Wien. Am 28. Juli 1914, vor 100 Jahren, begann mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien der Erste Weltkrieg. Seine Folgen wirken bis heute nach, viele Narben sind noch immer nicht verheilt.
Am 28. Juni 1914 wurde Franz Ferdinand, der Thronfolger der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, durch den 19jährigen bosnischen Terroristen Gavrilo Princip erschossen. Princip gehörte der revolutionären Untergrundorganisation Mlada Bosna („Junges Bosnien“) an, die in Verbindung mit offiziellen Stellen Serbiens stand. Ihr Ziel war die Loslösung Bosnien-Herzegowinas aus der österreich-ungarischen Monarchie und die Einigung der Südslawen unter der Herrschaft Serbiens. In der Folge des Attentats spitzte sich die Konfliktlage zwischen den fünf europäischen Großmächten sowie Serbien zu.
Schon Anfang des 20. Jahrhunderts schwelte ein Konflikt auf dem Balkan, der auf die Schwäche des zerfallenden Osmanischen Reiches, des „kranken Mannes am Bosporus“, zurückzuführen war. Die Großmächte Europas hatten es auf das Osmanische Reich abgesehen und wollten sich die dortigen Bodenschätze wie Erdöl oder Steinkohle für sich allein sichern. Vor allem zwischen Österreich-Ungarn und Rußland schwelte deswegen ein Streit. Dieser verschärfte sich, als Österreich-Ungarn im Jahr 1908 die Gebiete Bosnien und Herzegowina, die schon seit 30 Jahren unter der Verwaltung der Donaumonarchie Österreich waren, annektierte. Serbien sah dadurch seine großserbischen und panslawistischen Pläne gefährdet. Schon 1830 wurde der Panslawismus als Parole für den kulturellen und politischen Zusammenschluß aller Slawen ausgerufen.
Rußland stellte sich hinter Serbien, und es drohte ein Krieg, der aber durch Vermittlung des Deutschen Reiches verhindert werden konnte. Daraufhin formierten sich Serbien, Bulgarien, Griechenland und Montenegro zum ersten „Balkanbund“. Diese Länder konnten im ersten Balkankrieg das Osmanische Reich besiegen, gerieten jedoch während der Verteilung der Kriegsbeute untereinander in Streit. Daraufhin griffen 1913 im zweiten Balkankrieg die Bulgaren Serbien an. Nun verbündeten sich Montenegro, Griechenland, Rumänien und das Osmanische Reich im zweiten Balkanbund mit Serbien gegen Bulgarien. Österreich-Ungarn drohte auf der Seite Bulgariens in den Krieg einzutreten, was durch den Frieden von Bukarest im August 1913 noch einmal verhindert werden konnte.
In dieser konfliktgeladenen Zeit besuchte der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand mit seiner Frau Sophie am 28. Juni 1914 die bosnische Stadt Sarajewo. Beide wurden kurz nach ihrer Ankunft von Gavrilo Princip aus der Menschenmenge heraus erschossen.
Österreich gab der serbischen Regierung die Schuld an dem Attentat und stellte ein Ultimatum an Belgrad, wonach bei den Untersuchungen des Attentats von Sarajewo auch österreichische Beamte mitwirken sollten. Serbien aber lehnte Eingriffe in seine Souveränitätsrechte ab und leitete entgegen der offiziellen Zusicherung keine Ermittlungen gegen die Hintermänner des Attentats ein, die der Schwere der Tat angemessen gewesen wären. Schon eine Woche nach der Tat waren alle Ermittlungen weitgehend abgeschlossen.
Die deutsche Reichsregierung sicherte Österreich ihre unbedingte Unterstützung für ihr Vorgehen gegen Serbien zu. Rußland hingegen unterstützte Serbien und mobilisierte seine Armee unter den restlichen slawischen Völkern.
Frankreich war zwar im Sommer 1914 noch nicht für einen Krieg mit den Mittelmächten gerüstet, aber bei einem Staatsbesuch vom 20. bis 23. Juli in Sankt Petersburg hatten der französische Staatspräsident Raymond Poincaré und der französische Ministerpräsident René Viviani dem russischen Zaren ausdrücklich zugesichert, man werde Rußland im Ernstfall unterstützen.
Am 28. Juli 1914 erfolgte die Kriegserklärung Österreichs an Serbien. Wenige Tage später befahl auch Kaiser Wilhelm II. die Mobilmachung des Deutschen Reiches. Der deutsche Botschafter in Paris wurde am Nachmittag des 31. Juli beauftragt, von der französischen Regierung eine Neutralitätserklärung und gegebenenfalls die französischen Festungen Toul und Verdun als Pfand zu verlangen. Das Ultimatum war bis vier Uhr morgens am darauffolgenden Tag befristet. Ebenfalls am 31. Juli erklärte der deutsche Botschafter in Petersburg, seine Regierung müsse mobilisieren, wenn Rußland nicht binnen zwölf Stunden seine eigene Mobilmachung zurücknähme.
Die französische Regierung beantwortete das deutsche Ultimatum ausweichend und ordnete am 1. August um 16 Uhr die Mobilmachung an. Die russische Regierung antwortete überhaupt nicht. Um 17 Uhr wurde die deutsche Mobilmachung befohlen, und das Deutsche Reich erklärte Rußland den Krieg.
Am folgenden Tag ersuchte das Deutsche Reich Belgien, seinen Truppen ein Durchmarsch-Recht zu gewähren, doch die Belgier lehnten ab. Noch am gleichen Tag besetzten deutsche Truppen Luxemburg.
Aufgrund von Übergriffen der Franzosen auf deutsches Gebiet erklärte am 3. August das Deutsche Reich Frankreich den Krieg. Am folgenden Morgen besetzten deutsche Truppen Belgien. Daraufhin überreichte am 4. August der britische Botschafter in Berlin dem deutschen Reichskanzler ein bis Mitternacht befristetes Ultimatum mit der Forderung, die belgische Neutralität zu achten, was aber einer Kriegserklärung gleichkam, da sich die deutschen Truppen bereits in Belgien befanden.
Am 6. August erklärte Serbien dem Deutschen Reich sowie Österreich-Ungarn Rußland den Krieg. Am 11. August folgten die Kriegserklärungen Frankreichs und Großbritanniens an Österreich-Ungarn, am 23. August die Japans an das Deutsche Reich sowie die des Deutschen Reiches an Japan. In der Folge blieben wenige Staaten der Erde neutral. Schließlich führte fast die ganze Welt Krieg gegen die Mittelmächte.
Am 11. November 1918 endete für das deutsche Kaiserreich der Erste Weltkrieg. Im Waffenstillstand von Compiègne wurde die Niederlage der Mittelmächte besiegelt. Im Versailler Diktat wurde Deutschland 1919 die alleinige Kriegsschuld zugeschrieben. Die Alliierten besetzten die linksrheinischen Gebiete, und Deutschland mußte etwa 14 Prozent seiner Fläche abtreten, von zahlreichen weiteren Bestimmungen abgesehen, die zum Teil zutiefst demütigend waren. Auch im Lager der Sieger war man sich bereits 1919 völlig im klaren darüber, daß der Versailler Diktatfrieden die beste Garantie für einen weiteren Weltkrieg war. Die Geschichte hat diese Sicht auf den Ersten Weltkrieg bestätigt. Europas „Urkatastrophe“ begann in diesen Tagen vor hundert Jahren. (ds)
Man sollte die Bücher „Verborgene Geschichte“ und „Sie wollten den Krieg“ lesen, um die Wahrheit zu erfahren.