil es auch keine Länder und Staaten kennt. Hier wird überpositives Recht mit von Menschen gemachtem Recht verwechselt.
Es gibt laut dem Psychologen C.G.Jung auch so etwas wie eine Volksseele und einen National-Charakter.
Siehe auch die Artikel von Felizitas Küble zur Thematik und zum Thema Vertreibung.
Liebe Astrid,
Danke für Ihren Beitrag!
Wir sind ebenfalls aus dem Osten.
Zu Verzweiflung besteht kein Anlass.
Im Gegenteil, wir haben jeden Anlass zur Zuversicht.
Die Macht, die das alles angerührt hat, die USA,
geht gerade vor unseren Augen unter.
Dem Himmel sei Dank!
Die Anglos haben beide Weltkriege geführt,
um den Handelskonkurrenten Deutschland zu vernichten.
Beide Male mithilfe Russlands.
Die Vertreibung geht auf eine Verabredung zwischen Churchill und Stalin zurück.
Jetzt wollen sie dieselbe Chose ein 3. Mal abziehen:
Diesmal gegen den Handelskonkurrenten CHINA.
Und wieder will Russland mit von der Partie sein.
Putin ist da eindeutig:
„Die Alliierten des II. Weltkriegs müssen sich vereinen,
um der Weltkrise entgegen zu treten.“
Siehe Zuerst-Artikel Geschichte v. 22. Juni.
Wir dürfen jetzt nur nicht den Fehler machen,
dem Ost-„Alliierten“ Russland mit seiner geplanten Zwingburg „Eurasien“
auf den Leim zu gehen.
Dann kämen wir vom Regen in die Traufe.
Gewinnt allerdings CHINA, ist Deutschland frei!
Und wir können in aller Ruhe wiederaufbauen.
Viele Grüße
Die warten, bis die Erinnerung ausstirbt.
Die Traumata der Vertreibung hat sich aber auf uns Nachkommen weiter vererbt. Weder gab es eine private Aufarbeitung innerhalb der Familie, noch hat die Politik uns angemessen behandelt. Wieviele Nachkopmmen haben 12 oder 14 Millionen Deutsche? So viele tragen das bittere Erbe dieses Unrechts in sich.
Ich existiere nur, weil meine Großmutter Angst vor Schiffen hatte, sie durfte deshalb mit dem Zug in den Westen flüchten, sonst wäre sie wie die anderen in der Ostsee ertrunken. Meine andere sah auf der Flucht Greultaten, die sicher nicht gesund sind, für eine junge Mutter mit drei Kleinkindern. Wer weiß, was sie selbst erleben mußte, worüber sie nie gesprochen hat. Wir haben unser Hab und Gut verloren. Nach dem Krieg durfte man sich wieder was aufbauen, was nun durch die elende Politik langsam dahin schwindet.
Ich habe eine alte Frau kennen gelernt, die erzählte sie habe als einzige ihrer Familie überlebt und sei zu Fuß aus dem Osten gekommen mit nur ihrer Kleidung am Leib und sonst nichts.
Der Schmerz den dieser unsinnige Krieg verursacht hat, lebt immer noch weiter. Ich will, daß es endlich Frieden und Freiheit gibt. Und am allermeisten wünsche ich mir, daß die Verbrechen der Eliten endlich offengelegt werden, damit kein Mensch ihnen je wieder folgt.
Was ich nicht verstehe, daß ich sogar von Flüchtlingsnachkommen angefeindet werde, wenn ich diese Themen anspreche. Verdrängen ist keine Aufarbeitung. Solange verdrängt wird, hängt die Vergangenheit einem am Hals wie ein Mühlenstein und kann auch gesundheitliche Probleme verursachen. Wir sind es unseren Ahnen schuldig.
Auch ich hätte es durchaus vorgezogen die Vergangenheit ruhen zu lassen.
Aber angesichts des extremen polnischen Nationalismus und seiner Aggressivität gegen Russland.
„Was wir wollen, ist, daß die deutsche Wirtschaft vollkommen zusammengeschlagen wird.“ – Churchills Entgegnung auf einen Vermittlungsversuch Brünings im Jahr 1938, in: Heinrich Brüning: Briefe und Gespräche 1934-1945, München 1974, S. 207
„Was wir wollen, ist, daß die deutsche Wirtschaft vollkommen zusammengeschlagen wird.“ – Churchills Entgegnung auf einen Vermittlungsversuch Brünings im Jahr 1938, in: Heinrich Brüning: Briefe und Gespräche 1934-1945, München 1974, S. 207