Ein guter Freund von mir kehrte einmal von einer Wahlbeobachtungsmission aus Simbabwe in Afrika zurück. Und er wußte gar Schlimmes zu berichten. Um die zaghaften demokratischen Pflänzchen, die immer wieder von dem kürzlich verstorbenen Langzeit-Diktator Robert Mugabe niedergetrampelt wurden, stand es sehr schlecht.
Oppositionsparteien hätten alle Mühe, überhaupt ihre Wahllisten durchzubekommen. Mit Gerichtstricksereien und Einschüchterung habe das Mugabe-Regime versucht, den Bürgern von Simbabwe gar nicht erst die Chance zu geben, für die Opposition zu stimmen. Mit allen möglichen und unmöglichen Tricks seien die Bürger Simbabwes getäuscht worden. Bei der Stimmauszählung sei im großen Stil dafür gesorgt worden, daß Oppositionsstimmen einfach verschwanden, nicht gezählt oder sogar den Mugabe-Leuten untergeschoben wurden. Unabhängige NGOs und Bürgerinitiativen, die dazu aufgerufen hatten, die Wahlen zu beobachten, seien als „extremistisch“ bezeichnet worden – ohne Begründung, einfach so.
An dieses Gespräch mußte ich angesichts der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg oft denken. Denn mein Bekannter lehnte sich nach seinen „schier unglaublichen“ Geschichten, wie er sie selbst bezeichnete, zurück und seufzte erleichtert: „Zum Glück leben wir in Deutschland. Da ist so etwas unmöglich!“
Ob er sich da mal nicht getäuscht hat? Simbabwe scheint näher an Brandenburg und Sachsen zu liegen, als man denkt.
– In Sachsen versuchte der Wahlausschuß, der Oppositionspartei AfD die Liste zusammenzustreichen. Die Landes-AfD legte Beschwerde ein, doch der sächsische Verfassungsgerichtshof berichtigte die Entscheidung des Wahlausschusses zunächst nur zur Hälfte: Von den 61 Listenkandidaten der AfD durften am Ende nur 30 tatsächlich kandidieren.
– Sehbehinderte in Sachsen, die mit Hilfe von Schablonen wählen, dürfen sich auch im großen Stil betrogen fühlen. Denn diese Schablonen waren – gewollt oder versehentlich, wer weiß das schon? – fehlerhaft. Wer sein Kreuz bei der AfD machen wollte, wählte unbeabsichtigt die Grünen.
– In Brandenburg steht demnächst ein Wahlhelfer vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, AfD-Stimmen bei der EU-Wahl am 26. Mai vorsätzlich unterschlagen und den Grünen zugeschoben zu haben.
– Die Bürgerinitiative „Ein Prozent“ hat im Vorfeld der Landtagswahlen auf Plakaten dazu aufgerufen, Wahlbeobachter zu werden. Doch diese Plakate wurden als „extremistisch“ bezeichnet und abgehängt.
In Simbabwe hatte es 2018 sogar eine „EU-Wahlbeobachtungsmission“ gegeben. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok – Chef der Beobachtertruppe aus Straßburg – zeigte sich tief besorgt und gab internationalen Medien ein Interview nach dem anderen. Er sprach von „Versuchen, die freie Willensbekundung der Wähler zu untergraben, um ein Votum zugunsten der Regierungspartei sicherzustellen“. Wähler seien „Beeinflussungen, sanfter Einschüchterung, Druck und Zwang“ ausgesetzt gewesen. „Während die politischen Rechte weitgehend respektiert wurden, gibt es Sorgen hinsichtlich der Gesamtlage und des mißbräuchlichen Einsatzes staatlicher Mittel“, resümierte Brok weiter. Die EU-Mission kritisierte in einer Erklärung „ungleiche Wettbewerbsbedingungen und einen Mangel an Vertrauen“ in das Wahlverfahren.
Manchmal liegt Simbabwe näher an Dresden und Potsdam, als einem lieb sein kann.
Manuel Ochsenreiter ist Chefredakteur des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST!
Der hier abgedruckte Kommentar ist das Editorial der aktuellen November-Ausgabe der ZUERST!.