Die heute in Bonn ansässige Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks beging ihr Gründungsjubiläum in Breslau. Der AfD-Politiker Joachim Paul, Alter Herr der Raczeks, im ZUERST!-Gespräch über seine Eindrücke.
Herr Paul, Ihre Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks feierte Ende Oktober 2017 ihr 200jähriges Gründungsjubiläum in ihrer schlesischen Gründungsstadt Breslau. War es der erste offizielle Besuch seit Ende des Zweiten Weltkrieges?
Paul: Nein, wir Raczeks waren bereits viele Male offiziell in Breslau. Es gibt bei uns das Amt des Schlesienbeauftragten, der dafür Sorge trägt, daß gerade unsere jüngeren Bundesbrüder Kultur, Brauchtum und Geschichte Schlesiens kennen – bis hin zur Mundart. Am Oderufer, in der Nähe der Dominsel, dort, wo bis zum Feuersturm des Abwehrkampfes unser Verbindungshaus stand, wurde vor Jahrzehnten ein Gedenkstein unseres Bundes errichtet. Nun haben wir uns diesmal wieder im Fackelschein versammelt und Studentenlieder gesungen. Das am gegenüberliegenden Oderufer stehende Haus war übrigens einmal ein Verbindungshaus. Es steht noch und ist mittlerweile ein Hotel, das bekannte Hotel Tumski.
Was stand alles auf Ihrem Programm?
Paul: Am Donnerstag eröffneten wir die Feierlichkeiten feuchtfröhlich im Tumski. Der alte Kneipsaal des Hauses wurde wieder einmal von Verbindungsstudenten im alten Sinne beansprucht. Am Freitag fand der Festakt an der Universität Breslau statt. Neben unseren Chargen, also den aktiven Studenten im sogenannten Vollwichs, präsidierten auch Chargen unserer Kartellburschenschaften Teutonia und Danubia in der Aula, der prächtig renovierten Leopoldina mit ihren barocken Deckengemälden. Die Chargen und Fahnen unserer Burschenschaften vereint an diesem denkwürdigen Ort: ein unvergeßliches Bild. Die Leopoldina ist ja Schauplatz unserer Bundesgeschichte. In ihr hat schon Ferdinand Lassalle, Mitglied der Raczeks und zugleich Gründervater der SPD, gesprochen.
Wie wurden die Raczeks von der Universität Breslau aufgenommen?
Paul: Sehr freundlich und voller Respekt. Weil der Fachbereichsleiter Germanistik erkrankt war und die Begrüßung auf Deutsch ausfallen mußte, wohnte der Direktor dem Festakt bei. In seiner Rede sprach er von uns als Freunden der Universität Breslau. Anschließend lud er alle Anwesenden zu einer Besichtigung der Universität ein.
Hatten Sie auch Gelegenheit, mit den Studenten dort zu diskutieren?
Paul: Leider bot sich keine Gelegenheit, um mit einheimischen Studenten ins Gespräch zu kommen. Das wollen wir aber gerade deshalb nachholen, weil es mittlerweile auch wieder Korporationen in Polen gibt, die das Brauchtum der Burschenschaften nachahmen, sogar fechten. Zum Beispiel die Korporation Sarmatia Warschau. Ihnen ist es sogar möglich, Fechtkurse an der Universität zu veranstalten.
Ist die heutige polnische Universitätsleitung an der Geschichte der Breslauer Korporationen interessiert?
Paul: Gerade das kulturelle Erbe der Breslauer Studentenverbindungen wird dort ganz unverkrampft gezeigt, zum Beispiel Wappen und Farben. Im Gegensatz zu den meisten bundesdeutschen Universitäten, an denen der noch vorherrschende linke Zeitgeist auf Schritt und Tritt spürbar ist, wird das Korporationswesen in Breslau als wichtiger Teil der Universitätsgeschichte angesehen und nicht als unliebsames Überbleibsel versteckt. Der Burschenschafter und Experte für Studentengeschichte, unser Verbandsbruder Dr. Harald Lönnecker, steht in regelmäßigem Austausch mit der Universität Breslau und war maßgeblich an einer ständigen Ausstellung der Universität beteiligt, die auch Nobelpreisträger und akademische Pioniere würdigt, die die damalige schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität hervorgebracht hat. Darunter viele Korporierte, wie unseren Bundesbruder Karl Wernicke. Er hat 1870 promoviert und später das Sprachzentrum des Gehirns entdeckt.
Empfand die polnische Seite Ihren Besuch als „ungewöhnlich“?
Paul: Mittlerweile ist das Verhältnis recht unverkrampft. Auf dem Weg zum Schweidnitzer Keller wurden wir von Passanten aufgrund von Mütze und Band, dem Couleur, als Korporierte erkannt und freundlich gegrüßt. Als wir im Fackelschein zu unserem Gedenkstein am Oderufer gingen und deutsche Lieder sangen, ernteten wir interessierte, aber auch irritierte Blicke. Unser Altherrenvorsitzender hatte den Gedenkmarsch natürlich bei der Stadt angemeldet. Die erteilte zügig eine Genehmigung. Man hat insgesamt den Eindruck, daß Breslau sich als alte Kulturstadt empfehlen will und das deutsche Erbe deshalb entsprechend würdigt. Es gibt ja auch kein großes polnisches kulturelles Erbe, an das man hier glaubwürdig anknüpfen könnte. Früher hat man versucht, das deutsche Erbe zu verschleiern. Heute hat sich sogar so etwas wie ein neues schlesisches Selbstbewußtsein entwickelt, das auch an die deutsche Zeit anknüpft.
Sie besuchten auch den berühmten Schweidnitzer Keller im Breslauer Rathaus. Wie war die Stimmung?
Paul: Im Schweidnitzer Keller fand unser „Farbenabend“ statt. Ursprünglich war ein Kommers mit einer großen Tafel geplant gewesen, was allerdings aus Gründen des Brandschutzes nicht möglich war. Dennoch wurde es ein geselliger Abend mit viel Bier, deftigen deutsch-polnischen Speisen und deutschem Sang, den ein Bundesbruder mit dem Akkordeon begleitete. Im Schweidnitzer Keller saßen wir so auch wieder einmal in der „Bucht“, einem Raum im hinteren Kellergewölbe. Hier hatten sich die Burschenschafter Breslaus schon immer zum Trinken versammelt, die Wappen der Bünde waren zu jener Zeit noch auf der Wand aufgetragen. Sie fielen leider vor Jahren einer Renovierung zum Opfer.
Wie ist Ihr Gesamteindruck von Breslau? Lohnt sich ein Besuch?
Paul: Breslau ist eine europäische Stadt im besten Sinne des Worts. Der Stadtkern ist von preußisch-deutscher Architektur geprägt, nicht von orientalischen und teilweise primitiven Multikulti-Erscheinungen. Man sieht, daß viel Geld in die Restauration historischer Gebäude, zum Beispiel die Jahrhunderthalle, gesteckt wurde. Einen Besuch der Stadt kann ich deshalb jedem wirklich ans Herz legen. Angesichts der Entwicklungen unserer Großstädte muß ich mit etwas Bitterkeit feststellen, daß Breslau kulturell gesehen viel europäischer ist als manche deutsche Großstadt. Das gilt nicht zuletzt für Bonn.
Planen Sie eine weitere Kooperation mit der Breslauer Universität?
Paul: Ich könnte mir gut vorstellen, daß der Austausch in Zukunft noch reger wird. Es wurde uns erneut vor Augen geführt, daß die einstige preußische Großstadt gut zu erreichen und als klassische Studentenstadt mit vielen Kneipen für Korporationen ein hervorragendes Pflaster ist.
Herr Paul, vielen Dank für das Gespräch
Joachim Paul, geboren 1970 in Bendorf (Rheinland-Pfalz), ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD) im Landtag Rheinland-Pfalz. Paul ist erster stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Koblenz. Auf Landesebene war er Koordinator des Landesfachausschusses 6 (Bildung und Kultur) und Landesschriftführer seiner Partei. Seit 2015 ist er stellvertretender Landesvorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz. Paul ist ordentliches Mitglied des Ausschusses für Bildung und des Zwischenausschusses sowie stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Medien, Digitale Infrastruktur und Netzpolitik und des Ausschusses für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur.
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