Paris. Nach der Wahl ist vor der Wahl, und in Frankreich stehen am 11. Juni bereits Parlamentswahlen an. Marine Le Pen, die am Sonntag beim zweiten Durchgang der französischen Präsidentschaftswahlen auf 33,9 Prozent kam (10,6 Millionen Wählerstimmen), startete deshalb noch am Wahlabend durch.
Sie bezeichnete ihr Ergebnis als „historisch und massiv”. Die Franzosen hätten damit „die Patriotische und Republikanische Allianz” – so der Name ihres Bündnisses mit dem EU-Skeptiker Nicolas Dupont-Aignan – „zur ersten Oppositionskraft zum Programm des neuen Präsidenten gemacht”. Die Wahl habe die politische Landschaft in Frankreich neu geordnet – entlang des Grabens zwischen „Patrioten und Globalisierern”, sagte sie. Sie werde an der Spitze dieses Kampfes stehen, erklärte sie mit Blick auf die Parlamentswahlen im Juni.
Zudem kündigte sie an, daß sie einen tiefgreifenden Wandel des Front National zu einer „Allianz der Patrioten“ vorschlagen werde, um noch mehr Menschen zu erreichen. Das Vorhaben bekräftigte auch der stellvertretende Parteivorsitzende Florian Philippot. Im Fernsehsender TF1 kündigte er an, seine Partei werde sich in eine neue politische Kraft verwandeln und dann auch nicht mehr denselben Namen tragen.
Jean-Marie Le Pen, Gründer des Front National, diagnostizierte unterdessen nach der Wahlniederlage, seine Tochter habe sich mit der Ankündigung, Frankreich aus der EU und aus dem Euro zu führen, ins Aus katapultiert. Sie hätte sich auf die „wahren Probleme” konzentrieren müssen, sagte Le Pen dem Radiosender RTL, nämlich auf Fragen der Demografie und der Einwanderung. (mü)
Nach einer verlorenen Wahl gibt es immer welche, die behaupten, hätte man auf sie gehört und im Wahlkampf andere Schwerpunkte gesetzt, hätte man nicht so deutlich verloren, möglicherweise die Wahl sogar gewonnen.
Tatsache ist, daß der Front National unter seinem Gründer und langjährigen Vorsitzenden Jean-Marie Le Pen radikaler war als heute. Marine Le Pen ist diejenige, die nach dem Rücktritt oder Rausschmiß ihres Vaters als Parteivorsitzender den Front National sichtbar entradikalisiert hat, um ihn auch für weniger national-radikale Bürgerschichten wählbar zu machen.
Ich will hier nicht als Besserwisser auftreten, aber vielleicht wäre es strategisch klüger gewesen, wenn Marine Le Pen ihre Abkehr von den radikalen Vorstellungen und Verhaltensweisen ihres Vaters auch dadurch bekräftigt hätte, den Namen Front National gleich nach Übernahme des Parteivorsitzes durch „Allianz der Patrioten“ ersetzt zu haben. Natürlich hätte eine solche Umbenennung zu damaliger Zeit auch „nach hinten losgehen“ und zum Austritt von eingefleischten ‚Front-National‘-Mitgliedern führen können.
Aber wie dem auch sei. Es ist das große Verdienst von Marine Le Pen, die Stimmenzahl für ihre Partei im Vergleich zu jener ihres Vaters mehr als verdoppelt zu haben.