Was passiert in Deutschland im Falle einer rot-rot-grünen Bundesregierung? Und wie macht man dann überhaupt Oppositionsarbeit? Welche Rolle spielt die CDU? AfD-Spitzenpolitiker Markus Frohnmaier im ZUERST!-Gespräch
Herr Frohnmaier, am Himmel über Berlin braut sich vor den Bundestagswahlen im kommenden Jahr etwas zusammen. Ihre Partei, die AfD, könnte zur stärksten Oppositionskraft im Deutschen Bundestag werden. Gleichzeitig haben alle anderen Bundestagsparteien angekündigt, zusammenzuarbeiten, wenn es gegen die AfD geht. Auch Rot-Rot-Grün ist eine immer realistischer werdende Option. Ihnen wird der Wind also gewaltig ins Gesicht blasen. Sind Sie gewappnet?
Frohnmaier: Wir wissen ganz genau, daß mit einem erfolgreichen Einzug der AfD in den Bundestag viele Politiker der Altparteien und deren Apparat vor dem Ende ihrer Karrieren, Diäten und Dienstwagen stehen. Wir rechnen deshalb mit erbittertem Widerstand. Dazu gehören natürlich auch SPD, Grüne und Linke, die uns schon aus ideologischen Gründen mit unlauteren Mitteln bekämpfen.
Was würde Rot-Rot-Grün auf Bundesebene für Deutschland bedeuten?
Frohnmaier: Die Politik der offenen Grenzen nach Merkel, des Multikulturalismus nach Claudia Roth und der sexuellen Perversionen nach Volker Beck würde unvermindert weitergehen, wahrscheinlich sogar noch an Tempo zunehmen. Das Land würde immer schneller auf einen Zustand zusteuern, der nicht mehr umkehrbar wäre.
Würden in einem solchen Fall CDU/CSU und AfD näher zusammenrücken?
Frohnmaier: Das bezweifle ich. Die Union sieht uns eigentlich noch mehr als die linken Parteien als Hauptfeind, denn die Schwarzen sind es ja, denen wir die meisten Mandate und Pöstchen wegnehmen werden. Aber auch wir haben kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit der CDU/CSU. Immerhin haben uns die Unionsparteien die ganze Krise eingebrockt. Warum sollten wir ausgerechnet mit denjenigen zusammenarbeiten, die für das Chaos verantwortlich sind? Da müßte sich die gesamte Union – CDU und CSU wohlgemerkt – erst einmal einem Erneuerungsprozeß unterziehen. Ich bezweifle aber, ob sie mit ihrem Personal dazu überhaupt in der Lage sein wird.
Würde die CDU aber bei einer rot-rot-grünen Regierungskoalition nicht automatisch wieder „rechter“ und „konservativer“ werden?
Frohnmaier: Nicht unter Merkel. Solange Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, wird sie nicht bereit sein, den Kurs zu ändern. Es steckt, das muß man nach unzähligen Monaten des Wartens auf eine Änderung ihrer Politik sagen, wohl wirklich irgendeine ganz verquere Überzeugung hinter dem, was Merkel macht. Nach aktuellen Umfragen sieht es aber nicht danach aus, daß irgendein Parteienbündnis möglich wäre, um Merkel abzulösen – auch nicht Rot-Rot-Grün. Wir befinden uns damit mittelfristig wahrscheinlich in einer Situation wie in Österreich, wo eine zunehmend kleiner werdende schwarz-rote Koalition sich an die Regierungsbank klammert und politische Insolvenzverwaltung betreibt.
Die früheren „Volksparteien“ CDU und SPD verlieren immer mehr an Stimmen, die FDP spielt eigentlich keine bundespolitische Rolle mehr, die Grünen und die Linken bieten sich den früheren „Großen“ als Mehrheitsbeschaffer an. Glauben Sie, daß ein solches Konzept für die etablierten Parteien erfolgreich sein kann?
Frohnmaier: Wer sich als Juniorpartner für jede beliebige Koalition verkauft und andient, driftet in die absolute Beliebigkeit ab. Als Juniorpartner hat man es in einer Koalition ohnehin schwieriger; politischer Erfolg ist für einen Juniorpartner in einer Koalition eigentlich nur durch Profilierung gegenüber dem Seniorpartner möglich. Wenn Sie sich aber Konstellationen wie die „Afghanistan-Koalition“ in Sachsen-Anhalt – CDU, SPD und Grüne – oder ähnliches anschauen, können Sie sich denken, daß Regierungspolitik sich zumeist auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränken muß. Im Endeffekt ist in solchen Konstellationen also nur eine komplett einfalls- und farblose Politik möglich, bei der allenfalls der Seniorpartner irgendwelche Akzente setzen kann, beispielsweise durch einen sympathischen Regierungschef. Aber sicherlich nicht durch gute Politik. Doch selbst bei der Besetzung von Ministerpräsidentenposten mit sympathischen Leuten ist das Personal bei CDU und SPD heute äußerst knapp.
Angela Merkel könnte sogar Kanzlerin bleiben, obwohl die CDU noch weiter an Zustimmung verliert – nur weil alle anderen sie stützen. Glauben Sie, daß das eintreten könnte – oder wird die SPD sie aufs Kreuz legen?
Frohnmaier: Die SPD hat in der Vergangenheit schon so oft bewiesen, daß sie kein Rückgrat hat. Schauen Sie sich nur an, was für einen Ausverkauf an Interessen Sigmar Gabriel gegenüber der eigenen Stammklientel bei Abkommen wie CETA betrieben hat. Eine SPD, die CETA unterstützt, wird natürlich auch weiterhin Merkel unterstützen. Da sind die Sozialdemokraten komplett schmerzfrei.
Für den CDU-Wähler bedeutet dieses Allparteienbündnis, daß er ebensogut die Grünen oder die SPD wählen könnte. Alle Parteien werden dadurch beliebig. Stärkt das nicht gerade die AfD?
Frohnmaier: Natürlich. Schauen Sie sich an, wo die traditionellen Konfliktlinien in Bereichen wie der Ausländer- und Asylpolitik früher lagen. Auf jeder Veranstaltung einer bürgerlichen Partei, sei es CDU, CSU oder FDP, wurde von den Mitgliedern immer am meisten geklatscht, wenn eine harte Linie gegenüber kriminellen Ausländern und unkontrollierter Zuwanderung vertreten wurde. Das ist seit Merkel komplett passé, den Antagonismus zwischen bürgerlichen und linken Parteien in der für unsere Nation entscheidenden Existenzfrage nach offenen Grenzen gibt es nicht mehr. Wer dagegen politisch opponieren will, hat nur noch die AfD als Wahl.
Kann eine solche „Anti-AfD-Front“ überhaupt langfristig halten?
Frohnmaier: Wir sehen an Ländern wie Österreich und Frankreich, daß das politische Establishment einen äußerst langen Atem hat. Im Zweifel sind die Altparteien also komplett schmerzfrei und werden selbst dann kein Einsehen haben, wenn sie zusammengenommen vielleicht noch auf 50,1 Prozent kommen. Die einzige langfristige Lösung für dieses Problem ist, daß sich generell etwas am linken Zeitgeist ändert und sich der politische Diskursraum in Deutschland verschiebt. Dann ist das auch keine Frage reiner Parteipolitik oder der Koalitionsmathematik.
Gregor Gysi von der Linkspartei hatte bereits laut angekündigt, Angela Merkel zu unterstützen, wenn es um die Einwanderungspolitik geht, gleichzeitig hat er Sigmar Gabriel angeboten, SPD-Kanzler zu werden, wenn er sich für Linke und Grüne entscheidet. Worum geht es bei solchen Ankündigungen?
Frohnmaier: Die Linken sind von den ganzen Altparteien noch ideologisch sehr orthodox, deswegen kaufe ich Gysi tatsächlich ab, daß er gerne Rot-Rot-Grün forcieren und sich insoweit auch gegen die Fundis in seiner eigenen Partei durchsetzen will. Das hindert ihn natürlich nicht daran, die radikal linke Politik der CDU in der Einwanderungspolitik zu unterstützen. Die CDU hat in dem Bereich ja im Wesentlichen ein linksextremistisches Programm übernommen: Abschaffung des Nationalstaates, einheitliche Weltordnung. Warum sollte Gysi das also nicht unterstützen?
Auch in Österreich und in Frankreich zeigen sich ähnliche Konstellationen: Alle gegen die Eurorechten. Haben solche „Verhinderungskoalitionen“ Zukunft in Europa?
Frohnmaier: Ich kann es immer nur wieder betonen: Vorgelagert vor jede Parteimathematik ist immer die Frage der politischen Kultur. Solange sich die politische Kultur in einem Land nicht ändert, werden natürlich Verhinderungskoalitionen bis zum bitteren Ende gebildet werden. Ich erwarte aber, daß von einem bestimmten Punkt an, den ich vielleicht bei 30, 35 Prozent für die AfD ansiedeln würde, noch einmal ein Dammbruch von ganz außerordentlichem Ausmaß erfolgen würde. Eine Partei, die solche Ergebnisse erzielt, ließe sich kaum noch gesellschaftlich in dem Maße stigmatisieren, wie wir es zur Zeit erleben. Bereits der Einzug in den Bundestag wird ein Schritt dahingehend sein, uns auch in den Augen der politischen Klasse zu entdämonisieren, sobald der erste Schock über die verlorenen Pöstchen und Mandate überwunden ist. In den Landesparlamenten läßt sich ja mittlerweile neben der stillen Wut und Verzweiflung der Altparteien ein gewisses Abfinden mit der veränderten politischen Situation feststellen.
Die politische Einheitsfront gegen die AfD wird auch von den Kirchen, Gewerkschaften und vielen sogenannten „Kulturschaffenden“ unterstützt. Gibt es von dort auch schon die ersten Absetzbewegungen in Richtung AfD? Oder machen alle bei dieser neuen „Volksfront“ gehorsam mit?
Frohnmaier: Das ist ja wie insgesamt im Rahmen einer Kulturwende oder Kulturrevolution deutlichstes Anzeichen dafür, daß sich etwas am Zeitgeist dreht. In den nächsten Jahren wird sich in Kirchen und Verbänden noch sehr viel drehen.
Können wir von einer neuen „Volksfront“ überhaupt sprechen?
Frohnmaier: Na ja, von „Volksfront“ würde ich nur ungern sprechen, auch wenn der historische Vergleich mit den linken Volksfronten vielleicht gar nicht so unpassend ist. Aber heute würde der Begriff ja implizieren, daß die Altparteien Politik für das eigene Volk machten. Das ist vor dem Hintergrund dessen, daß die meisten Funktionäre der anderen Parteien das Wort „Volk“ kaum noch über die Lippen bringen, natürlich lächerlich. Ich würde ihnen vielleicht zugestehen, daß man sie „Nationale Front“ wie in der DDR nennt.
Man kann aber nicht gerade behaupten, daß die etablierten Parteien gerne von der „Nation“ sprechen…
Frohnmaier: (lacht) Das stimmt auch wieder. Am Ende läuft es auf dieses ganze Gerede von „breiten Bündnissen“ hinaus, an denen sich die Altparteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Kirchen und jeder andere Klatsch-und-Tanz-Verein beteiligen können.
Das große Thema dieses Allparteienbündnisses ist die Einwanderungspolitik von Angela Merkel. Vor allem die Grünen und die Linken unterstützen die CDU-Kanzlerin darin. Warum das?
Frohnmaier: Weil Angela Merkel die Politik von Grünen und Linken in dieser Frage ohne Not nicht nur komplett übernommen, sondern noch weiter radikalisiert hat, ganz einfach.
Auch bei anderen Themen gibt es einen Allparteien-Konsens: Man ist gegen Plebiszite, für den Euro, für die EU- und NATO-Mitgliedschaft, man zeigt sich anti-russisch und pro-amerikanisch. Gleichzeitig finden solche Positionen immer weniger Rückhalt in der Bevölkerung. Würde Berlin auch gegen die Mehrheit der Bürger regieren?
Frohnmaier: Das macht Berlin ja bereits. Würde jetzt und heute ein Plebiszit über den Euro oder die Einwanderungspolitik stattfinden, würde die Regierung eine schallende Klatsche bekommen.
Sie haben sich in Diskussionen in sozialen Netzwerken wiederholt kritisch gegenüber Überläufern aus den etablierten Parteien zur AfD geäußert. Warum das? Wäre das nicht eine Chance, die Einheitsfront gegen Ihre Partei aufzuweichen?
Frohnmaier: Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Leute aus den Altparteien zu uns stoßen. Was aber nicht geht, ist, daß dies aus einer rein egoistischen Motivation heraus geschieht. Nennen wir das Kind beim Namen: Wer ein paar Wochen vor einer Listenaufstellung in die AfD übertritt und nicht ausschließt, sich um ein Mandat zu bewerben, den bewegt wahrscheinlich nicht nur der Idealismus. Das empfinde ich als respektlos vor den vielen Mitgliedern, die hier von Anfang an mitwirken und sich teilweise unter hohen Opfern für die Sache aufgerieben haben. Wir sind eine bürgerlich-konservative Partei, und für mich hat Konservatismus auch sehr viel damit zu tun, wie man Leistung und Einsatz angemessen honoriert. Bevor jemand für sich einen Posten in Anspruch nimmt, soll er bitte denjenigen den Vortritt lassen, die aufgrund ihres Engagements in der Partei einen moralisch höheren Anspruch darauf haben.
Herr Frohnmaier, vielen Dank für das Gespräch.
Markus Frohnmaier, geboren 1991 in Craiova (Rumänien), ist seit Juni 2015 einer der beiden Sprecher der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA). Frohnmaier studiert seit 2011 Rechtswissenschaften an der juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen mit dem Schwerpunktbereich Kriminologie. Seit 2013 ist Frohnmaier Mitglied im Landesvorstand der Alternative für Deutschland Baden-Württemberg. Markus Frohnmaier ist außerdem Pressesprecher der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry.
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