Deutsche Außenpolitik – das rechte Maß fehlt, oder: auf Heloten hört niemand!

28. August 2014
Deutsche Außenpolitik – das rechte Maß fehlt, oder: auf Heloten hört niemand!
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Foto: Symbolbild

Hin und wieder ist von deutscher Außenpolitik die Rede. In Berlin soll es dafür sogar einen Minister geben. Der aber kann nur ein Mißverständnis sein. Denn die Bundesrepublik Deutschland hat sich schon bei ihrer Gründung vor 65 Jahren entschieden, unter keinen Umständen einen „Sonderweg“ zu beschreiten. Wir sind fest eingebunden in die „westliche Wertegemeinschaft“, und die wird von den USA kontrolliert und kommandiert. Nominell mag Deutschland einen Außenminister haben, aber keinen, der nicht vorher in Washington nachfragt, keinen, von dem eine eigenständige und unabhängige Politik zu erwarten ist. Jedenfalls nicht im Grundsätzlichen.

Das erklärt sich freilich nicht aus irgendwelchen Verschwörungen oder Geheimverträgen, sondern entspringt der Sozialisation, den Überzeugungen und Selbstverpflichtungen unserer „politischen Klasse“. Was es nicht besser macht. Äußerer Zwang ließe sich aufzeigen und anfechten. Politiker aber, die freiwillig und gern in „alternativloser“ Gefolgschaft verharren, zeigen sich allenfalls irritiert, wenn man an ihrer Verläßlichkeit und Treue zweifelt. „Abhören von Freunden – das geht gar nicht“,
kommentierte Merkels Sprecher die NSA-Affäre. Aber es geht eben doch, weil die Abgehörten lediglich ein bißchen murren und an nichts weniger denken als an ernsthafte
Konsequenzen. Wie in dem alten Witz, wo Meier zu Müller sagt: „Ich halte Sie für einen kompletten Idioten.“ Müller: „Das nehmen Sie sofort zurück!“ Meier: „Ich denke nicht daran.“ Müller: „Gut, dann ist die Sache für mich erledigt.“

Nicht anders unser Verhältnis zu Israel. Dessen Politik mag nahezu allem widersprechen, was uns ansonsten heilig ist, und dennoch folgt jeder zaghaft-kritischen Anmerkung
der apodiktische Hinweis, die Sicherheit Israels sei ebenso „deutsche Staatsräson“ wie das Bündnis mit den USA. Mehr fällt der Bundesregierung auch nicht ein, wenn Wohnblöcke, Schulen, Hospitäler und UN-Einrichtungen im Gaza-Streifen unter Feuer genommen werden. Wer sich darüber aufregt, wird mit der Antisemitismus-Keule zum Schweigen gebracht. Immerhin ersucht Mutti Merkel das israelische Militär, beim Bombardieren „verhältnismäßig“ vorzugehen. Und wenn nicht? Dann haben wir wenigstens darüber gesprochen.

Zur deutschen Staatsräson zählt offenbar auch die Heuchelei. Während man Israel freie Hand läßt, wird nahezu alles, was sich in der Ostukraine ereignet, Rußland angelastet und vom „Westen“ mit Sanktionen beantwortet. Was wohl wäre los, griffe Putin zu den gleichen militärischen Mitteln, die Israel immer wieder einsetzt? Moskau könnte ebenfalls Sicherheitsinteressen geltend machen. Und im Unterschied zu Israel müßte es zur Begründung territorialer Ansprüche nicht erst Siedlungsbau jenseits seiner Grenzen betreiben, es reicht das Vorhandene.

Der Vergleich hinkt ein wenig? Mag sein. Gleichwohl führt er uns zum Kern des Problems: der widerrechtlichen Landnahme. Seit Jahrzehnten hält Israel palästinensische
und syrische Gebiete besetzt, aus denen es sich laut UN-Sicherheitsrat längst hätte zurückziehen müssen. Diesem Unrechtszustand verdanken sich die immer wieder
aufflackernden Kämpfe. Wer sich illegal auf fremdem Boden festkrallt, darf sich über den Widerstand der gegen ihren Willen Besetzten nicht wundern. Besonders uns Deutschen wird das regelmäßig eingebleut – beim Gedenken an ausländische Widerstandskämpfer, die sich im Zweiten Weltkrieg gewaltsam und oft auch terroristisch gegen die deutsche Besatzung auflehnten. Gerade erst wurde des 70. Jahrestages des Warschauer Aufstandes gedacht – mit klarer Rollenverteilung: die Aufständischen als Helden,
ihre deutschen Bezwinger als Vollstrecker des Bösen.

Solche Geschichtsbilder, ob richtig oder falsch, verlieren ihre moralische Prägekraft spätestens in dem Moment, wo unterschiedliche Maßstäbe sichtbar werden. Wieso darf Israel, was andere nicht dürfen? Und warum kümmert es in Washington niemanden, wenn deutsche Politiker herzlichst darum bitten, nicht länger abgehört zu werden? Weil alle die Bundesrepublik Deutschland für helotenzahm halten. Ein Land, das seine „Staatsräson“ erklärtermaßen darin sieht, den Ansprüchen und Bedürfnissen anderer Nationen zu dienen, wird am allerwenigsten dort ernstgenommen.

Harald Neubauer, ehem. Abgeordneter des EU-Parlaments, ist regelmäßiger Kolumnist von ZUERST!

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