„Düsteres Verhängnis“ – Publizist Martin Lichtmesz im Gespräch mit ZUERST!

15. November 2015
„Düsteres Verhängnis“ – Publizist Martin Lichtmesz im Gespräch mit ZUERST!
Kultur & Gesellschaft
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Foto: Symbolbild

Der österreichische Publizist Martin Lichtmesz übersetzte Das Heerlager der Heiligen von Jean Raspail neu ins Deutsche. Im ZUERST!-Gespräch erklärt Lichtmesz, warum das Buch aktueller denn je ist 

Herr Lichtmesz, Sie haben Jean Raspails Roman Das Heerlager der Heiligen neu ins Deutsche übersetzt. Ist das nicht gespenstisch, wenn man die Handlung mit der Realität heute vergleicht?

Lichtmesz: Das ist sozusagen das „Markenzeichen“ dieses 1973 geschriebenen Romans, daß er als Fiktion beschreibt, was heute täglich von der Wirklichkeit überholt wird. Einen „prophetischen“ Ruf hat das Heerlager allerdings schon recht lange, spätestens, seit mit dem Ende des Vietnamkriegs 1975 die ersten „Boat People“ bis nach Europa kamen, übrigens auch nach Deutschland. Heute ist die Einwanderungsproblematik in einem beispiellosen Ausmaß eskaliert, wobei die aktuellen Fluten aus Syrien und anderen Ländern vermutlich erst der Anfang sind. Das gibt Raspails Buch heute mehr denn je eine beinahe „übernatürliche“ Aura, die noch dadurch verstärkt wird, daß er apokalyptische Figuren wie einen besessenen Propheten auftreten läßt, der eine Art antichristliches Monster auf seinen Schultern trägt. Im Lichte einer Prophetie wirken die Dinge schicksalhaft, verhängnisvoll und unabwendbar, und vielen kommt die laufende Krise auch so vor, wie ein düsteres Verhängnis. Kleinere Details sind geradezu seltsam: 800.000 Inder landen im Roman an der Côte d’Azur, und genau 800.000 Flüchtlinge werden dieses Jahr „offiziell“ in Deutschland erwartet. Oder: Der amtierende Papst äußert sich mit seinen Aufforderungen nach vorbehaltlosen Grenzöffnungen nahezu identisch wie der Papst im Roman, der noch dazu Lateinamerikaner ist und aus seiner „Armut“ und „Bescheidenheit“ eine medienwirksame Show macht, jedoch wie der Vorgänger von Franziskus Benedikt XVI. heißt.

Raspail scheint ein geradezu prophetisches Talent zu haben: Unzählige Schiffe mit Armutsflüchtlingen aus Indien machen sich auf den Weg nach Europa. Die Europäer wiederum feiern die Völkerwanderung – und damit ihre eigene Verdrängung. War eine solche Entwicklung bereits vor 40 Jahren absehbar?

Lichtmesz: Auch wenn Raspail den Roman als eine „Vision“ bezeichnete, ist keine Hexerei dabei: Die heutigen Entwicklungen zeichneten sich schon in den zwanziger und dreißiger Jahren ab, als Oswald Spengler den Niedergang der weißen Welt, das Ende des Kolonialismus und die Fusion von Klassen- und Rassenkampf prophezeite. 1957, mitten im Algerienkrieg, der dem französischen Kolonialreich den Rest geben sollte, schrieb der Schriftsteller und Nobelpreisträger Albert Camus in einem Brief an einen Freund: „Die Entwicklung der Welt überwältigt mich zur Zeit. Auf lange Frist werden alle Kontinente (gelbe, schwarze und braune) in das alte Europa strömen. Ihre Zahl beträgt Hunderte und Hunderte von Millionen. Sie sind hungrig, und sie haben keine Angst zu sterben. Und wir wissen nicht mehr, wie man tötet. Daher müssen wir auf das Jahr 1000 warten oder auf ein Wunder.“ – Das ist schon im Kern der ganze Raspail. 1961 erschien dann die antikoloniale Bibel Die Verdammten dieser Erde von Frantz Fanon mit einem berüchtigten, ziemlich demagogischen Vorwort von Jean-Paul Sartre, das genau dieses drohende Ende der weißen Zivilisation mehr oder weniger abfeierte. Raspail zitiert übrigens wörtlich daraus und hat sich wohl auch einige Motive von Sartre und Fanon abgeguckt. Nicht zu vergessen der britische Politiker Enoch Powell, der 1968 in einer berühmten Brandrede davor warnte, daß die Masseneinwanderung nach Europa in „Rivers of Blood“ – „Ströme aus Blut“ – münden werde. Dazu kamen bereits in den sechziger Jahren thematisierte globale Probleme wie die Bevölkerungsexplosion der Dritten Welt. Zugleich kritisierte in Deutschland ein Arnold Gehlen die Ausbreitung einer realitätsfernen und dekadenten „Hypermoral“. Raspail bündelte diese und andere Zeittendenzen in der literarischen Fiktion seines Buches, projiziert auf eine von ihm aus gesehen nahe Zukunft. Ich finde es übrigens sehr reizvoll, daß sich das Heerlager stellenweise liest, als würden sich heutige Geschehnisse bereits in den siebziger Jahren abgespielt haben.

Eine besondere Rolle spielt in Raspails Roman die sogenannte „Zivilgesellschaft“, also NGOs, Kirchen, Gewerkschaften usw., die die Ankunft der Menschenmassen frenetisch willkommen heißen. Auch heute spielen diese Kreise, die sich als ehrenamtliche Schlepper und Asyllobbyisten betätigen, eine gewichtige Rolle. Kann man sagen, daß Raspail auch die „Willkommenskultur“ voraussah?

Lichtmesz: In der Tat, und das ist einer der erstaunlichsten Aspekte des Buches: Raspail schildert mit satirischem Biß, wie die bevorstehende Ankunft der Inder – die natürlich nur symbolische Platzhalter für die Massen aus der Dritten Welt an sich sind – mit eitlen und infantilen Partys beantwortet wird, in denen in großen menschheitsumarmenden Gefühlen geschwelgt wird, garniert mit einem humanitär versüßten Schuldgefühl, ein Karneval, an dem sich alle Promis, Filmstars und Politiker beteiligen. Die Pointe bei Raspail ist, daß sie nicht ahnen, was in Wahrheit auf sie zukommt, nämlich eine Armee von entschlossenen Eroberern, deren Waffen die Armut, das Elend und vor allem ihre große Zahl sind. Im entscheidenden Moment ergreifen die Franzosen panikartig die Flucht, sind unfähig, ihren Besitz zu verteidigen. Das ist natürlich eine parabelhafte Zuspitzung. Auch heute scheinen die Westeuropäer, insbesondere die Deutschen, kaum zu ahnen, was sie sich hier einbrocken. Besonderen Hohn hat der traditionalistische Katholik Raspail übrigens für die „progressistische“, nachkonziliare Kirche reserviert, die er als einen der Hauptübeltäter der inneren Unterminierung des Abendlandes anprangert. Im Roman schenkt der Erzbischof von Paris dem Oberhaupt der französischen Muslime dreißig Kirchen, damit er sie zu Moscheen machen kann. Heute hält der Klerus im ganzen Land salbungsvolle Reden, die die Deutschen zur Selbstaufgabe drängen sollen. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sagte wörtlich: „Alle, die kommen, sind unsere Schwestern und Brüder, weil sie von Gott her willkommen sind. Sie beschenken uns, wie wir sie.“ Deutschland dürfe nicht „für Abschottung und Selbstbehauptung“ stehen. Das ist eins zu eins Heerlager der Heiligen, im Roman sind derlei Sprüche allerdings noch als Satire gemeint. Ein noch größerer Übeltäter sind für Raspail allerdings die Massenmedien. Auch diese beschreibt er als ein allgegenwärtiges „Tier“ der Apokalypse mit Tausenden Köpfen, dessen Propagandaoffensiven unaufhörlich die Seelen mürbe und die Gehirne der Konsumenten weich machen. Die polemischen Schilderungen dieser zweiten „Flut“, die sich an die Seite der Einwandererflut stellt, gehören zu den eindrucksvollsten Teilen des Romans.

Die Zeit schrieb: „Raspails Buch ist ein übles Machwerk. Es bedient sich der Ängste der Europäer auf grobschlächtige Weise, um eine brachiale Untergangsvision zu rechtfertigen.“ Wie erklären Sie sich diese tiefsitzende Abneigung einiger Journalisten und Rezensenten?

Lichtmesz: Ich mußte ein bißchen schmunzeln, als ich das gelesen habe: Derlei ist eine typisch linke Abwehrreaktion, eine Form des Kopf-in-den- Sand-Steckens, vielleicht auch eine Angst vor der eigenen verdrängten Angst, denn die Realität ist nun mal, wie sie ist. Das alte Spiel in solchen Debatten: Ich seh’ etwas, was du nicht siehst, oder du siehst etwas, was ich nicht sehe. Und weil sie es nicht sehen können oder wollen, muß eben derjenige, der offen sagt, was er sieht, irgendwie sinistre Motive haben. Das ist einfach nur lächerlich, und es wird mit jedem weiteren Tag der „Asylkrise“ lächerlicher. Indes haben sich in Deutschland namhafte Journalisten sehr positiv bis enthusiastisch über das Buch geäußert: unter ihnen Nicolaus Fest, Lorenz Jäger, Matthias Matussek oder Jürg Altwegg. Es ist eben nicht von der Hand zu weisen, daß Raspail einen Nerv getroffen hat.

Kann man Ihrer Meinung nach vom Heerlager der Heiligen etwas lernen?

Lichtmesz: Ich kenne kein besseres Buch, mit dem man sich gegen den grassierenden Asyl-Massenwahn mental impfen könnte. Es ist äußerst entlarvend, die laufenden Vorgänge durch die Brille Raspails zu betrachten und ihnen damit ihre Suggestivkraft zu nehmen. Der Wiedererkennungseffekt ist so groß, daß man ein für allemal von seinen Illusionen geheilt ist. Für manche Leser wird das freilich zunächst ein Schock sein: Denn der Autor packt sein Thema oft ziemlich brachial an und schert sich dabei erfrischenderweise nicht die Bohne um „politische Korrektheit“, die es übrigens bereits in den siebziger Jahren ansatzweise gab. Er hat im Gegensatz zu den „bunten“ politisch- medialen Eliten Deutschlands ein hartes, realistisches, tragisches Menschenbild, und was er auf Europa zukommen sieht, läßt sich eigentlich nur noch mit schwarzem Galgenhumor ertragen. Das ist vielleicht auch die rettende Phantasie des Romans, seine persönliche Utopie in der Dystopie: Die kleine, etwas skurrile Gruppe von letzten Abendländern, die am Ende noch Widerstand auf verlorenem Posten leistet, genießt geradezu die Anarchie des Zusammenbruchs und geht grimmiglachend in ihren Untergang. Das ist ein Schlüsselmotiv bei Raspail: Egal, wie ernst oder gar hoffnungslos die Lage ist, man soll sich stets einen frohen, unbeugsamen Mut bewahren. An einer sehr schönen, poetischen Stelle formuliert er sein Credo: „Die Linke ist ein düsterer Brand, der verzehrt und zerstört. Die Rechte ist eine fröhlich tanzende Flamme, ein flackerndes Irrlicht in einem dunklen, ausgebrannten Wald.“

Herr Lichtmesz, vielen Dank für das Gespräch. 

Martin Lichtmesz, geboren 1976 in Wien, ist freier Publizist und schreibt unter anderem für die Zeitschriften Sezession, Neue Ordnung, eigentümlich frei, Unzensuriert und Compact. Buchveröffentlichungen u.a.: Die Verteidigung des Eigenen (2011), Kann nur ein Gott uns retten? (2014), Ich bin nicht Charlie (2015). 

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2 Kommentare

  1. Der Rechner sagt:

    O-Ton Gauck (Bundeschwätzer): „Wir beugen unser Haupt vor den Toten, niemals aber beugen wir uns dem Terror.“

    https://www.tagesschau.de/inland/gauck-volkstrauertag-101.html

    Was Gallionsfigur Gauck und das Merkelregime treiben ist noch viel schlimmer, als sich dem Terror „zu beugen“.

    Mit ihrer unkontollierten und ungebremsten Einwanderungspolitik leisten sie ihm Vorschub.

    Grenzen dicht!

    Asyltouristen abschieben oder bis zur Abschiebung in Haft nehmen!

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