Bagdad/Damaskus. Westliche und insbesondere US-Militärsprecher überbieten sich seit kurzem in vorauseilenden Siegesmeldungen – die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) werde voraussichtlich in der kommenden Woche endgültig besiegt sein, heißt es.
Tatsächlich hält der IS derzeit nur noch eine kleine Siedlung am Ostufer des Euphrats nahe der Grenze zum Irak sowie ein von der syrischen Armee eingekesseltes Wüstengebiet westlich davon – allerdings beißen sich an diesen beiden Gebieten die Gegner des IS seit Monaten die Zähne aus. Dennoch werde, berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, mit den eingekesselten Extremisten über eine Kapitulation verhandelt.
Experten weisen jedoch darauf hin, daß der IS trotz der bevorstehenden völligen Vernichtung seines „Kalifats“ auf syrischem und irakischem Boden eine Bedrohung bleibt: außerhalb seiner verbliebenen Kerngebiete greift die Terrormiliz zunehmend auf klassische Terror-Taktiken zurück: Entführungen, Anschläge, Attentate. Dies vor allem im Irak, wo weite Wüstengebiete nach wie vor als Hochrisikogebiete gelten, in denen der irakische Staat zwar präsent ist, aber nur mit Mühe die Oberhand behält.
Außerdem verfügt der IS nach wie vor über ein gewaltiges Mobilisierungspotential. Tausende Kämpfer, die aus dem Ausland nach Syrien gekommen waren, versuchen derzeit zu fliehen oder unterzutauchen. Mehr als 1000 ehemalige IS-Kämpfer sitzen allein in Gefängnissen unter Kontrolle des kurdische-arabischen SDF-Bündnisses – darunter viele aus Westeuropa. Wie viele durchs Netz gehen, ist allerdings nicht bekannt. Sie stehen jederzeit als Reservearmee des IS zur Verfügung – auch und gerade in Westeuropa. (mü)