Kiew. Zumindest offiziell gilt im Brüsseler NATO-Hauptquartier die Doktrin, daß man sich nicht in den Konflikt in der Ukraine einmischen wolle. Allerdings hat das westliche Militärbündnis aus seiner Parteilichkeit nie ein Hehl gemacht. Westliche Länder wie die USA, Kanada und Großbritannien lieferten seit dem Putsch in Kiew im Februar 2014 immer wieder Material und betreiben Ausbildungsprogramme für die ukrainischen Streitkräfte. Jetzt kündigte auch der NATO- Oberbefehlshaber in Europa, Philip Breedlove, „verstärkte Hilfe“ für die Regierung in Kiew an.
Bei einem offiziellen Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko würdigte der NATO-Oberbefehlshaber die Kooperation mit der Regierung in Kiew. Laut dem Presseamt des Präsidenten habe Breedlove insbesondere die „Bereitschaft der NATO bekräftigt, der Ukraine verstärkte Hilfe zur Verfügung zu stellen, damit der ukrainische Staat den Herausforderungen widerstehen kann, vor denen er steht.“ Poroschenko bekräftigte seinerseits, die Zusammenarbeit mit der NATO sei „vorrangig, um die Verteidigung der Ukraine zu stärken.“ Demnächst werde seine Regierung und die NATO „eine Reihe von Dokumenten unterzeichnen“, die die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine stärken sollen, sagte der ukrainische Staatschef.
Nach dem Umsturz Ende Februar 2014 hat die neue ukrainische Regierung die Blockfreiheit des Landes aufgegeben und Kurs auf eine Mitgliedschaft in der NATO und der EU genommen. Laut der neuen Militärdoktrin, die den historischen Partner Rußland zum Feind erklärt, soll die ukrainische Armee bis 2020 auf die NATO-Standards umgestellt werden. Eine NATO-Vollmitgliedschaft soll es laut offiziellen Verlautbarungen aus Brüssel aber in absehbarer Zeit nicht geben.
Ein Grund für die – offizielle – Zurückhaltung liegt darin, daß der anhaltende militärische Konflikt im Osten des Landes noch nicht beigelegt ist. Kiew hatte im April 2014 Truppen in die östlichen Kohlebergbau-Gebiete Donezk und Lugansk geschickt, weil diese den von US-amerikanischen Lobby-Organisationen eingefädelten Staatsstreich nicht anerkannt und unabhängige „Volksrepubliken“ ausgerufen hatten. Nach Beginn der Kämpfe im Donezbecken baute die NATO neue Militärstützpunkte und verstärkte ihre Truppen in Osteuropa. Rußland spricht unterdessen von einer „beispiellosen Erhöhung der Aktivitäten der NATO vor seinen Grenzen“. (mü)