Ajacco. Auch Frankreich könnte bald ein Problem mit einer prominenten Sezessionsbewegung bekommen. Bei der Territorialwahl auf Korsika, das erst seit 1832 zu Frankreich gehört, konnten sich jetzt die sezessionistische Unabhängigkeitsliste „Pè a Corsica“ (Für Korsika) mit über 45 Prozent an die Spitze setzen und damit einen Paukenschlag lostreten. Die bürgerlichen „Regionalisten” kamen auf 14,9, die konservativen Republikaner auf 12,8 Prozent. Die Linke (5,7) und der Front National (3,3) scheiterten an der Sieben-Prozent-Hürde. Auch die Macron-Liste „La République en Marche“ schnitt mit 11,3 Prozent schwach ab.
Wahlsieger Gilles Simeoni gibt sich moderat, macht aber kein Hehl daraus, daß er mehr Unabhängigkeit für Korsika anstrebt. Sein Bündnis erhebt drei Hauptforderungen: Franzosen sollen in Zukunft mit dem Statut von „Ortsansässigen” von den einheimischen Korsen unterschieden werden. Korsisch soll außerdem zu einer zweiten Amtssprache werden. Und die „politischen Gefangenen” sollen in Gefängnisse auf der Insel überstellt werden.
In der Vergangenheit war Paris nicht bereit, auch nur über eine dieser Forderungen zu verhandeln. Aber jetzt spricht das Wahlergebnis eine deutliche Sprache. Und „Für Korsika“-Chef Simeoni verfügt in einer Wahlallianz mit dem noch radikaleren Jean-Guy Talamoni über eine starke Position. Talamoni erklärte: „Korsika ist eine Nation. Wir sind Unabhängigkeitskämpfer, aber zugleich auch Demokraten. Wenn die Korsen in zehn oder 15 Jahren die Unabhängigkeit wollen, wird das niemand verhindern können.”
Allerdings: die völlige Unabhängigkeit von Frankreich will die Mehrheit der Korsen nicht. Dennoch könnte jetzt auch Frankreich sein Separatismus-Problem bekommen. (mü)