Der Tag nach dem Brexit: Großbritannien stehen unruhige Zeiten bevor

25. Juni 2016
Der Tag nach dem Brexit: Großbritannien stehen unruhige Zeiten bevor
International
11
Foto: Symbolbild

London. Der Brexit, der Austritt Großbritanniens aus der EU, erschüttert England und die EU gleichermaßen. Vor allem die britischen Inseln selbst befinden sich im Epizentrum des Bebens.

Am „Tag danach“ erweckt Großbritannien den Eindruck von Krise, Ratlosigkeit, ja Unregierbarkeit. Eine der ersten Reaktionen auf das Ergebnis der Volksabstimmung zum Austritt war, daß Premierminister Cameron seinen Rücktritt erklärte. Der Premier selbst erklärt zwar, daß er jetzt für Stabilität sorgen wolle. Doch das dürfte schon in Camerons eigener Partei schwierig werden.

Der Nachfolgekampf ist bereits entbrannt. Gute Chancen rechnet sich der frühere Londoner Bürgermeister Johnson (52) aus – Johnson ist populär, und er hatte sich in der Meinungsschlacht um den Brexit als einer der vehementesten Austrittsbefürworter profiliert.

Zu allem Überfluß hat auch Schottland vor dem Hintergrund des Brexit-Ergebnisses erklärt, sich aus dem Vereinigten Königreich verabschieden zu wollen. Die schottische Regierungspartei SNP will nach dem Brexit-Referendum nun einen zweiten Volksentscheid für eine Loslösung von Großbritannien ins Auge fassen. „Ein zweites Unabhängigkeitsreferendum ist nun höchstwahrscheinlich“, sagte Schottlands Ministerpräsidentin und SNP-Parteichefin Nicola Sturgeon am Freitag.

Die EU-freundliche SNP war 2014 mit einem ersten Versuch, die Unabhängigkeit von Großbritannien zu erreichen, knapp gescheitert. Auch jetzt hat sich Schottland beim EU-Referendum mit großer Mehrheit für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Nun soll eine Loslösung von London den Wiedereintritt in die EU ermöglichen. Auch in Nordirland und auf Gibraltar mehren sich die Stimmen, die für einen Austritt aus dem Königreich eintreten: während die Nordiren auf eine Vereinigung mit Irland setzen, forderten mehrere spanische Politiker, die vor Spanien liegende Felsinsel in den iberischen Staat zu integrieren. Den britischen Inseln stehen unruhige Zeiten bevor. (mü/sp)

11 Kommentare

  1. Der Rechner sagt:

    Boris Johnson ist der englische Donald Trump:

    Als solcher zwar deutlich weniger unerzogen, aber trotzdem ein ebenso penetranter Clown und Selbstdarsteller.

    Genau das, was GB für seine Scheidungsverhandlungen am wenigsten brauchen kann.

  2. Der Rechner sagt:

    Besonders tölpelhaft führt sich mal wieder der gelernte Buchhändler und Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, auf:

    Ein Zögern, nur um der Parteitaktik der britischen Konservativen entgegenzukommen, schadet allen“, sagte Schulz der „Bild am Sonntag“.

    Schulz verlangt, daß Großbritannien schon am Dienstag das Verfahren nach Artikel 50 in Kraft setzt.

    Tatsächlich liegt das Zögern diesmal wirklich nicht an einer irgendwie gearteten Parteitaktik, sondern daran, daß weder in der konservativen Partei noch im Land Einigkeit darüber besteht, was für ein Zustand nach dem Brexit angestrebt wird.

    Denn nicht viele haben ernsthaft mit diesem Abstimmungsergebnis gerechnet – also ist auch niemand besonders vorbereitet.

    Die Brexit-Hardliner wollen einfach nur raus, und eine Freihandelsgemeinschaft mit Ghana, Australien und Kanada gründen.

    Vielen Protestwählern ist erstmal leicht übel – ein Phänomen das inzwischen als „regrexit“ (=“regret“[Bedauern] + „exit“[Austritt]) bezeichnet wird.

    Moderate Euroskeptiker streben eine Lösung nach dem Muster Norwegens und der Schweiz an – Mitgliedschaft nicht in der EU aber in der EEA (European Economic Area = Europäischer Wirtschaftsraum). Das wäre auch für viele Anhänger der EU-Mitgliedschaft akzeptabel, und würde so helfen die von dieser Frage aufgerissenen innerbritischen Gräben zuzuschütten.

    Wieder andere glauben, sie könnten mal wieder in Brüssel eine Extrawurst gebraten bekommen – voller Zugang zur europäischen Freihandelszone ohne irgendwelche Verpflichtungen.

    Schließlich ist die Frage zu klären, und zwar von britischen Gerichten, ob das schottische Parlament ein Veto in dieser Frage hat. Daß es ein solches einzulegen gedenkt, hat die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon gerade angekündigt.

    Desweiteren müssen sich die Austrittsfreunde damit auseinandersetzen, daß auf einen Austritt leicht ein zweiter folgen kann – nämlich der Schottlands aus dem Vereinigten Königreich. Laut einer Umfrage von gestern sind unter den gegebenen Umständen 59% der Schotten für einen solchen Austritt.

    Am Ende könnte selbst Nordirland, wo es auch eine „Bremain“-Mehrheit gab, dem Vereinigten Königreich den Rücken kehren wollen.

    Es gibt also vieles zu bedenken, bevor sich die Engländer auf eine gemeinsame Vorstellung ihrer Zukunft nach dem „Brexit“ festlegen können.

    Es ist zwar verständlich, daß die jahrzehntelangen britischen Sonderwünsche in Brüssel nerven. Aber das hätte man sich besser überlegt, bevor man dieses stark eingebildete Mitglied aufgenommen hat. De Gaulle kannte die Engländer aus seiner Zeit im Londoner Exil. Und er hat Zeit seines Lebens ein Veto gegen eine britische EU-Mitgliedschaft angekündigt, daß er aufgrund der Ankündigung natürlich nie einlegen mußte.

    Jetzt dient es aber niemandem, eine Scheidung mit der Axt vorzunehmen.

    Auch wenn sich Schulz als Axt im Walde vortrefflich eignen würde.

    Ein Glück, daß Schulz in der Frage, wann Großbritannien oder gegebenenfalls andere Mitglieder ein Artikel 50 Verfahren anfangen nichts zu sagen hat.

    • Es wird immer schlimmer sagt:

      Er hätte wirklich Buchhändler bleiben sollen, davon hat er vielleicht Plan. Ich wäre zwar dort nie Kunde geworden (außer dem ersten Besuch vielleicht), da er mir so oder so unsympathisch ist, aber seine Entscheidung, in die Politik zu gehen, war die schlimmste, die er treffen konnte……. zu unser aller Schaden.

  3. Peter Werner sagt:

    Außerdem wird die EU den Brexit für England so unerfreulich wie möglich gestalten. Schon um andere Nationen zu entmutigen und von ähnlichen Vorhaben abzuhalten: „Seht her, so geht’s euch auch, wenn ihr…“

  4. Honig Melone sagt:

    Ehe wir an Großbritanien herummäkeln,
    sollten wir uns Gedanken darüber machen, was Deutschland blüht,
    wenn das Geld zur Bespassung der ganzen Asylneger alle sein wird.

    Dann werden wir mehr als unruhige Zeiten erleben.

    • Es wird immer schlimmer sagt:

      Nicht nur das liebe Geld, die werden auch hier her kommen. Beinahe überall werden die „Tore“ dichtgemacht, wir aber nehmen ALLES auf, was hierher will. ALLES!

  5. Wolfsrabe sagt:

    Wie kommt die SNP auf die Idee, eine Unabhängigkeit von Großbritannien als positiv zu befinden, dabei aber in der EU bleiben zu wollen, einer herrschsüchtigen und diktatorischen Institution, die noch weniger Interesse an der Erhaltung nationaler Eigenheiten und Wegen der Schotten haben dürfte als die herrschende Klasse in Großbritannien?

    Vielleicht verstehe ich da etwas nicht, kann mich jemand aufklären?

    • Der Rechner sagt:

      Gerne.

      Ein Volk, das jahrhundertelang von England unterjocht wurde, empfindet die Clowns in Brüssel in der Tat als eine leichte Bürde.

      Für weitere Informationen googeln Sie bitte unter „Highland Clearances, potato famine“ – der Landraub und Massenmord und -vertreibung durch die englische Aristokratie im 18. und 19. Jahrhundert.

      Die Engländer siedelten nach dem erzwungenen „Unionsvertrag“ auch in Schottland. Die Feindschaft zwischen Protestanten und Katholiken in Glasgow ist ein religiös verbrämter nationaler Gegensatz zwischen Schotten und englischer Zivilbesatzung – den sogenannten „Anglo-Scots“.

      Beim Europapokalendspiel der Landesmeister zwischen Bayern München und Saint Etienne im Glagower Hampden Park Stadium am 12. Mai 1976 skandierten die anwesenden Schotten: „Kill the English“ [Eigenes Ohrenzeugnis].

      Und letztes Jahr skandierten schottische Fußballfans in Deutschland: „We hate the English more then you“.

      Die Geschichte des englischen Imperialismus und seiner Blutspur in Schottland, Irland und Wales wird natürlich im besatzergereinigten Schulunterricht in Deutschland nicht erwähnt.

      Weshalb Ihre Wissenslücke hier durchaus verzeihlich ist. Ging mir vor 30 Jahren auch so, bis ich mich näher mit der Geschichte Großbritanniens beschäftigt habe.

  6. Heinrich Lindner sagt:

    Schottland will „unabhaengig“ sein, aber Teil der EU bleiben. Gleichzeitig wollen sie das britische Pfund als Waehrung behalten. Da fragt man sich, wie soll das gehen?

Schreibe einen Kommentar

Die maximale Zeichenanzahl bei Kommentaren ist auf 2000 begrenzt.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert