Der Globalisierungs-Fan: Warum Hans-Olaf Henkel für die AfD zum Risiko werden könnte

21. August 2014
Der Globalisierungs-Fan: Warum Hans-Olaf Henkel für die AfD zum Risiko werden könnte
National
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Foto: Symbolbild

Straßburg/Brüssel. Während des Europawahlkampfes war er neben dem Parteigründer und -vorsitzenden Bernd Lucke der Superstar der Alternative für Deutschland (AfD) – Hans-Olaf Henkel.

Der frühere Chef des Arbeitgeberverbandes BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) dürfte neben Lucke das bekannteste Gesicht der AfD sein, die im letzten Jahr bei den Bundestagswahlen knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. In der AfD feierte man seine Kandidatur für das Europaparlament stürmisch – denn Henkel ist ein altes PR-Schlachtroß. Kaum eine Talkshow im deutschen Fernsehen hatte noch nicht Hans-Olaf Henkel auf der Couch sitzen, keines der sogenannten „Leitmedien“ in Deutschland hat jemals gezögert, Henkel anzurufen, wenn man einen Artikel mit einer deftigen Stellungnahme würzen wollte.

Doch Henkel ist nicht nur Hansdampf der Partei und das Zugpferd – in der Führungsebene der Partei sorgt sein Name auch für Sorgenfalten. Der Grund: Keiner weiß so genau, was Henkel im Europaparlament eigentlich so anstellen wird. „Alles ist im Prinzip möglich“, so ein hoher AfD-Funktionär gegenüber ZUERST!. Das Problem: Hans-Olaf Henkel sei eine „Unguided Missile“ – eine ungelenkte Rakete. Oder genauer: Eine unlenkbare Rakete. Denn er repräsentiere weniger die AfD, sondern vor allem sich selbst. Das mache Henkel „in gewisser Weise zu einer Zeitbombe“.

Was die Halbwertzeit seiner Positionen angeht, steht er Horst Seehofer kaum nach. Das war in der Vergangenheit für die AfD kein Schaden. So kündigte Hans-Olaf Henkel zunächst an, die eurokritische Partei zwar zu unterstützen, ihr aber nicht beitreten zu wollen. Nach seinem Parteibeitritt wurde er gleich auf Platz zwei der Kandidatenliste der AfD zur Europawahl nominiert. Zudem wurde er im März auch noch zum stellvertretenden Sprecher der AfD gewählt. Der Wirtschaftsmann weist immer wieder darauf hin, daß er für das „liberale Element“ in der AfD stehe – was das aber genau sein soll, wissen viele nicht. Das ehemalige FDP-Mitglied Henkel steht vor allem für die klassischen wirtschaftsliberalen Ansichten. In seiner Presseerklärung zum AfD-Beitritt heißt es: „Mit meinem Betritt will ich nicht nur ein Signal an gleichgesinnte liberale Wähler für die kommende Europawahl senden, ich will auch einen Beitrag dazu leisten, dieser Partei ein liberales Profil zu geben“.

Vor allem Henkels Haltung gegenüber der Türkei sorgte in der jüngsten Vergangenheit für Irritationen. Noch als BDI-Präsident äußerte er im Interview mit der Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit, die EU solle die Türkei „aus Dankbarkeit“ aufnehmen. Immerhin sei Ankara als NATO-Mitglied „einer der Beschützer Deutschlands vor der Gefahr des Kommunismus“ gewesen. Zudem stehe man im Wort: Das „EU-Aufnahmeversprechen Deutschlands“ gelte nach wie vor. Henkel setzte in dem Interview noch einen drauf: „Aber wir haben nicht nur deshalb Anlaß zur Dankbarkeit, sondern auch, weil heute 2,3 Millionen Türken in Deutschland einen großen Beitrag für unsere Wirtschaft leisten.“ Auf die Frage, welche Rolle das „christliche Abendland“ dann überhaupt noch für Europa und die EU spielen würde, antwortete Henkel allen Ernstes: „Ich bin zum Beispiel ein leidenschaftlicher Liebhaber von Jazz musik, und die wurde bekanntlich nicht bei uns erfunden. Die Globalisierung ist auch deshalb so bereichernd, weil sie dem Individuum eine immer größere Möglichkeit an Kulturerlebnissen beschert.“ Das gesamte Gespräch läßt eigentlich keine Zweifel offen: Hans-Olaf Henkel, der von 2006 bis 2013 Senior-Berater der Bank of America war, bekennt sich als neoliberaler Globalisierungs-Fan, als überzeugter Transatlantiker, als jemand, der die Interessen Deutschlands schon gerne über Washington definiert.

Heute weist die AfD darauf hin, daß Henkel seine Ansichten zum türkischen EU-Beitritt geändert habe. Im Focus gab der AfD-Spitzenmann Henkel seine neuen Erkenntnisse bekannt: Premierminister Recep Tayyip Erdogan trete die Pressefreiheit mit Füßen, umgebe sich mit korrupten Politikern und lasse die Opposition niederknüppeln, so Henkel. „Ein Land, das Demokratie, Pressefreiheit und Menschenrechte so mit Füßen tritt, hat keinen Platz in Europa.“ Oder anders gesagt: Wenn Erdogan nicht mehr Ministerpräsident ist, kann man über einen Beitritt wieder reden?

Aber auch mit seinen Ansichten zur Migration sorgte Henkel für Sorgenfalten. Die – nun offi zielle – AfD-Position, Asylbewerber sollten eine Arbeitserlaubnis erhalten, könnte auf Henkels Mist gewachsen sein. „Es ist doch vernünftig, wenn die Asylbewerber selbst für ein kleines Einkommen sorgen können und damit auch den Sozialstaat entlasten“, sagte Henkel. Es helfe den Betroffenen, sich besser zu integrieren. Dieser und andere Aspekte des Parteiprogramms zeigten, „wie demokratisch und weltoffen die Mitglieder der AfD in Wirklichkeit sind“, so der frühere Wirtschaftsfunktionär. Man kann es auch anders sehen: Henkel fordert, Asyl – es dient dem Schutz von Verfolgten und hat nichts mit „Integration“ zu tun – als zusätzliches Einwanderungsinstrument offiziell anzuerkennen. Den „Sozialstaat entlasten“ könnte man durch raschere und entschiedene Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber und durch schnellere Asylverfahren. Doch dazu ist von Hans-Olaf Henkel nichts zu hören.

Wie wird sich Henkel in Straßburg positionieren? „Das weiß nur Henkel selbst und sonst niemand“, heißt es in AfD-Kreisen besorgt. Als prominentes Zugpferd, das Stimmen bringen soll, neuerdings auch als großzügiger Geber eines Millionen-Kredites, verbietet sich offene Kritik, aber hinter vorgehaltener Hand unkt man im Partei-Umfeld: „Vielleicht sitzt er ja schon in einem Jahr bei den CDU-Leuten – wenn die ihm ein gutes Angebot machen und es in der AfD zu ungemütlich wird.“

Dieser Artikel erschien in ZUERST! Ausgabe 6/2014 –
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