Zur Bundestagswahl: AfD-Spitzenkandidat Dr. Alexander Gauland im exklusiven ZUERST!-Interview

23. September 2017
Zur Bundestagswahl: AfD-Spitzenkandidat Dr. Alexander Gauland im exklusiven ZUERST!-Interview
National
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Foto: Symbolbild

„Aktuell sehe ich keine Opposition“

Im ZUERST!-Interview spricht der AfD-Spitzenkandidat Dr. Alexander Gauland über den verlorenen Konservatismus in der Union, über die Folgen des Brexit und erklärt, warum er persönlich und die zukünftige parlamentarische Oppositionspartei AfD für vernünftige Beziehungen zu Russland eintreten.

Herr Dr. Gauland, Sie waren über vierzig Jahre lang Mitglied der CDU und prägten vor allem in Hessen den konservativen Kurs Alfred Dreggers und Walter Wallmanns mit. Sehen Sie heute noch einen konservativen Flügel in die­ser Partei, oder haben Sie sie nach vier Jahrzehnten verlassen, weil es keinen mehr gibt?

Gauland: Ich kann in der Union keinen konservativen Flügel mehr erkennen. Es gibt noch Einzelpersonen, die die „alte Union“ repräsentieren, das räume ich gerne ein. Wolfgang Bosbach gehört dazu oder in der jüngeren Generation Jens Spahn. Fairerweise muß man sagen, daß die Dregger/Kanther/Wall­mann-Union noch von der Aufgabe der nationalen Wiederherstellung Deutsch­lands erfüllt war. Nachdem dies erreicht war, taten sich die Konservativen in der Union sehr schwer, neue Themen zu finden, die ein Alleinstellungsmerkmal bilden könnten. Es ist zwar richtig, daß Angela Merkel die Union völlig ent­kernt hat. Schuld am Verlust des kon­servativen Flügels haben aber auch die­jenigen, die sich Frau Merkel nicht in den Weg gestellt haben.

Hat der Konservatismus in der heutigen Form in Deutschland überhaupt eine Zukunft?

Gauland: Das ist eine Frage, die man alle zwanzig Jahre gestellt bekommt. Konservatismus ist ja kein politisches Programm, sondern eher eine geistige Haltung des Bewahrens aus einer skeptischen Anthropologie heraus. Das heißt, daß man bestimmte Dinge für nicht machbar hält. Daß Neuerungen nur eingeführt werden sollten, wenn sie Verbesserungen schaffen, und nicht nur, um einer Mode hinterherzurennen. Konservativ zu sein, ist eher eine Lebens­haltung, die immer und überall paßt. Der Politiker, der das am ehesten verkörpert und der den Begriff überhaupt erfunden hat, ist Edmund Burke [irisch-britischer Staatsphilosoph und Politiker, 1729–1797, Anm. d. Red.]. Die konservative Haltung knüpft sich also nicht an Themen, die kommen und gehen können. Um das zu verstehen, schauen sich Interessierte am besten das Leben und die Arbeit von konservativen Politi­kern an wie Burke, Benjamin Disraeli oder einer Fülle anderer großer Geister.

Was fasziniert Sie zum Beispiel an Ed­mund Burke?

Gauland: Burke verkörpert die Geistes­haltung der konservativen Skepsis, die ich für richtig und wichtig halte. Die deutsche Geschichte ist da eher zwiespältig. Ich erinnere an Bismarck, aber auch an Staatskanzler Fürst Metternich, der ein System geschaffen hat, das über hundert Jahre lang Bestand hatte und auch die deutsche Einigung zuließ. Aber bei Metternich ist es ähnlich wie bei Bismarck, auch wenn es um andere Themen geht. Beide waren außenpolitisch sehr erfolgreich, ihre Innenpolitik weist aber einige gravierende Schwachstellen auf.

Sie kennen sich mit den Stimmungen in Großbritannien aus, da Sie beruflich in England tätig waren. Warum hat eine Mehrheit für den Brexit gestimmt?

Gauland: Da gibt es viele Gründe, und die sind ja auch hinreichend analysiert worden. Die Engländer sind ein sehr freiheitsliebendes Volk und haben alte parlamentarische Traditionen, die sich mit der gegenwärtigen Bürokratie in Brüssel nicht vertragen. Ich glaube, die nationale Identität der Briten verträgt sich ebenfalls schlecht mit einem Euro­pa der Regelwut, wo selbst die Gurken­krümmung gesetzlich vorgegeben war. Aber auch wirtschaftliche Gründe und die Probleme der Zuwanderung aus den ehemaligen Kolonien sind Faktoren, die zu diesem Ergebnis geführt haben.

Führt der Brexit zu einem Umdenken bei den verantwortlichen Köpfen der EU – oder schreitet vielmehr der Brüsseler Zentralismus voran?

Gauland: Ich fürchte, das letzte ist der Fall. Ich hatte mir vom Brexit eine Ver­nunftoffensive erhofft, die nicht eingetreten ist. Es scheint eher, die Brüsseler Bürokraten agieren nach dem Prinzip: „Jetzt erst recht!“ Dies wird der falsche Weg sein, den ich aber auch nicht verhindern kann.

Spielt bei Ihren europapolitischen Vor­stellungen das Modell eines „Europas der Vaterländer“ eine Rolle? Wie könnte ein „anderes Europa“ aussehen?

Gauland: Das von Charles de Gaulle ge­prägte Prinzip eines „Europas der Vater­länder“ vertreten wir mehr als deutlich. Wir sind zwar sehr für den gemeinsamen Markt, aber wir sind gegen die Versuche, einen europäischen Staat zu schaffen. Der Irrweg fängt bei der ge­meinsamen Währung an und führt bis zur europäischen Gerichtsbarkeit. Europa besteht nun mal aus verschiedenen Völkern, Kulturen und Sprachen, die man nicht einfach mit Gewalt „anglei­chen“ und in ein gemeinsames Korsett zwingen kann.

Die AfD und besonders auch Sie treten für vernünftige Beziehungen zu Ruß­land ein. Unter anderem fordern Sie die Abschaffung der EU-Sanktionen. Mit welchen Initiativen würden Sie aus dem Bundestag heraus eine Verbesserung der Beziehungen fördern?

Gauland: Das hängt davon ab, was zum jeweiligen Zeitpunkt auf der politischen Agenda steht. Es hat keinen Zweck, hier etwas ins Blaue hinein zu fordern. Die Russen werden die Krim nicht hergeben, was ich verstehe. Mit den Sank­tionen erzwingen wir keine Verhaltens­änderung Moskaus, sondern strafen nur unsere deutschen Unternehmen, und deshalb plädieren wir für eine schnelle Abschaffung.

Bis zur Jahresmitte hat die illegale Mi­gration über die Mittelmeerroute stark zugenommen. Rechnen Sie damit, daß sich Verhältnisse wie im Sommer 2015 wiederholen?

Gauland: Die „Flüchtlingskrise“ ist ja nicht etwa bewältigt. Wenn immer mehr Menschen in Italien ankommen und das Land damit nicht fertig wird, kann es zu einem erneuten Sommer 2015 kommen. Ich denke – wie übrigens auch der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz –, daß es zu einer Verschärfung der Situation kommt. Deshalb haben wir das Thema auch in unseren Wahlkampf mit einfließen lassen, denn es wird uns noch lange beschäftigen.

Wie würde die AfD die „Flüchtlings“- und Zuwanderungspolitik verändern?

Gauland: Da haben wir eine konsequen­te Haltung. Wenn es nicht gelingt, die europäischen Außengrenzen zu schlie­ßen, dann müssen eben die eigenen Grenzen gesichert werden. Aufnahme dürfen nur Menschen finden, die wirk­lich politisch verfolgt werden. Wenn ein Asylantrag nicht bewilligt wird, muß der Antragsteller umgehend das Land ver­lassen. Wir wollen außerdem die Ent­wicklungshilfe effektiver für den Abbau von Fluchtursachen einsetzen.

In den großen Fragen wie „Flüchtlings­krise“ oder „Griechenlandrettung“ war sich der Bundestag größtenteils einig. Sehen Sie aktuell eine Opposition?

Gauland: Aktuell sehe ich keine Opposition. Das Wort trifft im letzten Bundestag bestenfalls auf einzelne Ab­geordnete in bestimmten Fragen zu. Das gilt etwa für Wolfgang Bosbach, Erika Steinbach und Sahra Wagen­knecht. Es gibt einen großen Konsens der „Alternativlosigkeit“, der dazu führt, daß große Debatten nicht mehr geführt werden. Genau das will die AfD ändern.

Mit welcher Veränderung muß Berlin rechnen, wenn die AfD als echte patrio­tische Opposition in den Bundestag ein­zieht?

Gauland: Der Bundestag ist eine andere Bühne für politische Rhetorik als die Landtage. Es ist völlig klar, daß das öf­fentliche Interesse höher ist, wenn je mand von uns im Bundestag spricht, als wenn er dies in einem Landtag tut. Da entsteht auf die Regierenden ein anderer Druck, da sie direkt mit unseren politischen Positionen konfrontiert werden.

Gibt es schon Pläne für Initiativen, um aus der Opposition heraus Einfluß auf das Regierungsgeschehen zu nehmen?

Gauland: Ich bin dankbar, wenn wir erst mal im Bundestag sind. Aber ein Anliegen wird zum Beispiel die Ein­richtung eines Untersuchungsaus­schusses sein, der das Verhalten der Kanzlerin in der „Flüchtlingskrise“ un­tersuchen soll und vor allem die Frage, weshalb es nicht möglich sein soll, die Grenzen zu schützen. Die etablierten Parteien können sich darauf verlassen, daß wir die Fragen, die unsere Mitbür­ger bewegen, schonungslos ansprechen werden.

Herr Dr. Gauland, vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Alexander Gauland, geboren 1941 in Chemnitz, ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD) und Fraktionsvorsitzender im brandenburgischen Land­tag. Gauland war vor seiner AfD-Mit­gliedschaft 40 Jahre lang Mitglied der CDU. Er war im Laufe seiner Parteikarriere im Frankfurter Magistrat und im Bundesumweltministerium tätig und leitete von 1987 bis 1991 die Hessische Staatskanzlei unter Ministerpräsident Walter Wallmann. Er wurde nach der Wende Herausgeber der in Potsdam erscheinenden Tageszeitung Märkische Allgemeine und publizierte vielfältig, so auch die Anleitung zum Konservativsein. Nach der Landtags­wahl in Brandenburg 2014, bei der er AFD-Spitzenkandidat war, wurde er Fraktionsvorsitzender seiner Partei und Alterspräsident im Landtag Brandenburg.

Dieses exklusive Interview ist in der gestern druckfrisch erschienenen Oktober-Ausgabe des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST! enthalten. Werden Sie jetzt Leser der Druckausgabe von ZUERST!

 

 

3 Kommentare

  1. Tom sagt:

    Die unabhängigen „Medien“ sperren videos mit Dr. Gauland in youtube! Panik?

  2. Lore sagt:

    Sehr gutes Interview,ich hoffe so sehr,dass die AfD morgen ganz stark zulegt.Wir brauchen eine Frontalopposition,damit das Pendel wieder von links zurück schwingt.

  3. Joachim sagt:

    Wenn Herr Gauland davon spricht, daß er das Handeln der EU nicht verhindern kann, dann wäre es aber zumindest als Alternative erwähnenswert, daß man dagegen kämpft und zwar mit allen legalen Mitteln, denn die Analyse der Hoffnungslosigkeit wird schon von den anderen propagiert und die sollte von der AFD noch vor dem Einzug in den Bundestag nicht verbreitet werden, genausowenig wie die Bemerkung daß man zur Rentenpolitik noch kein wirkliches Konzept hätte, denn wer zwei Möglichkeiten bereits zu Papier gebracht hat, der hat ein Konzept, er hat es nur noch nicht verfeinert und entgültig verabschiedet und das ist das ausschlaggebende bei allen Handlungen.

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