Die Bremer BAMF-Affäre ist längst zum bundesweiten Skandal eskaliert, doch das darf den Blick nicht auf die Verantwortung von Merkel und Co. verstellen.
Die Bombe platzte am 20. April. Wie verschiedene Medien berichteten, war die Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von einem Skandal erheblichen Ausmaßes betroffen. Im Mittelpunkt des Geschehens: die ehemalige, inzwischen suspendierte Leiterin Ulrike B. Sie soll zwischen 2013 und 2016 in 1.176 Fällen zu Unrecht positive Asylbescheide erlassen und auch Verfahren an sich gerissen haben, für die Bremen gar nicht zuständig war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen sie sowie Rechtsanwalt Irfan C. aus Hildesheim, zwei Anwälte aus Bremen und Oldenburg, einen Dolmetscher und einen weiteren Verdächtigen. Ermittler durchsuchten an zwei Tagen acht Objekte und beschlagnahmten zahlreiche Unterlagen. Bei einem der Anwälte wurde überdies eine illegale Schußwaffe samt Munition gefunden.
Erst einen Tag vor der Öffentlichkeit will der politisch verantwortliche Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) von der Angelegenheit erfahren haben. Daran kamen bald Zweifel auf. Überhaupt sollte sich zeigen, daß der Fall bei weitem keine begrenzte, lokale Angelegenheit war, sondern auf kapitale Versäumnisse und Defizite des Amtes selbst hindeutete. Wochenlang sollten sich die Medien damit beschäftigen, am laufenden Band kamen neue Details ans Licht, die wiederum neue Fragen provozierten. Wie konnten solch systematische Rechtsverstöße so lange unentdeckt bleiben? Wer hat wann wovon gewußt, und wer hat versäumt zu handeln? Ist die Zentrale des BAMF in den Versuch der Vertuschung verstrickt, und wenn ja, wer trägt dafür die Verantwortung? Und welche Rolle spielt die Politik?
Bereits in der letzten Ausgabe von ZUERST! hatte der Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Jan Timke (Bürger in Wut) gemutmaßt, daß die Zahl der rechtswidrig ergangenen Asylbescheide vermutlich höher liegt als die knapp 1.200 Fälle, um die es offiziell geht. Timke verfügt über kein Geheimwissen, er bezog sich etwa auf eine Studie der Universität Konstanz, wonach Bremen bereits zwischen 2010 und 2015 „in puncto Anerkennungsquote von Asylbewerbern der Spitzenreiter unter den 16 Bundesländern“ war. Dieser Trend setzte sich dann nach der von Merkel verfügten Öffnung der Grenzen nahtlos fort. Doch war der von der Bundeskanzlerin mindestens fahrlässig produzierte staatliche Kontrollverlust so umfassend, daß niemand sich über die Bremer Verhältnisse wunderte? Keineswegs, wie die mediale Aufklärung des Skandals Schritt für Schritt ans Tageslicht brachte.
Die ersten Hinweise kamen aus Oldenburg. Dort hatten 2013 zwei Iraker gegen ihre ablehnenden Asylbescheide geklagt, als sich in das laufende Gerichtsverfahren plötzlich die Bremer Außenstelle des BAMF einschaltete und erklärte, die Kläger würden einen Schutzstatus erhalten. Dem Leiter der BAMF-Außenstelle Oldenburg kam das merkwürdig vor, und er suchte zunächst das Gespräch mit der Kollegin Ulrike B. aus Bremen. Nachdem diese sich uneinsichtig gezeigt hatte, meldete er den Vorfall am 11. Juli 2014 schriftlich seinem Vorgesetzten in der Nürnberger Zentrale und dokumentierte dann auch weitere dubiose Fälle. Geschehen ist offensichtlich nichts, obwohl sich das BAMF 2014 noch nicht mit dem von Merkel angerichteten Chaos herausreden konnte. Auch anonyme Meldungen, die zu „Unregelmäßigkeiten in Bremen“ Anfang 2016 an das Innenministerium gingen, versandeten dort.
Erst am 21. Juli 2016 wurde Ulrike B. als Außenstellenleiterin abgesetzt, nachdem sie quasi in letzter Minute die Abschiebung einer Familie von Jesiden gestoppt hatte. Ein Disziplinarverfahren wurde eröffnet, das im März 2017 mit der vorübergehenden Kürzung ihrer Bezüge endete. Es dauerte noch ein weiteres Jahr, bis sie schließlich suspendiert wurde. Aufschlußreich ist eine Mail eines Referenten aus der BAMF-Zentrale, in der er anregte, Bremer Entscheidungen lieber selbst zu überprüfen, bevor dies durch inzwischen hellhörig gewordene niedersächsische Stellen geschehe. Hintergrund: Bereits im September 2016 hatte sich Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) schriftlich beim damaligen BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise beschwert, daß die Bremer Außenstelle in Niedersachsen zwei Abschiebungen vereitelt hatte. Ein Gruppenleiter verfügte dann „geräuschloses“ Vorgehen.
Einen der genannten Fälle hatte Hauke Jagau, Regionspräsident der Region Hannover und damit zuständig für die Ausländerbehörde, bereits im Juli 2016 an die Nürnberger BAMF-Zentrale gemeldet. Auf sein Schreiben erhielt er sogar eine Eingangsbestätigung, die er Redakteuren des ZDF-Magazins Frontal 21 vor laufender Kamera präsentierte. Es folgten nicht nur keine Konsequenzen, sondern der ehemalige BAMF-Chef ließ den Journalisten auf Nachfrage auch erklären, sich weder an Herrn Jagau noch an den Briefverkehr erinnern zu können. Letztlich sollen die Hinweise aus Niedersachsen dann aber doch ursächlich für eine interne Untersuchung durch das BAMF gewesen sein, die schließlich zur Aufdeckung der Affäre geführt habe. Und das, obwohl die Politik daran nicht sonderlich interessiert schien.
Darauf deutet zumindest der Umgang mit Josefa Schmid hin. Die Bundesbeamtin und ehrenamtliche Bürgermeisterin in Niederbayern war im Januar 2018 als kommissarische Leiterin in die Bremer BAMF-Außenstelle versetzt worden. Dort entwickelte die 44jährige, die vor einigen Jahren von der CSU zur FDP gewechselt war, einen beachtlichen Ehrgeiz zur Aufklärung der Mißstände. Ergebnis: ein 99seitiger Bericht an die Zentrale in Nürnberg. Schmid habe zudem am 14. März um einen Termin mit Innenminister Seehofer gebeten und diesem am 30. März eine Kurznachricht auf sein privates Telefon geschickt, worin sie über „ungeheuerliche Vorgänge in einer unglaublichen Dimension“ berichtete, zu denen sie Beweismittel habe, „die man nicht ignorieren kann, um gewaltigen Schaden für das ganze Land abzuwenden“
Der Minister kenne die SMS nicht, teilte eine Sprecherin mit. Ebenso folgenlos blieb ein Telefonat Schmids mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) wenige Tage nach Versand der SMS. Schmid übermittelte Mayer anschließend einen schriftlichen Überblick über die Bremer Vorgänge, über den er seinen Chef Horst Seehofer erst verzögert informierte. Josefa Schmid wurde dann im Mai aus Bremen abgezogen und nach Deggendorf versetzt, obwohl sie dies nicht wollte und sich sogar juristisch dagegen wehrt. Als Grund für die Versetzung kann angenommen werden, daß Schmid in ihrem Bericht den Verdacht geäußert hatte, daß das BAMF die Angelegenheit „nicht aufklären wolle und selbst in diese verstrickt sei“. Die jetzige BAMF-Leiterin Jutta Cordt bezeichnete die Abberufung jedoch als „ganz normal“.
Über mögliche Motive der suspendierten Außenstellenleiterin Ulrike B. ist reichlich spekuliert worden, es hat den Anschein, daß ideologische Interessen eine größere Rolle als materielle Vorteile gespielt haben. „Bei Twitter verbreitet die Oberregierungsrätin die asylpolitischen Auffassungen von ‚Pro Asyl‘“, berichtete etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Außerdem habe sie eine besondere Vorliebe für die jesidische Gemeinschaft ausgedrückt. Stern.de spielte gar auf einen „amourösen“ Hintergrund an. Deutlicher sind die Folgen des Skandals: So wurden in Bremen mutmaßliche IS-Kontaktleute, ein syrischer Ex-Geheimdienstler und ein vorbestrafter Schleuser mit „Flüchtlingsschutz“ ausgestattet. Die Bild fragte daraufhin im typischen Boulevardstil: „Leben wir eigentlich in einer BAMFnanen-Republik?“
Die bisherigen Reaktionen blieben überschaubar: Jutta Cordt kündigte an, sämtliche 18.000 positiven Asylbescheide in Bremen seit dem Jahr 2000 nochmals überprüfen zu lassen. Innenminister Seehofer gab dagegen bekannt, daß die Bremer Außenstelle bis auf weiteres gar keine Entscheidungen mehr treffen darf, außerdem soll die Gesamtbehörde mit ihren knapp 7.200 Mitarbeitern auf „systemische Mängel“ vom Bundesrechnungshof durchleuchtet werden. Auch „personelle Konsequenzen“ schloß der Minister zuletzt nicht mehr aus. Seehofer und Cordt mußten sich am 29. Mai den Fragen der Abgeordneten im Bundestags-Innenausschuß stellen. Unabhängig vom Ergebnis hatten AfD und FDP bereits die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert, für den sie jedoch zusammen keine Mehrheit haben. Die Grünen zieren sich, die Linke hat das Ansinnen rundheraus abgelehnt.
Dabei scheint „Bremen“ ohnehin nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Auch zehn weitere Außenstellen, bei denen es Auffälligkeiten gab, werden untersucht Viel gravierender sind jedoch die Versäumnisse bei den Widerrufsprüfungen, wie aus einem internen Bericht des BAMF-Referats Qualitätssicherung hervorgeht, über den Welt Online Mitte Mai berichtete. Während negative Asylbescheide regelmäßig einer Kontrolle unterzogen werden, weil die Betroffenen zu über 90 Prozent dagegen klagen, sieht es bei den positiven Bescheiden ganz anders aus. Die Ausführung der Verfahren würden „zum großen Teil der Voraussetzung einer umfassenden rechtlichen Prüfung nicht gerecht“ werden, heißt es in dem Bericht, die Rücknahme des Schutzstatus werde „regelmäßig nicht in Betracht gezogen, obwohl die Voraussetzungen hierfür bei einer Vielzahl der Verfahren gegeben“ wären.
Besonders auffällig seien ausbleibende oder unzureichende Identitätsfeststellungen. Dadurch trage die Behörde „durch Unterlassen dazu bei, daß sich Strukturen wie bei gleichgelagerten Fällen der sogenannten Scheinlibanesen-Clans, insbesondere aufhältig in Bremen, bilden und erweitern“. Auch die regelmäßigen „Heimaturlaube“ angeblich politisch Verfolgter aus dem Irak werden nicht mit dem Entzug des Schutzstatus bestraft. Daraus kann man nur schließen, daß das Agieren einer „Pro-Asyl-Mafia“ in Teilen das BAMF durch nahezu flächendeckenden Dilettantismus ergänzt wird. Doch auch daran ist letztlich nicht das BAMF schuld, das durch das massenhafte Durchwinken an den Grenzen schlichtweg überfordert war. Daß das schiefgehen mußte, war „politisch eingepreist“ (stern.de). Die Gesamtverantwortung, so auch Welt Online, liegt im Bundeskanzleramt.
Dorian Rehwaldt
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