Bretton Woods. Schon der Erste Weltkrieg war für die meisten europäischen Kriegsparteien extrem teuer gewesen und hatte sie wirtschaftlich geschwächt; nach 1945 war das erst recht der Fall. Eine neue Welt-Finanzordnung mußte her.
Selbst dem vormals unermeßlich reichen Großbritannien – im 19. Jahrhundert die unbestritten führende Welthandelsnation, Seemacht und Weltmacht – drohte nach dem Zweiten Weltkrieg monatelang die Zahlungsunfähigkeit. Auf der anderen Seite waren die USA zur dominanten Weltmacht geworden, was zwangsläufig die internationale Währungs- und Finanzpolitik beeinflußte: Waffenverkäufe und Rüstungskredite machten sie zum weltweit größten Gläubiger, während der währungspolitische Hauptkonkurrent Großbritannien in die Rolle des Schuldners rutschte; 70 Prozent der Goldreserven lagerten in den USA.
Noch während des Zweiten Weltkrieges setzten in den USA deshalb die Planungen für eine Weltwirtschaftsordnung ein, die nach der absehbaren Beendigung des Krieges gelten sollte. Auch der Aufbau eines wirtschaftspolitischen Gegengewichts zur aufstrebenden UdSSR beeinflußte die Entwicklungen.
In Großbritannien gab es schon seit 1940 Planungen für eine internationale Währungsordnung nach dem Krieg, in den USA seit 1941. Die Briten verpflichteten sich in der Atlantikcharta vom August 1941 und dem gegenseitigen Beistandsabkommen vom Februar 1942, die Konvertibilität für das Pfund in der Leistungsbilanz wiederherzustellen. Im Gegenzug gaben die USA die Zusage, die Finanzhilfen zu günstigen Konditionen auszubauen und die Vollbeschäftigung zu respektieren. Dafür wiederum akzeptierten die Briten den Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Handel, ein zentrales Anliegen der Amerikaner seit dem 19. Jahrhundert, als amerikanische Kanonenboote neue Märkte in Asien und anderwärts notfalls mit militärischer Gewalt für sich öffneten.
John Maynard Keynes und Harry Dexter White als Verhandlungsführer der beiden wichtigsten angloamerikanischen Länder unternahmen den ehrgeizigen Versuch einer neuen Welt-Finanzordnung. Allerdings standen ihre Pläne in Konkurrenz zueinander. 1943 wurde die letzte Fassung veröffentlicht.
Beherrschende Komponente des Bretton-Woods-Abkommens wurde am Ende der „White Plan“. In dessen Kern stand die US-Währung, zu der alle anderen Währungen ein fixes Wechselverhältnis hatten. Außerdem wurde das Tauschverhältnis zwischen Dollar und Gold festgelegt. Durch die Orientierung der Währungskurse am US-Dollar konnte auch der Goldpreis für einen längeren Zeitraum festgelegt werden – bis in die siebziger Jahre hinein. Im Rahmen des Bretton-Woods-Systems war die amerikanische Zentralbank, die „Fed“, zudem verpflichtet, die Dollarreserven jedes Mitgliedslandes zum vereinbarten Kurs in Gold umzutauschen.
Die Ereignisgeschichte des epochemachenden Vertrags ist schnell erzählt. Die Vertreter der 44 teilnehmenden Länder trafen sich am 1. Juli 1944 im „Mount Washington“- Hotel in Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire. Vertreten waren: Ägypten, Äthiopien, Australien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Chile, China, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Frankreich, Griechenland, Guatemala, Haiti, Honduras, Indien, Irak, Iran, Island, Jugoslawien, Kanada, Kolumbien, Kuba, Liberia, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Norwegen, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Südafrika, Tschechoslowakei, UdSSR, Uruguay, Venezuela, Großbritannien und die USA. Ratifiziert wurde das epochale Abkommen drei Wochen später, am 22. Juli.
Viele Prinzipien des Bretton-Wood-Systems, etwa der feste Goldpreis, wurden inzwischen längst wieder ad acta gelegt. Seine Zentralinstanz dagegen, der Internationale Währungsfonds, ist immer noch aktiv, wenn auch oft nicht zum Segen seiner Partner. Kritiker machen geltend, daß der IWF die weltweite Kreditvergabe als Instrument der Abhängigkeit mißbrauche – ein Vorwurf, der mit Blick auf das jüngste Beispiel, die Ukraine, nicht von der Hand zu weisen ist. Vor 70 Jahren, im Juli 1944, nahm er als Folge des Bretton-Woods-Vertragsabschlusses, seine Arbeit auf. (ds)