Washington. US-Präsident Trump ist offenbar wieder einmal dabei, seine Syrien-Politik umzustoßen – oder er ist Getriebener mächtiger Gegner im Weißen Haus. Nachdem er kurz vor Weihnachten einen Rückzug der US-Truppen aus Syrien angekündigt hatte, hieß es nach dem Jahreswechsel bereits wieder, er habe nie gesagt, ob ein Abzug der rund 2.200 US-Soldaten „schnell oder langsam“ erfolgen werde.
Demonstrativ um „Schadensbegrenzung“ – also um eine Neutralisierung der Rückzugs-Entscheidung des Präsidenten – bemühte sich daraufhin Trumps Sicherheitsberater John Bolton, der den Abzug nun an die Bedingung knüpfte, daß die Türkei die Sicherheit der von den USA unterstützten kurdischen Milizen garantiere. Außerdem widersprach Bolton, der als Hardliner und Exponent des militärischen Flügels der US-Administration gilt, seinem Präsidenten, der seinen Abzugspläne damit begründet hatte, die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) sei besiegt. Bolton beharrte darauf, der IS sei noch nicht vollständig besiegt, und bis das erreicht sei, blieben die US-Truppen vor Ort. Zudem erklärte Bolton nach seinem Treffen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, daß der Abzug mit Israel „koordiniert“ werde. Israel hatte ebenso wie andere US-Verbündete vehement gegen einen US-Rückzug aus Syrien gewettert.
Im Augenblick scheint wieder alles offen – und Trump mehr denn je Gefangener mächtiger Hintergrund-Drahtzieher, aber auch seiner eigenen Persönlichkeitsstruktur. Adam Smitz, Vorsitzender des House Armed Services Committee, das über die Verwendung des amerikanischen Militärbudgets entscheidet, brachte diese unheilvolle Gemengelage unlängst auf den Punkt, indem er in einem CNN-Interview rundheraus erklärte, daß Trump in Syrien einen Kurs „wie ein betrunkener Seemann“ fahre. Smith weiter: „Es zeigt, daß unser Präsident buchstäblich nicht weiß, was er tut. Er erfindet Sachen und agiert aus Launen heraus, die vermutlich darauf basieren, was er auf Fox News sieht oder in welcher Stimmung er ist. (…) Das ist gedankenlos. Was wir brauchen, ist eine vernünftige Politik in Syrien (…). Alles, was wir haben, ist das emotionale Gerede eines Kindes. Und er wendet sich hin und her, je nachdem, was die letzte Person zu ihm gesagt hat.“
Das Agieren des Präsidenten zerstöre „die Glaubwürdigkeit“ der USA, so Smith, der CNN das resignierte Fazit anvertraute: „Wir können nicht die Welt regieren, wir können keine Beziehungen zu unseren Verbündeten und eine klare Außenpolitik haben, wenn er sich ständig ohne Verstand und Vernunft hin- und herwindet.“
Derzeit scheint der vor Weihnachten vollmundig angekündigte Syrien-Rückzug wieder völlig offen. Die letzten zwei Wochen lassen vielmehr allzu deutlich erkennen, daß sich Washington vom selbst verkündeten Rückzug zurückzieht.
Trump-Skeptiker, die der Ankündigung von Anfang an mißtrauten, sehen sich jetzt einmal mehr bestätigt. Tatsächlich steht für Washington (und Israel) zu viel auf dem Spiel, als daß die Noch-Supermacht USA den Nahen Osten Regionalmächten wie Iran oder der Türkei, geschweige denn der russischen Konkurrenz überlassen könnten. (mü)