Kölner Silvester-Exzesse: Untersuchungsbericht belastet Polizeibeamte schwer

25. Oktober 2016

Köln. Die Ausführungen des Wiesbadener Rechtspsychologen Rudolf Egg im Untersuchungsausschuß des Düsseldorfer Landtags lesen sich wie eine Bankrotterklärung für die in der Kölner Silvesternacht eingesetzten Polizeibeamten, aber auch für die politisch Verantwortlichen. Im Sitzungssaal des Parlaments zitiert er Erschütterndes aus rund 1.200 ausgewerteten Anzeigen. Sie erzählen vor allem eins: das Versagen der Staatsmacht.

Die Erzählungen der überwiegend jungen Frauen über aggressive und nicht enden wollende Übergriffe aus einer anonymen Menge heraus sind drastisch. „Ich habe mich in dem Moment hilflos gefühlt! Ich habe die ganze Zeit nichts gesehen, nur gespürt, weil meine Augen voller Tränen waren.“ So der Bericht einer Betroffenen. Und nicht nur in den Anzeigen, auch bei den Protokollen des Notrufs ergibt sich ein erschreckendes Bild:  „Die schießen Böller aufeinander – auch auf Mütter mit Kinderwagen“, ruft eine Anruferin ins Telefon. „Wir wurden von ganz vielen angegrapscht. Das ist wirklich sehr grenzwertig und gefährlich. Da stehen Polizisten, aber die machen gar nichts.“ Angesprochene Polizisten hätten den lapidaren Rat gegeben, die 110 anzurufen. „Hier ist Ausnahmezustand“, meldet ein weiterer Anrufer vom Hauptbahnhof. „Am Kölner Hauptbahnhof werden Böller und Raketen absichtlich gegen Leute geschossen. Die Polizei ist gar nicht vor Ort. Ein Freund von mir hat eine Platzwunde abbekommen. Ich wollte das nur mal melden. Daß man da mal jemanden vorbeischickt. Es ist wirklich Anarchie, was da los ist.“ Aber die nun veröffentlichten Antworten der Polizei klingen eher gelangweilt: „Okay“, sagt einer, „Wissen wir Bescheid“, ein anderer.  Die scheinbare Untätigkeit der Polizei sei auch der Grund für die immer weitergehenden Exzesse gewesen, so Rudolf Egg. Diese Untätigkeit der Staatsmacht habe die Täter in der Ansicht bestärkt: „Heute ist alles erlaubt.“

Kritik müssen sich die vor Ort eingesetzten Beamten ob ihrer Haltung nun gefallen lassen. „Der eine Polizist ließ uns nicht ausreden, der andere drehte sich in Richtung Rheinufer und tat so, als ob er da etwas Wichtiges zu schauen hätte“, gab eine Frau zu Protokoll. „Sie könnten uns nur raten, da nicht mehr hineinzugehen, sie würden es auch nicht tun, und alles würde sich regeln.“ Ein sexuell genötigtes Opfer sagte aus: „Die greifen mir unter das Kleid und die Polizei macht gar nichts.“ Das Bild, das sich aus den nun öffentlich gemachten Einsatzprotokollen ergibt, ist erschütternd: Planlosigkeit, Fehleinschätzung und Desinteresse zeichnen den Polizeieinsatz in der Silvesternacht aus. So gab eine Rettungswagenbesatzung via Funk durch: „Wir sind am Bahnhofsvorplatz und haben gerade ein paar Betrunkene zu versorgen. Die Leute schießen gerade Raketen in die Masse und werfen Böller. Das gerät hier gerade ein bisschen außer Kontrolle, und die Grundstimmung ist auch ein bisschen aggressiv. Vielleicht könnt ihr da mal jemanden hinschicken, zum Gucken.“ Ein weiteres Opfer klagt: „Leider waren die Polizisten vor Ort nicht sehr hilfreich. Eine Beamtin sagte zu mir: ,Du kommst doch aus Köln, dann weißt du doch, daß Du hier nicht feiern gehen darfst.‘“

Rechtspsychologe Rudolf Egg bewertete dies so: „So richtig ernst wurden die Opfer nicht genommen.“ Die Polizisten hätten hilflos agiert, einen rechtsfreien Raum am Dom zugelassen und auf Deeskaltion gesetzt, doch „Eine Null-Toleranz-Strategie wäre besser gewesen“, so Egg. (tw/sp)

 

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