Prag. Während die einen über den Brexit jubeln, wollen die anderen die Zügel im Club der Übriggebliebenen jetzt straffen. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Brexit-Ergebnisses berief Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier die sechs europäischen Gründerstaaten ein, am Montag folgten Gespräch Steinmeiers und seines französischen Amtskollegen Ayrault in Prag, wo mit den Außenministern Polens, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Ungarns über die Lage der EU nach dem britischen Referendum beraten wurde.
Noch am gleichen Tag veröffentlichte das Auswärtige Amt ein von Steinmeier und Ayrault verfaßtes Papier zur Zukunft der EU, das eine intensivierte Zusammenarbeit in den Bereichen Migration, Sicherheit und Verteidigung vorsieht. Ausdrücklich werden darin „weitere Schritte in Richtung einer Politischen Union in Europa“ gefordert. Dabei könnte eine kleine Gruppe von Staaten vorangehen.
Doch mit diesen Vorstellungen, die mit den Gesprächspartnern im Osten offenbar nicht abgesprochen waren, fühlen sich die sogenannten Visegrad-Staaten überfordert. Mehr noch, sie verfolgen geradezu entgegengesetzte Vorstellungen von der Zukunft der EU. Gastgeber Zaoralek warnte denn auch davor, die europäische Integration jetzt schnell voranzutreiben: „Die falsche Antwort wäre eine übereilte Integration.“
Einig sind sich die Visegrad-Regierungen außerdem darin, daß sie keine „Flüchtlinge“, keine Islamisierung und möglichst undurchlässige Grenzen haben wollen. Am deutlichsten wurde der Vorsitzende der polnischen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, der sich am Montag für einen neuen europäischen Vertrag aussprach: „Die Union muß sich radikal verändern.“ Sie solle eine Supermacht sein, in der aber die Nationalstaaten ihre Autonomie bewahrten. Kaczynski fordert seit langem ein Europa der Nationalstaaten und kritisiert, daß Deutschland zu viel Macht in der EU habe. Es sieht nicht danach aus, daß die Rest-EU bald wieder am gleichen Strang zieht. (mü)