Nackte Erpressung im „Türkei-Deal“: „Wir schicken die Flüchtlinge los“

11. Mai 2016

Die im Zuge des „Türkei-Deals“ geplante Visafreiheit für Türken könnten zum Knackpunkt der weiteren Verhandlungen zwischen Brüssel und Ankara werden. Während die EU von der Türkei die Erfüllung von insgesamt 72 Kriterien verlangt, zeigt sich die türkische Regierung brüskiert und droht unverhohlen mit der „Flüchtlings“-Keule.

Die der Türkei zugesagte Visafreiheit für türkische Reisende im Schengen-Raum ist Bestandteil des türkisch-europäischen „Flüchtings-Deals“ vom März. Der inzwischen zurückgetretene türkische Ministerpräsident Davutoglu hatte damals zugesagt, alle 72 Bedingungen für die Visafreiheit bis Juni zu erfüllen.

Doch inzwischen kann davon keine Rede mehr sein, und der türkische Präsident Erdogan weigert sich ausdrücklich, bestimmte EU-Bedingungen wie etwa eine Änderung der umstrittenen Anti-Terrorgesetze seines Landes zu erfüllen.

Deshalb sieht man inzwischen auch in Brüssel die Umsetzung des Zeitplans für die türkische Visafreiheit sehr skeptisch. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sieht keine Chancen mehr für eine Verabschiedung der Visumfreiheit bis Juli. Es sei „absolut außerhalb jeder Diskussion”, daß das EU-Parlament mit den Beratungen beginne, wenn Ankara die Voraussetzungen für die Visumfreiheit nicht erfüllt habe, sagte Schulz im Deutschlandfunk. Die Türkei hat nach seinen Angaben bisher fünf der 72 Bedingungen nicht erfüllt.

Als Reaktion schaltete Ankara jetzt auf stur und setzt auf unverhohlene Erpressung. Einem Berater von Präsident Erdogan, Burhan Kuzu, zufolge wird die türkische Regierung „Flüchtlinge“ nach Europa schicken, wenn die geplante Visafreiheit am EU-Parlament scheitern sollte. Mit Blick auf die EU-Parlamentarier schrieb Kuzu auf Twitter, das Parlament stehe an der Schwelle einer wichtigen Entscheidung. „Wenn es die falsche Entscheidung trifft, schicken wir die Flüchtlinge los.”

Nach UN-Angaben liegt die Zahl der pro Tag in Griechenland ankommenden Menschen derzeit bei 61, nach 115 im April und fast 900 im März. Im vergangenen Sommer setzten zeitweise jeden Tag mehrere tausend Menschen von der Türkei auf eine der griechischen Ägäis-Inseln über. (mü)

 

Bildquelle: Wikimedia/Mohamed_Ali_MHENNI/CC_BY-SA_3.0  (Bild bearbeitet)

6 Kommentare

  1. Udo Ther sagt:

    Es wird seit kurzem massenmedial verdächtig oft auf Erdogan geschimpft, wie zuvor auf Ortega, Chavez, Ahmadinedschad, Saddam Hussein oder Gaddafi. (Auch Böhmermann ist ein „politisch korrekter“ Volksverhetzer.) Was plant Erdogan vielleicht insgeheim? Einen großen, starken Mohammedaner-Kontinent, der den USA Widerstand leisten kann? Die westradikalen Spindoktoren haben es erkannt und schießen nun verbal auf ihn. Sind Europas tatsächliche Feind vielleicht ebenfalls die Transatlantischen?

  2. Michael sagt:

    Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei dürfte das Einzige sein, was der Verwirrte von Ankara versteht. Außerdem wäre die Heimkehr einer Millionen Türken nach Anatolien sicher eine Bereicherung der Türkei; denn viele Analphabeten haben in D etwas gelernt.

  3. Der Rechner sagt:

    Diese „Flüchtlinge“ kommen allenfalls bis nach Griechenland – jedenfalls solange Mazedonien, Slowenien und Ungarn weiter die Grenzen dichthalten.

    Griechenland wird auf die Dauer um eine Insellösung wie in Australien nicht herumkommen – genügend Inseln hat es ja.

    Weshalb die „Flüchtlingskeule“ unwirksam ist, solange Europa standfest bleibt.

    Vom europäischen Parlament erhoffe ich mir, daß es zum ersten Mal in seiner Existenz etwas nützliches tut und bei seiner Haltung bleibt.

    Merkels Abkommen mit der Türkei war Schwachsinn von Anfang an – „Grenzen dicht“ heißt die Lösung.

  4. Ole sagt:

    Der Deutsche sollte sich mal klar machen, was gerade passiert: Es wird ein Land eingenommen, ohne dass ein einziger Schuss gefallen ist. Einmalig in der Geschichte der Menschheit.

    • Schweine Braten sagt:

      Der Deutsche ist dumm-
      Es ist mit der Dummheit das gleiche wie mit dem Tod:
      Man selbst merkt es nicht.
      Die Last damit haben andere.

  5. Sack sagt:

    Standpumkt der Türkei: „Wer hat denn die Asylanten mit Versprechungen angelockt?“ Solange das nicht klargestellt und revidiert worden ist, wird es Asylanten geben, die unbedingt ins „gelobte Land“ Deutschland wollen! Die künstlich überhöhte Willkommenskultur lockt arme Menschen an und die Bombardeure erzeugen sie!

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