Sarajewo. „Das Attentat von Sarajewo. Die Ermordung des Thronfolgers und seiner Gemahlin“ lautete die Schlagzeile auf dem Titelblatt der „Illustrierten Kronen-Zeitung“ am 30. Juni 1914.
Zwei Tage zuvor war der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo erschossen worden. Am 28. Juni 1914 kam Erzherzog Franz Ferdinand, der Thronfolger Österreich-Ungarns, mit seiner Frau Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg, in die bosnische Hauptstadt Sarajewo. Es war ein Sonntag, und erstmals erinnerte das benachbarte serbische Königreich mit einem offiziellen Staatsfeiertag an die Schlacht auf dem Amselfeld. Am 28. Juni 1389 waren die serbischen Völker von den Osmanen vernichtend geschlagen und fast der gesamte serbische Adel ausgerottet worden.
Obwohl es Vorwarnungen gab, ließ sich Erzherzog Franz Ferdinand nicht von der Fahrt nach Sarajewo abhalten. „Unter einen Glassturz“, hatte er bei einer anderen Gelegenheit gesagt, „lasse ich mich nicht stellen. In Lebensgefahr sind wir immer. Man muß nur auf Gott vertrauen.“
Dabei kam es schon früher in Sarajewo zu Attentaten. Der Student Bogdan Žerajić hatte 1910 ein Attentat auf Kaiser Franz Joseph geplant, aufgrund des hohen Alters des Monarchen jedoch davon Abstand genommen. Statt dessen schoß er am 15. Juni 1910 bei der Eröffnung des bosnisch-herzegowinischen Landtags auf den bosnischen Gouverneur, General Marijan Freiherr Varešanin von Vareš, verfehlte ihn aber, woraufhin er sich mit einem Kopfschuß tötete.
Von serbischer Seite wurde der Besuch des Thronfolgers als Provokation und als ein Beweis der Kriegslüsternheit Franz Ferdinands und Österreichs angesehen. Belgrad war damals Ziel vieler nationalistischer junger Serben aus Bosnien-Herzegowina, die davon träumten, alle Südslawen unter dem Dach Serbiens zu vereinen. Die „Schwarze Hand“ war ein nationalistischer serbischer Geheimbund, der auch mit terroristischen Mitteln für ein Großserbien kämpfte, in dem Bosnien und Herzegowina mit Serbien vereint sein sollten. Angehörige dieser Organisation planten, den Thronfolger bei seinem Besuch in Sarajewo zu ermorden. Vom Geheimdienst mit Pistolen, Munition und Bomben ausgerüstet, reisten sieben Verschwörer heimlich nach Sarajewo.
Schon bei seiner Ankunft entging das österreichische Thronfolgerpaar nur knapp einem Bombenanschlag. Der Attentäter Nedeljko Čabrinović schluckte nach dem mißglückten Anschlag das von der „Schwarzen Hand“ zur Verfügung gestellte Zyankali und sprang in die Miljacka. Das Gift war jedoch alt und wirkte nicht, so daß er nur erbrach. Außerdem war der Fluß an der betreffenden Stelle nicht sehr tief. Čabrinović wurde von der Menge gefaßt, wobei er fast gelyncht worden wäre, und verhaftet. Viele durch die Bombe Verletzte kamen ins Krankenhaus.
Trotz des Vorfalls befahl Franz Ferdinand, daß die Fahrt fortgesetzt werde. Nun fuhr die Kolonne auf dem Weg zum Rathaus an weiteren potentiellen Attentätern vorbei, die jedoch nichts unternahmen. Im Rathaus sagte Franz Ferdinand zum Bürgermeister, der eine Rede halten wollte: „Herr Bürgermeister, da kommt man nach Sarajewo, um einen Besuch zu machen, und wird mit Bomben beworfen! Das ist empörend.“ Nach dem Rathaus hätte ein Museum besucht werden sollen, doch Franz Ferdinand wollte im Krankenhaus seinen beim Bombenanschlag verletzten Begleiter Oberstleutnant Merizzi besuchen.
In einem Kaffeehaus saß derweil der Angehörige der „Schwarzen Hand“ Gavrilo Princip, er war mit einer Pistole bewaffnet und fühlte sich unglücklich wegen des mißglückten Bombenattentats. Zu Princips Überraschung hielt der Wagen des Thronfolgers vor dem Kaffeehaus. Princip eilte auf die Straße, zog seine Pistole und schoß aus wenigen Metern Entfernung zweimal auf das Ziel. Der erste Schuß traf Sophie in den Unterleib und fügte ihr dort eine Reihe von Verletzungen zu, an denen sie innerhalb kürzester Zeit, noch im Wagen selbst, verblutete. Unmittelbar danach fiel der zweite Schuß, welcher Franz Ferdinand in den Hals traf, seine Halsvene zerriß und seine Luftröhre verletzte. Franz Ferdinand erlag kurz darauf seinen Verletzungen.
Princip versuchte ebenfalls, sich mit Zyankali zu vergiften, auch er erbrach es. Als er sich erschießen wollte, wurde ihm die Pistole aus der Hand gerissen, und die wütende Menge wollte ihn lynchen. Doch der Gendarmerie gelang es, den Attentäter zu verhaften.
Zwei Tage nach dem Mord in Sarajewo erklärte der österreichisch-ungarische Außenminister Leopold Graf von Berchtold dem deutschen Botschafter in Wien, Heinrich von Tschirschky und Boegendorff, daß gegen die Serben vorgegangen werden müsse. Kaiser Wilhelm II. notierte: „Mit den Serben muß aufgeräumt werden, und zwar bald. – Jetzt oder nie.“
Am 28. Juli 1914 erklärte die Wiener Regierung dem serbischen Königreich den Krieg. Der Rest der Geschichte ist bekannt. (ds)