Der Vorschlag kommt aus heiterem Himmel: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will eine gemeinsame Armee aller EU-Staaten. Eine EU-Armee sei militärisch wesentlich effizienter und auch kostengünstiger als 28 verschiedene Streitkräfte, so Junckers Argumentation.
Man fragt sich: Warum kommt der EU-Kommissionschef gerade jetzt mit einem solchen Vorschlag? Gibt es in Brüssel nicht schon genug Probleme – vor allem mit dem Euro und der Situation in Griechenland? Warum halsen sich die EU-Bürokraten auch noch ein solches Großprojekt auf? Eine einheitliche Währung scheitert auf unserem Kontinent, wie soll da eine einheitliche Armee funktionieren? Und vor allem: Neu ist die Idee einer europäischen Armee nicht, alle Vorstöße in diese Richtung wurden aber in der Vergangenheit immer wieder aus Washington torpediert, wo man eine Schwächung der NATO befürchtete. Jetzt plötzlich herrscht wohlwollendes Schweigen in den USA. Der Grund ist klar: Denn die von Juncker auf die politische Tagesordnung gebrachte EU-Armee soll sich vor allem gegen Rußland richten. Gegenüber der Welt sagte der frühere Luxemburger Regierungschef, die Europa-Armee „würde Rußland den klaren Eindruck vermitteln, daß wir es ernst meinen mit der Verteidigung der Werte der Europäischen Union“.
Schützenhilfe bekommt Juncker vor allem aus Deutschland. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, kommentiert Junckers Vorstoß ebenfalls positiv: „Eine gemeinsame europäische Armee ist eine europäische Vision, deren Zeit gekommen ist“, so der CDU-Politiker. Röttgen weiter: Rußlands hegemoniale Politik verletze das Interesse der europäischen Sicherheit. Daher sei die Stunde einer vereinigten EU-Streitkraft gekommen.
Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) klatschte sofort Beifall. Ebenso „Verteidigungspolitiker“ von SPD und Grünen. Die Bundeswehr soll in einer EU-Armee aufgehen, und das möglichst schnell. Bereits 2016 könne man damit beginnen, frohlockt man in Berlin.
Dabei steht es um unsere Bundeswehr so schlecht wie noch nie. Unsere Armee wird konsequent kaputtgespart und politisch regelrecht bekämpft. Das Ganze nennt sich „Bundeswehrreform“. Dies geht so weit, daß deutsche Soldaten im Auslandseinsatz sogar ins eigene Portemonnaie greifen und auf eigene Rechnung Einsatzausrüstung kaufen müssen. Gleichzeitig bekommen Schulen, die der Bundeswehr Hausverbot erteilen, Zivilcourage-Preise, und deutsche Deserteure des Zweiten Weltkriegs werden mit Denkmälern gewürdigt – stets mit Unterstützung der etablierten Politik.
Gegen die eigene Armee Politik zu betreiben, gehörte in Berlin in den letzten Jahrzehnten stets zum guten Ton. Junckers Idee einer EU-Armee paßt dazu. Man unterstellt die Reste unserer Streitkräfte einfach einem wie auch immer gestalteten „EU-Kommando“.
Und daß die USA Junckers „EU-Armee“ mit Wohlwollen betrachten, muß am Ende dann wirklich nicht verwundern. Denn im Gegensatz zu den früheren politischen Initiativen in diese
Richtung steht eines diesmal nicht zur Debatte: die Dominanz der NATO in Europa.
Manuel Ochsenreiter ist Chefredakteur des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST!