Herr Timke, die „Informationsstelle ethnische Clans“ (ISTEC) in Bremen soll aufgelöst werden. Gleichzeitig wird kaum eine andere deutsche Stadt so sehr von kriminellen, meist arabischen Großfamilien heimgesucht wie Bremen. Was hat es mit dieser politischen Entscheidung auf sich?
Timke: Über Jahrzehnte hinweg haben es die in wechselnden Koalitionen regierenden Altparteien in Bremen versäumt, die Zahl der Polizeibeamten an die tatsächliche Gefährdungslage anzupassen. Derzeit fehlen in der Hansestadt etwa 300 Polizisten, um die öffentliche Sicherheit hinreichend zu gewährleisten. Weil das Personal knapp ist, hat man bereits in der Vergangenheit Mitarbeiter der ISTEC auch für andere Aufgaben eingesetzt. Das war ein Fehler, weil dadurch der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität geschwächt wurde. Um der permanenten Personalnot beizukommen, will die Politik die Bremer Polizei ihrer größten Reform der letzten zehn Jahre unterziehen. Im Zuge dieser Neustrukturierung soll die ISTEC in einen anderen Fachbereich integriert werden und nicht mehr täter-, sondern deliktorientiert arbeiten. Auch das halte ich für falsch. Denn Angehörige ethnischer Clans begehen ihre Straftaten zumeist bandenmäßig, wobei die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Großfamilie das zentrale Kriterium ist. Die Fokussierung auf die Täter statt auf die Taten war deshalb der richtige Ermittlungsansatz. Wird zukünftig deliktorientiert ermittelt, können Täterstrukturen insbesondere im Clan-Milieu nicht mehr umfassend aufgedeckt werden.
Was hat die ISTEC bislang geleistet?
Timke: Anders als die Bezeichnung „Informationsstelle ethnische Clans“ vermuten läßt, beschränkt sich das Aufgabengebiet der ISTEC nicht darauf, polizeilich relevante Informationen über Clan-Strukturen in Bremen zu sammeln und auszuwerten. Vielmehr unterstützt die Sonderstelle ISTEC die Einsatzkräfte auch unmittelbar bei der Bekämpfung krimineller Aktivitäten dieser Tätergruppe. Die Mitarbeiter der ISTEC begleiten die Ermittler bei polizeilichen Maßnahmen gegen Clan-Angehörige und führen Gefährderansprachen durch. Außerdem erforscht die ISTEC Verwandtschaftsverhältnisse sowie die tatsächlichen Identitäten und Nationalitäten von kriminellen Mitgliedern ethnischer Großfamilien. Nicht selten werden in diesem Milieu von Einzelpersonen mehrere Namen verwendet, um ihre wahre Identität zu verschleiern und polizeiliche Maßnahmen ins Leere laufen zu lassen. Mir ist der Fall eines Clan-Mitglieds bekannt, das 17 verschiedene Personalien angab. Es war die ISTEC, die schließlich den tatsächlichen Namen des Mannes ermittelte.
Wie groß ist die Gefahr, die von diesen Clans ausgeht?
Timke: Die letzte größere Straftat, die den ethnischen Clans zuzurechnen war, ereignete sich vor acht Monaten. Damals lieferten sich etwa 30 Angehörige zweier verfeindeter Sippen in der Notaufnahme eines Bremer Krankenhauses eine Massenschlägerei. Bei der blutigen Auseinandersetzung kamen Holzlatten, Messer, Pfefferspray und eine halbautomatische Schußwaffe zum Einsatz. Es gab mehrere Verletzte. Drei der beteiligten Personen verbüßten zum Zeitpunkt der Tatbegehung übrigens eine Bewährungsstrafe. Auch wenn es nach diesem Vorfall deutlich ruhiger um die Clans in Bremen geworden ist, kann keine Entwarnung gegeben werden. Eine kürzlich im Landtag eingereichte parlamentarische Anfrage der Bürger in Wut hat ergeben, daß die Gruppe der Mhallamiye-Kurden, aus der sich die kriminellen Clans personell speisen, in den letzten vier Jahren nach offiziellen Zahlen von 2.600 auf 3.500 Personen angewachsen ist. Der Anstieg ist auf die neuen Erkenntnisse über die Familienverhältnisse durch die ISTEC-Recherchen zurückzuführen. Mehr als die Hälfte der Clan-Angehörigen ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Vor diesem Hintergrund haben die Verantwortlichen in Bremen das völlig falsche Signal sowohl an die kriminellen Banden als auch an die Öffentlichkeit gesendet, als sie die Zahl der ISTEC-Mitarbeiter von vier auf nur noch einen Beamten gesenkt haben.
Welche Delikte werden mit diesen kriminellen Strukturen in Verbindung gebracht?
Timke: Die von den Mitgliedern der ethnischen Clans begangenen Verbrechen spiegeln die ganze Bandbreite des Strafgesetzbuchs wider. Sie reichen von Betrug und Eigentumsdelikten wie Wohnungsdiebstahl bis hin zu Körperverletzungsdelikten und gewerbsmäßigem Drogenhandel, um nur einige zu nennen.
Was sind die Probleme bei der Verbrechensbekämpfung in Bremen?
Timke: Vor allem fehlt es der Bremer Polizei an Personal. Das gilt speziell für die Kripo und damit die Verbrechensbekämpfung. Es ist leider so, daß die wachsende Kriminalität im Land Bremen vielfach nur noch verwaltet wird, weil nicht genügend Polizeibeamte zur Verfügung stehen. Das gilt auch für die ISTEC. Hier wird sich in Zukunft ein einziger Mitarbeiter mit 3.500 Angehörigen ethnischer Clans befassen müssen. Hinzu kommt die Unwilligkeit des amtierenden rot-grünen Senats, kriminelle ausländische Staatsangehörige in ihre Heimatländer abzuschieben. Lieber setzt man auf die „freiwillige Ausreise“ der Betroffenen, was natürlich bei Straftätern kaum funktioniert.
Verbrechensverfolgung und die Ermittlungsarbeit sind die eine Sache, wie steht es aber um die Gerichte? Werden die ermittelten mutmaßlichen Täter auch verurteilt?
Timke: Der Umgang der Bremer Justiz mit kriminellen Mitgliedern ethnischer Clans ist schlichtweg ein Skandal! Ein Beispiel: Im August 2013 haben Angehörige der berüchtigten Großfamilie Miri, bei der es sich um Mhallamiye-Kurden handelt, auf einer Baustelle in Bremen vier Arbeiter grundlos angegriffen und verletzt. Einem der Opfer wurde mit einem Messer eine 15 Zentimeter lange Stichverletzung am Rücken zugefügt. Die Polizei konnte sechs Tatverdächtige im Alter zwischen 15 und 38 Jahren festnehmen. Die Männer waren sämtlich polizeibekannt und hatten bereits zahlreiche Eintragungen im Polizeicomputer, in einem Fall sogar 145! Drei Jahre später ist noch immer keine Anklage gegen die mutmaßlichen Täter erhoben worden. Das ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Opfer, sondern auch ein fatales Signal an das kriminelle Milieu in Bremen. Und es handelt sich auch nicht um einen Einzelfall, wie man annehmen möchte. Ein weiteres Beispiel: In der Nacht des Finales der Fußballweltmeisterschaft vom 13. auf den 14. Juli 2014 zogen Mitglieder eines ethnischen Clans randalierend durch den nordbremischen Stadtteil Vegesack. Zunächst wurde eine Polizeistreife attackiert und deren Einsatzfahrzeug beschädigt. Anschließend wurden wahllos unbeteiligte Passanten angegriffen und teilweise verletzt. Schließlich versuchte der Mob, eine Gaststätte zu stürmen, in der Fans den Sieg der deutschen Nationalmannschaft feierten. Glücklicherweise mißlang dies. Die Polizei konnte insgesamt elf Tatverdächtige ermitteln. Bei sieben dieser volljährigen Personen steht die Hauptverhandlung bis heute aus. Der Prozeß soll erst im Frühjahr 2017 und damit knapp drei Jahre nach dem Vorfall beginnen. Der zeitliche Abstand zwischen Tatbegehung und möglicher Verurteilung ist deutlich zu lang, um noch einen Abschreckungseffekt zu erzielen.
Was müßte sich ändern, damit Bremen eine sichere Stadt wird?
Timke: Zunächst einmal muß die Bremer Polizei personell aufgestockt und gleichzeitig von Routineaufgaben entlastet werden, damit sich die Beamten auf die Kriminalitätsbekämpfung konzentrieren können. Wir Bürger in Wut fordern deshalb bereits seit Jahren den Aufbau einer freiwilligen Sicherheitswacht in Bremen nach dem Vorbild Bayerns und Sachsens. Was die Eindämmung der Clan-Kriminalität angeht, bei der es sich zumeist um organisiertes Verbrechen handelt, brauchen wir in Bremen mindestens 50 Beamte, die sich ausschließlich mit dieser Tätergruppe befassen. Die Bremer Justiz ist gefordert, überführte Straftäter aus diesem Milieu schnell und hart zu bestrafen, um deutlich zu machen, daß der Staat nicht bereit ist, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch kriminelle Strukturen hinzunehmen. Wo immer möglich, sind straffällig gewordene Mitglieder ethnischer Großfamilien auszuweisen und konsequent in ihre Herkunftsländer abzuschieben. Die ISTEC hat ermittelt, daß ein großer Teil der in Bremen lebenden Clan-Angehörigen, die sich als Libanesen ausgeben, in Wahrheit türkische Staatsbürger sind. Rechtlich könnten diese Personen in die Türkei zurückgeführt werden Was fehlt, ist der politische Wille, diese Möglichkeit auch zu nutzen!
Herr Timke, vielen Dank für das Gespräch.
Jan Timke, geboren 1971 in Hoya (Niedersachsen), ist Vorsitzender und Mitbegründer der 2004 ins Leben gerufenen Wählervereinigung Bürger in Wut (BIW), für die er seit 2008 in der Bremischen Bürgerschaft sitzt. Timke war seit 1988 Polizeivollzugsbeamter bei der Bundespolizei (damals Bundesgrenzschutz). Von 1992 bis 1999 war Timke in einer Spezialeinheit zur Bekämpfung der organisierten Grenzkriminalität an der deutsch-polnischen Grenze in Sachsen tätig. Von 1999 bis 2004 folgte seine Abordnung zum Bundeskriminalamt Berlin im Bereich Personenschutz. Von 2004 bis 2008 war Timke für den Schutz von Bundesorganen in Berlin tätig. Jan Timke ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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