Berlin. Lann Hornscheidt ist weder Professor noch Professorin, sondern „Professx“. Ob Mann oder Frau, das ist am Namen nicht zu erkennen und an der Optik auch nicht – genau so ist es gewollt.
Hornscheidt lehrt und forscht in Sachen „Gender Studies und Sprachanalyse“ an der Humboldt Universität (HU) Berlin, und zwar am dortigen Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien. Für alle, die die Person auf besagtem Lehrstuhl kontaktieren möchten, hält Hornscheidt klare Anweisungen bereit. Verwendet werden sollen „geschlechtsneutrale Anreden“, also auf keinen Fall „Herr“ oder „Frau“. Ein Vorschlag wird gleich mitgeliefert: „Sehr geehrtx Profx. Lann Hornscheidt“. Das wiederum ist so skurril, daß es geradezu nach öffentlicher Resonanz schrie.
Und so kam es dann auch. Ende 2014 verbreitete sich Hornscheidts Wunschliste über virtuelle Netzwerke wie Facebook in Windeseile und provozierte eine Flut von – überwiegend negativen – Reaktionen. Ein Teil der Kommentare war nicht gerade feierlich, von „abartig“ und „geisteskrank“ war da die Rede. Schon als Hornscheidts lustige Truppe im Frühjahr 2014 einen feministischen Sprachleitfaden veröffentlicht hatte, gab es Vergewaltigungs- und Morddrohungen. „Das rechte Milieu flippt völlig aus“, ist Antonia Baum in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) rechtschaffen entsetzt. Auch sonst gab es reichlich schwesterliche Solidaritätsadressen in den Medien, denn Lann Hornscheidt war einst als Antje Hornscheidt bekannt – und das feministische Netzwerk ist auf Zack.
Tatsächlich sollten einige der Kritiker etwas mehr auf ihren Puls achten. Wenn eine Person mitteilt, wie sie angesprochen werden möchte, sind wir deswegen ja noch nicht gleich auf dem Weg in den Orwell-Staat. Möchte jemand gern „erhabener Meister“ oder „Euer Merkwürden“ genannt werden – bitte, warum nicht? Und weshalb dann nicht „Professx“? Hornscheidt sagt, das sei nur ein Vorschlag, niemandem solle etwas vorgeschrieben werden. Es stellt sich dennoch die Frage, was der Sinn und Zweck der X-Form sein soll, schließlich gibt es doch schon genug feministische Sprachverhunzung wie das Binnen-I (StudentInnen) oder den Unterstrich (Student_innen). Aber wie sich herausstellt, geht es auch gar nicht um das ursprüngliche emanzipatorische Anliegen, Frauen sprachlich „sichtbarer“ zu machen.
Es geht vielmehr um Personen wie Hornscheidt selbst, die sich weder als Frau noch als Mann fühlen. Gegenüber Spiegel Online erklärte er/sie/es: „Die X-Form sagt erst mal nur: Da ist eine Person. Das könnte sprachlich viel grundlegender das Geschlecht als wichtige Kategorie in Frage stellen. Das X durchkreuzt herkömmliche Personenvorstellungen.“ Hier sind wir dann ohne Umweg beim Kern der Gender-Ideologie, nämlich der „Dekonstruktion“ von Geschlecht. Jener Null-Komma-irgendwas-Prozentsatz der Menschheit, der keinem der zwei biologischen Geschlechter angehört oder angehören will, rückt in den Mittelpunkt und gibt sprachlich den Takt vor. Einer aus dem „rechten Milieu“ (FAZ) oder dem „antifeministischen Untergrund“ (Zeit Online) meinte, der Genderismus sei „ein Luxusproblem einer verblödeten Gesellschaft“.
Doch Lann Hornscheidt ist alles andere als verblödet. Während die meisten Menschen mit schlimmen Identitätsproblemen viel Geld für Therapiestunden ausgeben, therapiert Hornscheidt sich selbst und läßt sich dafür ein Professorengehalt auszahlen. So clever muß man erst mal sein. Dieser Fall zeigt auch sehr plastisch, was geschieht, wenn Ideologie und Wissenschaft eine Liaison eingehen: Die Wissenschaft degeneriert zum bloßen Feigenblatt, während der inhaltliche Kern allein durch die Ideologie bestimmt wird. Im Interview mit dem Sender RBB hat Hornscheidt zugegeben: „Der Vorschlag [mit dem X, d. Red.] ist keiner, der aus der Uni kommt, sondern aus Communities, aus Trans-Bewegungen und politischen Zusammenschlüssen.“ Hier hat Ideologie die Wissenschaft infiltriert und zum Teil usurpiert.
Der wahre Skandal sind nicht Sprachvorschläge, die sich ausgesprochen (Professix, Studierix) anhören wie die Namen der Bewohner eines kleinen, von Römern umzingelten gallischen Dorfes – und zwar ausschließlich der männlichen (!) Bewohner. Der Skandal sind letztlich auch nicht die Pöbeleien auf unterschiedlichstem Niveau gegen solche sprachlichen Verrenkungen. Vielmehr ist skandalös, daß es überhaupt so etwas wie ein „Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien“ gibt und obendrein 215 Genderprofessuren in Deutschland, einem Land, das einst stolz auf seinen Anteil am Fortschritt der Wissenschaft war. Arbeitsgrundlage der „Gender Studies“ ist dagegen, Geschlecht sei lediglich ein „Konstrukt“, das von weißen, heterosexuellen Männern zur Absicherung ihrer Privilegien instrumentalisiert werde. Solch dogmatischer Unfug ist überall fehl am Platze – an Universitäten aber ganz besonders.
Dieser Artikel erschien in ZUERST! Ausgabe 2/2015 –
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