Seit letztem Freitag können Sie die August/September-Ausgabe des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST! im Zeitschriftenhandel erwerben. Das Editorial von Chefredakteur Manuel Ochsenreiter beschäftigt sich diesmal mit der bundesdeutschen Außenpolitik am Beispiel der Bundeswehrstationierung in der Türkei, die verdeutlicht, wie weit entfernt die Bundesregierung davon ist, auch nur im Ansatz deutsche Sicherheitsinteressen zu vertreten. Vielmehr trägt die deutsche Nahostpolitik zu einer Verschärfung der dortigen Situation bei.
Lesen Sie nun exklusiv den Kommentar aus der aktuellen Ausgabe von ZUERST!
Die Bundeswehr schließt ihre Basis im türkischen Incirlik und verlegt bereits seit Anfang Juni ihre Kräfte nach Al-Asrak in Jordanien. Der Deutsche Bundestag hatte für einen Abzug der Bundeswehr aus der Türkei gestimmt. Grund ist das türkische Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete bei den deutschen Soldaten in Incirlik.
Die Bundesregierung und die Medien verkaufen der Öffentlichkeit die Bundeswehr-Verlegung aus der Türkei nach Jordanien als eine Art politischen Husarenstreich, als habe man sich so des lästigen Problems Erdogan einfach entledigt. Und in der Tat ist es sehr unwahrscheinlich, daß der jordanische König die deutsche Basis als politisches Faustpfand benutzen wird, wie der türkische Präsident es tat.
Doch eines geht in der Freude über die Verlegung völlig unter: der militärische Zweck der Verlegung, der angebliche Kampf gegen den Terrorismus. Bereits die Stationierung deutscher Soldaten in der Türkei war hoch problematisch – und das nicht nur wegen Erdogan. Damit rückten die deutschen Streitkräfte bedrohlich nahe an den syrischen Krieg heran. Deutsche und türkische Politiker waren sich zudem darin einig, daß, falls die syrische Armee die Türkei angreifen würde, ein NATO-Bündnisfall eintreten werde. Während die Türken wahrscheinlich genau wußten, worüber sie sprachen, war das bei den Deutschen nicht der Fall. Denn ausgerechnet die Türkei befeuert den Krieg in Syrien seit 2011. Ankara läßt unzählige Terroristen über die Türkei nach Syrien hineinsickern, gleich mehrere Terrororganisationen in Syrien werden direkt aus der Türkei mit Waffen, Geld und Nachschub versorgt. Die Verlegung unserer Soldaten in einen solchen Hexenkessel – auch noch zum Schutz der aggressiven türkischen Politik – war bereits eine verantwortungslose Maßnahme von Berlin.
Sind diese Probleme nun mit dem neuen Standort Jordanien etwa behoben? Al-Asrak befindet sich wieder in der Nähe der syrischen Grenze, und auch Jordanien ist im syrischen Krieg alles andere als ein unbeteiligtes Land. Dort trainieren die Amerikaner und Briten „ihre“ Terroristen, die in unseren Medien dann verharmlosend „moderate Rebellen“ genannt werden. Von jordanischen TV-Sendern aus rufen islamistische Prediger zum Dschihad gegen die syrische Regierung auf, in der jordanischen Hauptstadt tummeln sich die Terror-Anwerber verschiedenster Milizen.
Und als wären das alles nicht schon genug Gründe, die Bundeswehr von diesem Konflikt so fern wie möglich zu halten, droht auf dem syrischen Kriegsschauplatz auch noch eine direkte amerikanisch-russische Konfrontation. Während Rußland auf Bitten der syrischen Regierung als Verbündeter der syrischen Streitkräfte dabei hilft, Terroristen zu bekämpfen, haben die Amerikaner bereits mehrmals syrische Armeestellungen direkt angegriffen. Und auch die nunmehr unmittelbare Nähe zu Israel – nicht gerade ein Stabilitätsfaktor in der Region – verheißt nichts Gutes.
Und Berlin? Dort sorgt man sich offensichtlich nach wie vor mehr um Wehrmachtsbildchen in Kasernen als um die Sicherheit unserer Soldaten und die Wahrung deutscher Sicherheitsinteressen. Denn vor allem mit dem letzten hat der Einsatz in Nahost rein gar nichts zu tun.
Manuel Ochsenreiter ist Chefredakteur des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST!