ZUERST!-Hintergrund: Die Furcht vor der Mittellage – Polnische Denkfabrik kritisiert Macrons Rußlandpolitik

7. November 2019
ZUERST!-Hintergrund: Die Furcht vor der Mittellage – Polnische Denkfabrik kritisiert Macrons Rußlandpolitik
International
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Foto: Symbolbild

Warschau. Polen scheint entschlossen, seiner Rolle als trennendes Bollwerk zwischen West- und Osteuropa gerecht zu werden, die ihm die US-amerikanische Eurasien-Politik zugedacht hat. Jetzt äußerten sich Experten der polnischen Denkfabrik PISM (Polski Instytut Spraw Międzynarodowych – Polnisches Institut für Internationale Beziehungen) besorgt über den aktuellen französischen Annäherungskurs an Rußland. Dies könne die Einheit innerhalb der EU und NATO in einer Reihe von Fragen untergraben, lautet die Botschaft. Der Bericht findet sich auf der Webseite des PISM.

Der französische Präsident Macron bemüht sich seit einiger Zeit darum, die Beziehungen zu Moskau zu entspannen, inklusive eines geplanten Gipfeltreffens zur Lösung der Ukrainekrise. Es sei besser, argumentiert man im Elysée-Palast, ein paar Zugeständnisse an Moskau zu machen, als Rußland noch mehr in den Sog Chinas geraten zu lassen. Wiederholt vertrat Macron darüber hinaus in letzter Zeit die Auffassung, daß Europa niemals Stabilität und Sicherheit erreichen werde, ohne die Beziehungen zu Rußland befriedet und geklärt zu haben.

Diesen Ansatz kritisieren die polnischen Experten vehement. Wörtlich heißt es in der PISM-Studie: „Wenn Macron seine unilaterale Politik der Normalisierung der Beziehungen zu Rußland fortsetzt, ohne die EU-Partner zu konsultieren, kann dies zur Bildung einer neuen, schärferen Spaltungslinie zwischen den EU-Ländern hinsichtlich der Politik gegenüber Rußland führen. Als Resultat könnte die Einheit der EU in Bezug auf die bestehenden Sanktionen untergraben werden.“

Paris sei daran interessiert, einen Verbündeten wie Moskau zu gewinnen, um eine Reihe von Krisen außerhalb Europas, darunter den Syrienkonflikt, erfolgreich lösen zu können. Zudem erwarte Macron auch wirtschaftliche Vorteile aus der Kooperation mit Rußland, z.B. ein größeres bilaterales Handelsvolumen.

Allerdings sei eine Strategie der engeren Zusammenarbeit mit Rußland riskant, argwöhnen die polnischen PISM-Experten. Denn Moskau könnte Macron für seine eigenen Zwecke nutzen – so könnte der französische Präsident in der russischen Propaganda als führender Politiker dargestellt werden, der die angeblich aggressive Politik Rußlands unterstützt. „Dies würde den Eindruck erwecken, daß Frankreich völkerrechtswidrige russische Aktivitäten legitimiert, was seine Beziehungen zu der Ukraine und zu solchen Ländern der NATO-Ostflanke wie Polen, Rumänien und den baltischen Staaten gefährden würde“, heißt es konkret im PISM-Bericht.

Die PISM-Strategen halten eine Annäherung zwischen Frankreich und Rußland vor allem aber aus grundsätzlichen Gründen für ungünstig für Polen. Vor allem die Idee des französischen Präsidenten, Rußland in die Gestaltung der „neuen Sicherheitsarchitektur in Europa“ einzubeziehen, sei geradezu eine „Sackgasse“. Wörtlich: „Wenn Paris eine solche Politik gegenüber Rußland weiterhin verfolgt, wird dies seine Differenzen mit Polen verschärfen, was nicht dazu beitragen wird, die Sackgasse in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu überwinden.“

Das Polnische Institut für Internationale Angelegenheiten gilt als eine der wichtigsten mitteleuropäischen Denkfabriken. Das PISM befaßt sich mit der Außenpolitik, der europäischen Integration sowie mit Sicherheit und den internationalen Wirtschaftsbeziehungen. (se)

4 Kommentare

  1. Bernd Sydow sagt:

    Bei Macrons Entspannungspolitik gegenüber Rußland – wobei ihm Marine Le Pen vom Rassemblement National befürwortend im Nacken sitzen dürfte – geht es nach meiner Einschätzung um die Wiederherstellung normaler Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu Rußland. Voraussetzung dafür ist freilich die Beendigung der EU-Sanktionen, die, wie man längst weiß, für die Russische Föderation kaum negative Folgen haben. Vielmehr haben sie dazu geführt, daß Rußland bisher aus der EU importierte Waren nun im eigenen Land produziert und seine wirtschaftlichen Aktivitäten mehr zur VR China (zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt) hin ausgerichtet hat, und daß durch diese sinnlosen Sanktionen in den westeuropäischen Industriestaaten Handelsverluste von etlichen Milliarden Euro entstanden sind.

    Man muß kein Politikwissenschaftler sein, um klar zu erkennen, daß über der scharfen Kritik dieses polnischen Denkinstituts PISM an Macrons Annäherungspolitik an Rußland der „böse Geist“ (Mephisto: „Ich bin der Geist, der stets verneint“) der USA schwebt.

    Deutschlands politische Führung sollte klug, mutig und selbstbewußt genug sein, Macrons Entspannungspolitik gegenüber Rußland zu unterstützen!

  2. Eidgenosse sagt:

    Erstens glaube ich nicht dass Macron eine Russland-freundliche Politik betreiben wird. Zweitens hat Polen offensichtlich nicht das Geringste aus der Geschichte gelernt. Polen biedert sich der NATO/USA an und vergisst die Europäischen Interessen. Deutsche wie Polen haben unter den Sowjets gelitten – klar. Das sollte aber nicht das Hirn abschalten. Polen hat den grössten Teil des Deutschen Ostens geklaut, nicht Russland. Eine Politik gegen Russland ist gelinde gesagt hirnrissig. Nein, Polen befürchtet eine Deutsch-Russische Allianz und diese könnte dazu führen, dass Polen alle geklauten Gebiete verliert. Nichts wäre gerechter als das. Die allermeisten Deutschen wurden von Polen vertrieben, nicht von Russen. Ich würde Polen flächenmässig stark reduziert bestehen lassen aber eine Allianz Deutschland-Russland wäre ein Traum – endlich mal wieder, nicht angreifbar, nicht verhandelbar schlicht eine positive Hegemonie in Europa.

    • Bernd Sydow sagt:

      Im Potsdamer Abkommen, das auch die Westalliierten unterzeichnet haben, ist festgelegt, daß Deutschland sämtliche Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie verliert. Insofern kann man nicht davon sprechen, daß Polen und die Sowjetunion selbige geklaut haben.

      Es gibt allerdings ein Gebiet, das sich westlich der Oder-Neiße-Linie befindet und nach dem Potsdamer Abkommen eigentlich zu Deutschland gehört: Es ist der westliche, der größere Teil von Stettin, der früheren pommerschen Hauptstadt. Zur Zeit der Unterzeichnung befanden sich zufälligerweise polnische Armee-Einheiten in Stettin westlich der Oder. Sich auf die östliche Seite zurückzuziehen, lehnten sie entschieden ab. Und so wurde West-Stettin vertragswidrigerweise polnisch. Hier haben die Polen in der Tat deutsches Hoheitsgebiet geklaut!
      P.S. Der frühere Kanzler Helmut Kohl (CDU) hätte im Rahmen des Zwei-Plus-Vier-Vertrags durchaus das Recht gehabt, den Teil Stettins westlich der Oder von Polen zurück zu fordern!

    • bla sagt:

      Ribbentrop Molotov?
      Hahahaha

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