Manchmal liegt Simbabwe näher an Dresden und Potsdam, als einem lieb sein kann

6. November 2019
Manchmal liegt Simbabwe näher an Dresden und Potsdam, als einem lieb sein kann
Manuel Ochsenreiter
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Foto: Symbolbild

Ein guter Freund von mir kehrte einmal von einer Wahlbeobachtungsmission aus Simbabwe in Afrika zurück. Und er wußte gar Schlimmes zu be­richten. Um die zaghaften demokratischen Pflänz­chen, die immer wieder von dem kürzlich verstor­benen Langzeit-Diktator Robert Mugabe nieder­getrampelt wurden, stand es sehr schlecht.

Oppositionsparteien hätten alle Mühe, über­haupt ihre Wahllisten durchzubekommen. Mit Ge­richtstricksereien und Einschüchterung habe das Mugabe-Regime versucht, den Bürgern von Sim­babwe gar nicht erst die Chance zu geben, für die Opposition zu stimmen. Mit allen möglichen und unmöglichen Tricks seien die Bürger Simbabwes getäuscht worden. Bei der Stimmauszählung sei im großen Stil dafür gesorgt worden, daß Oppositionsstimmen einfach verschwanden, nicht gezählt oder sogar den Mugabe-Leuten untergeschoben wurden. Unabhängige NGOs und Bürgerinitiati­ven, die dazu aufgerufen hatten, die Wahlen zu be­obachten, seien als „extremistisch“ bezeichnet wor­den – ohne Begründung, einfach so.

An dieses Gespräch mußte ich angesichts der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg oft denken. Denn mein Bekannter lehnte sich nach seinen „schier unglaublichen“ Geschichten, wie er sie selbst bezeichnete, zurück und seufzte erleich­tert: „Zum Glück leben wir in Deutschland. Da ist so etwas unmöglich!“

Ob er sich da mal nicht getäuscht hat? Simbab­we scheint näher an Brandenburg und Sachsen zu liegen, als man denkt.

– In Sachsen versuchte der Wahlausschuß, der Oppositionspartei AfD die Liste zusammenzustreichen. Die Landes-AfD legte Beschwerde ein, doch der sächsische Verfassungsgerichtshof berichtigte die Entscheidung des Wahlausschusses zunächst nur zur Hälfte: Von den 61 Listenkandidaten der AfD durften am Ende nur 30 tatsäch­lich kandidieren.

– Sehbehinderte in Sachsen, die mit Hilfe von Schablonen wählen, dürfen sich auch im großen Stil betrogen fühlen. Denn diese Schablonen wa­ren – gewollt oder versehentlich, wer weiß das schon? – fehlerhaft. Wer sein Kreuz bei der AfD machen wollte, wählte unbeabsichtigt die Grünen.

– In Brandenburg steht demnächst ein Wahlhel­fer vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, AfD-Stim­men bei der EU-Wahl am 26. Mai vorsätzlich unter­schlagen und den Grünen zugeschoben zu haben.

– Die Bürgerinitiative „Ein Prozent“ hat im Vorfeld der Landtagswahlen auf Plakaten dazu aufgerufen, Wahlbeobachter zu werden. Doch die­se Plakate wurden als „extremistisch“ bezeichnet und abgehängt.

In Simbabwe hatte es 2018 sogar eine „EU-Wahlbeobachtungsmission“ gegeben. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok – Chef der Beobachtertruppe aus Straßburg – zeigte sich tief be­sorgt und gab internationalen Medien ein Interview nach dem anderen. Er sprach von „Versuchen, die freie Willensbekundung der Wähler zu untergra­ben, um ein Votum zugunsten der Regierungspartei sicherzustellen“. Wähler seien „Beeinflussungen, sanfter Einschüchterung, Druck und Zwang“ aus­gesetzt gewesen. „Während die politischen Rechte weitgehend respektiert wurden, gibt es Sorgen hin­sichtlich der Gesamtlage und des mißbräuchlichen Einsatzes staatlicher Mittel“, resümierte Brok weiter. Die EU-Mission kritisierte in einer Erklärung „un­gleiche Wettbewerbsbedingungen und einen Man­gel an Vertrauen“ in das Wahlverfahren.

Manchmal liegt Simbabwe näher an Dresden und Potsdam, als einem lieb sein kann.

Manuel Ochsenreiter ist Chefredakteur des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST!

Der hier abgedruckte Kommentar ist das Editorial der aktuellen November-Ausgabe der ZUERST!.

 

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