Brüssel/Moskau. Zwar bemüht sich die EU nach Kräften, unter dem Motto der „Diversifizierung“ ihre Energieversorgung auf ein breiteres Fundament zu stellen und dabei insbesondere von russischen Lieferungen unabhängiger zu werden. Doch die Realität sieht anders aus: der russische Erdgasgigant Gazprom wird auf dem europäischen Markt nicht etwa zurückgedrängt, sondern kann sogar noch kräftig zulegen.
Im August gelang es Gazprom, einen Tages-Ausfuhrrekord aufzustellen: im Vergleich zum Vorjahr konnte das Unternehmen rund 12% mehr Erdgas nach Europa exportieren. Als Grund dafür führen Experten die europäischen Gasspeicher an, die im relativ kalten Frühjahr stärker als sonst beansprucht gewesen seien.
Dabei stagnierte die Gasproduktion des Energieriesen im letzten Jahr bei 419 Milliarden Kubikmeter. Dennoch stiegen Exporte in Länder außerhalb der GUS – auch in die EU – auf eine Rekordhöhe von 179 Milliarden Kubikmeter.
Für Gazprom ist das europäische Geschäft äußerst lukrativ, weil der Konzern bei den Geschäften mit Europa pro Kubikmeter einen Preis erzielt, der der mehr als doppelt so hoch ist wie der im Inland. Für die europäischen Einkäufer ist Gazprom-Gas dagegen billiger als die Gasprodukte der Konurrenz, etwa der amerikanischen. Der niedrige Preis ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen.
Gerade osteuropäische Länder wollen sich seit der Krim-Krise von der Energieversorgung durch Rußland unabhängig machen und fassen deshalb einen Umstieg auf amerikanische Schiefergas-Importe ins Auge. Erste Lieferterminals gibt es bereits in Litauen und Polen. Aber das Schiefergas ist ungleich teurer als das russische Gazprom-Gas. Der Konzern rechnet sich deshalb auch für den künftigen Konkurrenzkampf gute Karten aus. (mü)