Türkische Lobbygruppen demonstrieren in Deutschland für Erdogan: Der Berliner Politiker Thorsten Weiß will das nicht hinnehmen
Herr Weiß, nach offiziellen Angaben leben in Berlin etwa 200.000 Türken. Erdogans Kampagne für das Verfassungsreferendum hat vielen Politikern die Augen geöffnet: Offensichtlich hat so etwas wie „Integration“ in Deutschland nie wirklich stattgefunden. Wacht die etablierte Politik nun langsam auf?
Weiß: Alles, wovor Einwanderungskritiker schon immer gewarnt haben, scheint sich zu bewahrheiten. Fremde Mächte nehmen über ihre Minderheiten in Deutschland Einfluß auf unsere Politik. Erdogan fordert die türkischen Familien in Deutschland auf, bis zu fünf Kinder zu bekommen – einzig und allein, um damit Macht und Einfluß auf Europas stärkste Industrienation zu bekommen. Eigentlich muß man ihm dankbar sein, daß er so offen und klar ausspricht, worum es ihm geht. Und unsere Bundesregierung reagiert mit Schwäche. Ich glaube, wir brauchen eine radikale Wende in unserem Verhältnis zur Türkei. Und auch jene in Deutschland lebenden Türken, die sich als Kolonne Ankaras verstehen, brauchen ein klares Zeichen.
Sie haben es bereits erwähnt: Ist das eigentliche Problem nicht die Schwäche und Nachgiebigkeit unserer Regierung und nicht Erdogan?
Weiß: Wie so oft widerspricht die praktische Erfahrung irgendwelchen ideologischen Lehren. Wir sind in Deutschland mit obskuren Ideen traktiert worden, wonach die Herkunft keine Rolle spiele, so etwas wie „nationale Identität“ gar nicht existiere und wir doch alle irgendwie „gleich“ seien. Ein einziger Blick auf Berlins Straßen zeigt, daß das alles Humbug ist. Natürlich spielen die ethnische Herkunft, der soziokulturelle Hintergrund und auch die Religion eine wichtige Rolle. Das ändert sich nicht, wenn man einfach wegschaut. Das ist albern. Aber leider ist das bislang die Politik unserer Bundesregierung. Während die türkische Lobby in Deutschland „Stärke“ demonstriert, antwortet unsere Gesellschaft mit demonstrativer Schwäche. Das kann gar nicht gutgehen.
Was meinen Sie damit?
Weiß: Es gibt so gut wie keinen Anpassungsdruck. Man glaubt in Berlin, daß man „Anreize“ schaffen muß und bloß keinen Druck ausüben darf. Doch mit einem solchen Pädagogikkonzept scheitert man in jedem Kindergarten. Die deutsche Staatsbürgerschaft wird angepriesen wie ein Ramschgut – kein Wunder, daß sich auch Neubürger türkischer Herkunft darüber lustig machen und den deutschen Paß nicht als Auszeichnung für ihre Bemühungen verstehen. Einige etablierte Politiker glauben sogar, der deutsche Paß sei die Voraussetzung für Integration und nicht deren Folge.
Der türkische Außenminister kündigte an, es würde bald ein „Heiliger Krieg“ in Europa stattfinden…
Weiß: Wie sollte man das anders interpretieren denn als Kriegserklärung? Da müßte eigentlich sofort eine passende Antwort folgen. Aber genau das geschieht eben nicht. Man reagiert – wieder – mit Appeasement-Politik, obwohl man weiß, daß dies Ankara nur zu weiteren Unverschämtheiten ermutigt.
Wie sollte man denn reagieren?
Weiß: Man sollte vom russischen Präsidenten Wladimir Putin lernen. Er hat uns doch gezeigt, wie man mit Erdogan umgehen muß.
Inwiefern?
Weiß: Moskau hat sofort reagiert, als die Türkei im November 2015 eine Suchoi Su-24 der russischen Luftwaffe abgeschossen hatte. Putin nannte den Abschuß öffentlich ein „Verbrechen“ und drohte der Türkei mit Konsequenzen. Und die gab es auch sofort: Die Visumpflicht für türkische Staatsbürger wurde wieder eingeführt, türkische Importe nach Rußland wurden scharf kontrolliert, und Moskau stoppte das Pipeline-Projekt Turkish Stream. Rußland bremste umgehend den Türkei-Tourismus – eine wichtige Einnahmequelle für die türkischen Tourismushochburgen. Und genau das alles wirkte: Ankara knickte ein und setzt heute alles daran, wieder ein gutes Verhältnis zu Rußland herzustellen.
Wie könnte eine solche Politik im deutschen Fall aussehen?
Weiß: Wir haben jede Menge Schrauben, an denen wir drehen können. Der Doppelpaß müßte sofort zur Disposition gestellt werden, sämtliche binationalen Wirtschaftsprojekte könnten wenigstens eingefroren werden, und man könnte ganz offiziell die EU-Beitrittsverhandlungen beenden und für gescheitert erklären. Darüber hinaus könnte man die Zölle erhöhen und den Zahlungsverkehr erheblich verkomplizieren. Das wäre eine Sprache, die Erdogan mit Sicherheit versteht.
Kritiker – vor allem die Transatlantiker unter ihnen – behaupten, genau das würde Erdogan dann „in die Arme Putins treiben“…
Weiß: (lacht) Ich gehe bei dieser Argumentation aus mehreren Gründen nicht mit. Erstens wäre Rußland wahrscheinlich gar nicht in der Lage, die Zahlungsausfälle aus Europa zu kompensieren, selbst wenn Erdogan auf den Knien von Ankara nach Moskau rutscht. Zweites ermutigt genau eine solche Argumentation die Erdogan-Clique, einfach beide Seiten – Europa und Rußland – immer wieder gegeneinander auszuspielen und zu erpressen.
Die etablierten Medien und die Bundesregierung behaupten, daß Erdogan geradezu wolle, daß wir mit „Härte“ reagieren, weil er sich damit ein „Feindbild“ aufbauen und so die Türken hinter sich scharen könne…
Weiß: Ich halte das für einen fatalen Denkfehler. Erdogan betreibt mit seinen unsäglichen Provokationen tatsächlich einen innenpolitischen Wahlkampf, keine Frage. Aber punktet er nicht gerade damit, daß er, der türkische Präsident, jederzeit die Regierungschefin der stärksten Industrienation Europas nach Lust und Laune demütigen kann? Demonstriert er seine angebliche „Stärke“ nicht vor allem durch unsere demonstrative „Schwäche“? Ich bin der Überzeugung, daß ihm unsere windelweiche Politik in die Hände spielt. Eine harte und eindeutige Reaktion würde ihn aus dem Konzept bringen – und vielleicht sogar zur Räson.
Ist diese Schwäche nicht auch ein Grund für die Probleme, die wir hierzulande mit der türkischen Lobby haben?
Weiß: Davon bin ich überzeugt. Ein „starker Erdogan“ ist auch für einen großen Teil der Türken hierzulande erheblich attraktiver als die „schwache Merkel“. Warum sollten sie – wenn sie schon die Wahl haben – sich auf die Seite der „schwachen Deutschen“ schlagen? Im Prinzip ermutigt Berlin daher sogar türkische Migranten, sich auf gar keinen Fall anzupassen – selbst, wenn sie einen deutschen Paß haben sollten.
Herr Weiß, vielen Dank für das Gespräch.
Thorsten Weiß, geboren 1983 in Berlin, ist Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die AfD und Vorsitzender des Berliner Landesverbandes der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA). Weiß war sechs Jahre lang Zeitsoldat und Offizier in der Panzertruppe der Bundeswehr. Im Anschluß nahm er ein BWL-Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin auf.
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Er hat ja sooooooooo recht. Aber der Deutsche will untergehen und wählt weiter schön brav CDU, SPD, FDP und Konsorten.