Rom. Die neue italienische Regierung – Lega (vormals Lega Nord) und Fünf-Sterne-Protestbewegung (M5S) – hat sich jetzt nach zähen Verhandlungen ein Regierungsprogramm verordnet. Zumindest auf Seiten der „Cinque Stelle“ wurde das Papier bei einer Internet-Abstimmung auch gleich von 90 Prozent der Aktivisten gutgeheißen.
„Vertrag für eine Regierung der Veränderung” lautet der Titel des 58 Seiten starken Koalitionspapiers. Beobachter prognostizieren Italien ebenso wie der EU bewegte Zeiten, sollte die neue Regierung an die Umsetzung ihres Programms gehen. Die Ablehnung der „Euro-Bürokraten” in Brüssel ist dabei der Kitt, der die beiden unterschiedlichen Partner zusammenhält.
In einer vorab veröffentlichten Fassung des Koalitionsvertrags fand sich die Forderung nach einem Schuldenerlaß in Höhe von 250 Milliarden Euro durch die EZB. Das wäre fast so viel, wie alle drei Rettungspakete für Griechenland insgesamt gekostet hatten. Gleichzeitig war von der Vorbereitung eines Referendums über den Austritt Italiens aus dem Euro die Rede. Die beiden Punkte hatten genügt, um den Euro auf den tiefsten Stand seit Dezember fallen zu lassen und die Mailänder Börse auf Talfahrt zu schicken.
Der Schuldenerlaß und der Euro-Austritt sind zwar inzwischen aus dem Regierungsprogramm wieder verschwunden. Was bleibt, ist aber genug, um der EU Turbulenzen zu bescheren. So spricht sich das Programm für eine künftige jährliche Neuverschuldung von 100 Milliarden Euro aus – das italienische Haushaltsdefizit würde sich dadurch von heute 1,5 Prozent auf über sieben Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erhöhen. Laut Maastricht-Vertrag beträgt die Obergrenze drei Prozent.
Eine radikale Kursänderung versprechen die Koalitionspartner auch in der Migrationspolitik. So müsse das Dublin-Abkommen, wonach „Flüchtlinge“ ihren Asylantrag in dem EU-Land stellen müssen, in dem sie europäischen Boden betreten, „überwunden werden”.
Weitere Kernpunkte des Programms sind ein Grundeinkommen in Höhe von 780 Euro für alle Bedürftigen, eine Pensionsreform, eine Revision der EU-Verträge, insbesondere, was den „Fiskalpakt“ angeht, „damit Italien seine Souveränität zurückerlangt”. Außerdem sollen radikalislamische Verbände und Gebetsorte geschlossen werden.
Interessant ist, daß sich die neue Regierung in Brüssel für eine Aufhebung der Rußland-Sanktionen starkmachen will. (mü)
Alles in allem Punkte, von denen jeder einzelne doppelt unterschrieben
werden kann.
Man weiss noch nicht so recht, was man davon halten soll. Italien müsste zwingend die Lire zumindest als Parallel-Währung installieren um Abwertungen vorzunehmen. Damit würden sich die Schulden Italiens über Staatsanleihen automatisch verkürzen. Damit verbunden ist so oder so ein Haircut und diesen müssten die EZB bzw. die Gläubiger-Staaten über die EZB ausgleichen. Zwar wären damit die etwa 2 Billionen Staatsschulden Italiens noch nicht weg, aber diese könnten über eine prosperierende Wirtschaft zumindest bedient werden. Dass man nun die brisantesten Punkte aus dem Programm gestrichen hat könnte auch ein Weiterwursteln bedeuten. Sofern Lega und 5* eine massive Veränderung in der EU herbeiführen wollen, müssen sie auch konsequent diesen anti-EU Kurs durchsetzen. Bisher fehlt mir die letzte Überzeugung dazu.
Geplant ist ja in den nächsten Wochen eine deutliche Abschwächung der Dublin-Vereinbarung. Demnach dürfen Asylbewerber künftig auch in den Ländern Asyl beantragen in denen diese Verwandte, Freunde oder Bekannte haben. Worauf daß dann hinausläuft dürfte jedem klar sein. Die Bundesregierung wird dem höchstwahrscheinlich zustimmen.