Brüssel/Warschau. Der Streit zwischen Brüssel und Warschau geht in die nächste Runde – und verschärft sich. Nachdem die EU-Kommission im Januar erstmals ein Verfahren gegen ein Mitgliedsland eingeleitet hatte, um dessen „Rechtsstaatlichkeit“ zu prüfen, erhöht Brüssel nun den Druck auf Polen. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, erklärte, die Kommission habe die polnische Regierung schriftlich für ihr Vorgehen kritisiert.
Timmermans begründete den Schritt damit, daß bisher keine Lösungen gefunden worden seien. Nun hat Warschau zwei Wochen Zeit für eine Reaktion. Ändert sich an den kritisierten Mißständen nichts, wird die EU-Kommission Empfehlungen zur Beseitigung aussprechen. Werden auch diese mißachtet, könnte Brüssel Sanktionen gegen Polen verhängen, die bis zu einem Stimmrechtsentzug in der EU führen könnten.
Kritiker des Prozederes machen allerdings darauf aufmerksam, daß die EU-Kommission mit zweierlei Maß mißt. Denn Mängel an der „Rechtsstaatlichkeit“ – konkret: Einflußnahme auf die Justiz und die Medien, wie sie Polen jetzt vorgeworfen wird – gibt es seit langem auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten. In Spanien ist es zum Beispiel schon seit langem üblich, daß die Regierung die Chefs öffentlich-rechtlicher Sender bestimmt. Auch werden Medien in Spanien geschlossen und sogar Journalisten gefoltert, was aus Polen unbekannt ist. Erst am Dienstag wurde Spanien vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erneut einstimmig wegen der Anwendung von Folter verurteilt.
Sogar UN-Sonderberichterstatter für Grundrechte sprechen von einer „unverhältnismäßigen“ Einschränkung von Grundrechten wie der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Spanien, denn auch friedliche Proteste werden dort mittlerweile kriminalisiert. Dazu kam noch eine Strafrechtsreform, die es ermöglicht, praktisch jeden Protest zu „Terrorismus“ zu erklären. Das alles ist aus Polen nicht bekannt. (mü)
Schön, dass wenigstens noch ab und zu diesen Typen aus Brüssel die Stirn geboten wird. Irgendwann werden die Polen die Konsequenzen ziehen und ebenfalls über einen Austritt aus der EU entscheiden lassen. Grund zur Hoffnung besteht ja denn offensichtlich hat Polen – im Gegensatz zu Deutschland – eine Regierung, die sich ihrem Volk verspflichtet fühlt.