Brüssel/Warschau. Die Gräben in der EU vertiefen sich: erstmals hat die EU-Kommission jetzt – gegen Polen – ein Verfahren wegen schwerwiegender Grundrechtsverletzungen eröffnet. Das Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags ist bisher noch nie angewendet worden. Schlimmstensfalls kann es für Polen bis zu einem Verlust seiner Stimmrechte in der EU führen.
Die EU-Kommission erklärte, sie habe gehandelt, „um die Justiz-Unabhängigkeit in Polen zu verteidigen”. Kommissionsvize Frans Timmermans erklärte dazu in Brüssel: „Nach zwei Jahren kann die Kommission nur schlußfolgern, daß es ein echtes Risiko einer schweren Grundrechtsverletzung gibt.” Allerdings will die Kommission Polen noch eine Brücke bauen – falls Warschau die „empfohlenen“ Schritte der EU-Kommission für die Unabhängigkeit der Justiz binnen dreier Monate umsetze, sei man bereit, den Vorschlag für ein Artikel-7-Verfahren noch einmal zu überdenken, sagte Timmermans.
Die polnische Regierung kommentiert die Entscheidung aus Brüssel unterdessen zurückhaltend. Polen sei ein rechtsstaatliches Land und werde auf EU-Ebene nur geschätzt, wenn es ein funktionierendes Gerichtswesen habe. Deswegen müsse man die von Brüssel kritisierten Justizreformen umsetzen, erklärte Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro zu den Anwürfen der EU-Kommission. (mü)