Der Musterschüler schwächelt: Deutschland rutscht im WEF-Ranking gleich um vier Plätze nach unten

11. Oktober 2019
Der Musterschüler schwächelt: Deutschland rutscht im WEF-Ranking gleich um vier Plätze nach unten
Wirtschaft
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Foto: Symbolbild

Cologny/Berlin. Viele haben subjektiv schon lange den Eindruck, daß es mit Deutschland an allen Ecken und Enden bergab geht: vielerorts marode Straßen, langsames Internet auf dem Land – und mittlerweile fast täglich „Einzelfälle“, Vergewaltigungen, Messerstechereien. Ein Spitzen-Standort sieht anders aus.

Jetzt gibt es eine offizielle Bestätigung für diesen Befund: die jährliche Rankingliste des World Economic Forum (WEF) mit Sitz im schweizerischen Cologny. Das Forum organisiert jedes Jahr auch das gleichnamige Gipfeltreffen in Davos und hat diesmal 141 Länder miteinander verglichen. Die Ranking-Liste gilt zwar in erster Linie als Gradmesser für die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern, enthält aber auch zahlreiche andere Indikatoren darüber, wo ein Land im internationalen Vergleich steht.

Und da macht Deutschland keine Top-Figur mehr. Zwar konnte die Bundesrepublik noch letztes Jahr um zwei Plätze nach vorn aufrücken – doch jetzt stürzte Deutschland gleich um vier Ränge auf Platz sieben ab. In Einzelwertungen für Teilbereiche wie Infrastruktur und Bildung sieht es noch viel schlimmer aus.

In der Spitzengruppe kommt es nicht oft vor, daß ein Land gleich um vier Ränge abrutscht. Deutschland hat beim globalen Wettbewerbswert des WEF einen Punkt auf 81,8 Zähler eingebüßt. Gleichzeitig haben andere Länder aufgeholt. Hongkong hat sich beispielsweise um 0,9 auf 83,1 Punkte verbessert. Trotz der derzeitigen Proteste schafft der Stadtstaat damit den Sprung auf den weltweit dritten Rang. Singapur konnte seinen Wettbewerbswert gleich um 1,8 auf 84,8 Punkte erhöhen und hat die USA damit von der Spitzenposition verdrängt.

Nun folgt das WEF-Ranking mit seiner Bewertung anderen konkurrierenden Rankings, in denen Deutschland schon länger nach unten durchgereicht wird. Bei näherem Hinsehen offenbart die WEF-Liste, daß es in Deutschland in vielen Bereichen abwärts geht. Von den 103 Indikatoren, die das WEF für seinen Global Competitiveness Index benutzt, verliert Deutschland bei 53 an Boden und verbessert sich bei nur 18. Vor allem bei der öffentlichen Sicherheit schneidet Deutschland schlechter ab. In Sachen organisierter Kriminalität rangiert Deutschland mit nur noch 60 Punkten jetzt auf Rang 74, in einer Liga mit Ungarn. Musterschüler Finnland belegt mit 96,4 Punkten hier den Spitzenplatz.

Bemerkenswert, aber kein Wunder: auch in puncto Demokratie muß Deutschland Federn lassen – was bei jährlich zwischen 10 und 12.000 Ermittlungsverfahren wegen Meinungsdelikten und hohen Haftstrafen für Gesinnungs-Abweichler nicht erstaunt. Aber auch in Sachen „Humankapital“ geht es bergab mit der Bundesrepublik: sowohl die Qualifikation der Auszubildenden als auch die Fortbildung der Arbeitskräfte hat sich nach Einschätzung des WEF verschlechtert.

Aber auch mit dem deutschen Arbeitsmarkt gehen die WEF-Experten kritisch ins Gericht. Bei Kündigungen landet Deutschland im weltweiten Vergleich wegen der hohen Abfindungen auf Rang 100. Noch schlechter sieht es bei der Lohnfindung aus, bei der Deutschland im weltweiten Vergleich sogar nur auf Rang 102 steht. Bei den Lohnsteuern landet Germany auf einem miserablen Platz 99.

Da ist es ein vergleichsweise schwacher Trost, daß Deutschland in sieben der zwölf Kategorien nach wie vor unter den Top Ten weltweit rangiert und – mit Ausnahme der digitalen Kompetenz – immer noch über dem Durchschnitt der OECD-Industrieländer liegt. Auch bei der makroökonomischen Stabilität, die Inflation und Verschuldung mißt, liegt Deutschland mit vollen 100 Punkten weiter ungeschlagen auf Platz eins. Ebenso bei der Innovationsfähigkeit. Hier kann die größte Ökonomie Europas insbesondere bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Patentanmeldungen und einem hohem Qualitätsanspruch punkten.

Im WEF-Vergleich können langfristig nur Volkswirtschaften prosperieren, die Investitionen in das Humankapital, die Verbesserung ihrer Institutionen und die Innovationsfähigkeit tätigen. Und global kann nach Einschätzung der WEF-Experten nur eine neue ökonomische Dynamik die Produktivität wiederbeleben und einer globalen Verlangsamung gegensteuern.

Und hier ist Deutschland in seinen ureigenen Kompetenzen gefordert. Innovation und top-ausgebildetes „Humankapital“ waren seit der Kaiserzeit die wichtigsten Antriebsmotoren des deutschen Aufstiegs an die Weltspitze. Gerade diese Ressourcen droht unser Land aber derzeit mit einer schludrigen und immer mittelmäßigeren Bildungspolitik sowie einem zunehmend technikfeindlichen öffentlichen Klima – Stichwort: Klima-Hysterie – zu verschleudern. Da wird sich Platz sieben in der WEF-Ranking-Liste nicht mehr lange halten lassen. (se)

Bildquelle: Flickr/Metropolico.org/CC-BY-SA-2.0

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