Moskau/Kiew. Rußland verstärkt Medienberichten zufolge seine militärische Präsenz auf der Krim. Es würden mehr als zehn Kampfjets dorthin verlegt, meldete die Nachrichtenagentur Interfax am Montag unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Sie sollen dauerhaft auf dem umgebauten Luftwaffenstützpunkt Belbek stationiert werden.
Außenminister Lawrow habe erklärt, die Ukraine bereite „eine Provokation“ vor dem Jahreswechsel vor, hieß es weiter. Bei den Flugzeugen soll es sich um Kampfjets vom Typ Suchoi Su-27 und Su-30 handeln.
Zuvor hatte Lawrow den ukrainischen Präsidenten Poroschenko ungewöhnlich deutlich vor einem möglicherweise geplanten Angriff auf die Grenze zur Krim gewarnt und wörtlich erklärt: „Dann bekommt er eine Reaktion, daß ihm Hören und Sehen vergeht.“
Ende November hatten russische Medien bereits von Plänen des Kreml berichtet, auch Einheiten des Flugabwehr-Raketensystems S-400 auf die Krim zu verlegen. Die Spannungen zwischen Rußland und der Ukraine hatten sich zuletzt nach einem Vorfall in der Meerenge von Kertsch am Zugang zum Schwarzen Meer verschärft. In den Grenzregionen der Ukraine zu Rußland und Weißrußland gilt gegenwärtig das Kriegsrecht.
Beobachter gehen inzwischen davon aus, daß der von der Ukraine provozierte Vorfall auf ein strategisches Abkommen zwischen Moskau und Kiew abzielt, das die NATO und raumfremde Mächte bislang vom Asowschen Meer fernhält. Die Rede ist von einem Freundschaftsvertrag, den die Ukraine und Rußland 1997 abschlossen und der 1999 in Kraft trat. Er muß seither alle zehn Jahre erneuert werden, außer im Falle der Kündigung durch eine der beiden Parteien.
2003 war der Vertrag ausdrücklich dahingehend erweitert worden, daß das Asowsche Meer faktisch ein russisch-ukrainisches Binnenmeer ist. Kriegsschiffe können nicht ohne die Zustimmung beider Staaten einfahren. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 gilt hier nicht.
Erst im Oktober 2018 beschloß Kiew, aus dem Vertrag auszusteigen – nicht auszuschließen ist, daß der Vorfall vor der Halbinsel Kertsch dazu den passenden Vorwand liefern sollte.
Tatsächlich würde ein Ende des Vertrages von 1997/2003 das Asowsche Meer zwangsläufig „internationalisieren“. In Übereinstimmung mit dem Völkerrecht würde eine Neuregelung auf eine „Aufteilung“ des umkämpften Binnenmeeres in ukrainische und russische Hoheitsgewässer sowie einen internationalen Teil hinauslaufen. NATO-Schiffe wären dann für eine Einfahrt nicht mehr auf die Zustimmung Rußlands angewiesen.
Diese Konstellation erklärt auch, warum in die Vorbereitung des Vorfalls von Kertsch nach bisherigen Erkenntnissen die NATO involviert ist. Das westliche Militärbündnis wäre Hauptprofiteur von einer Neugestaltung der Seekarte des Asowschen Meeres. Die vom Westen beklagte „Militarisierung“ der Krim durch Rußland – etwa durch die Stationierung von Kampfflugzeugen und S-400-Flugabwehrsysteme – ist vor diesem Hintergrund mehr als begründet. (mü)