Berlin. Bangemachen gilt nicht, heißt es. In der Politik ist das nicht so. Wie ein kürzlich an die Öffentlichkeit gelangtes internes Papier aus dem Bundesinnenministerium nahelegt, setzt die Bundesregierung zur Bewältigung der Corona-Krise auch auf massive Panikmache. Das Papier empfiehlt unter anderem drastische Maßnahmen in der Krisenkommunikation.
Konkret sehen die Autoren des Textes zwei Gefahren: zum einen den Vertrauensverlust in die Institutionen, dem man durch größtmögliche Transparenz entgegenwirken müsse. Als Motto sei geboten: „Es kommt etwas sehr Bedrohliches auf uns zu, wir haben die Gefahr aber erkannt und handeln entschieden und überlegt“, heißt es in dem Papier. Und: „Um die gesellschaftlichen Durchhaltekräfte zu mobilisieren, ist das Verschweigen des Worst Case keine Option.“ Wer die Gefahr abwenden will, müsse sie kennen.
Um der Bevölkerung den Ernst der Lage klarzumachen, empfehlen die Autoren drastische Maßnahmen. „Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden“, heißt es wörtlich. Bedeutet für die Psychologen aus dem Bundesinnenministerium: Panikmache.
Hierzu könnten drei besonders furchteinflößende Szenarien genutzt werden:
Erstens – daß viele Schwerkranke von ihren Angehörigen „ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen [werden]“, weshalb sie „qualvoll“ sterben müßten. „Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen [sic] ist für jeden Menschen eine Urangst.“
Zweitens empfiehlt das Papier ausdrücklich, Kindern Angst zu machen: „Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen, z.B. bei den Nachbarskindern“, heißt es in dem Text. „Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.“
Drittens solle das Horrorszenario möglicher Langzeitschäden an die Wand gemalt werden: „Selbst anscheinend Geheilte nach einem milden Verlauf können anscheinend jederzeit Rückfälle erleben, die dann ganz plötzlich tödlich enden, durch Herzinfarkt oder Lungenversagen, weil das Virus unbemerkt den Weg in die Lunge oder das Herz gefunden hat. Dies mögen Einzelfälle sein, werden aber ständig wie ein Damoklesschwert über denjenigen schweben, die einmal infiziert waren.“
Das Bundesinnenministerium hat sich bislang nicht zu der Frage geäußert, ob Kommunikationsexperten an dem Papier mitgearbeitet haben. Die FAZ berichtete lediglich, eine „Gruppe von zehn Fachleuten“ habe an dem Papier gearbeitet.
Das Ministerium hatte sich zunächst auch geweigert, das Papier für andere Medien verfügbar zu machen: das Dokument sei „Verschlußsache“ und „nur für den Dienstgebrauch“ bestimmt. Kürzlich veröffentlichte das gemeinnützige Portal „Frag den Staat“ das vollständige, 17 Seiten lange Papier.
Wer für die Krise gewappnet sein will, findet hier Informations- und Ausrüstungsmaterial: