Bundeswehr: Mitte März beschloß das Kabinett, bis zu 20 deutsche Soldaten nach Somalia zu entsenden
Vor der somalischen Küste sind deutsche Soldaten schon seit einigen Jahren im Einsatz, im Rahmen der EU-Mission „Atalanta“ bekämpfen sie das Piraten-Unwesen rund um das Horn von Afrika. Überdies hat sich die Bundeswehr bis Ende letzten Jahres an einer Ausbildungsmission der EU für die somalischen Streitkräfte beteiligt, die im Nachbarland Uganda stattfand. Rund 3.600 Soldaten, die den Kern der somalischen Armee bilden sollen, wurden im Rahmen dieser Mission trainiert. Mit ihrer Verlegung in die somalische Hauptstadt Mogadischu zum Jahresende stellte die Bundeswehr ihre Beteiligung zunächst aus Sicherheitsgründen ein. Nun soll der Einsatz wiederaufgenommen werden.
Mitte März beschloß das Kabinett, bis zu 20 deutsche Soldaten nach Somalia zu entsenden. In einer stark geschützten Zone am Rande des Flughafens von Mogadischu sollen sie sich an der Ausbildung von Spezialisten und Führungskräften der somalischen Armee beteiligen sowie Generalstab und Verteidigungsministerium strategisch beraten. Konkret ist bisher die Entsendung von zwei Beratern sowie ab August von drei weiteren Ausbildern vorgesehen. Der Bundestag hat den geplanten Einsatz in einer ersten Sitzung beraten, jedoch bis zum Redaktionsschluß dieser Ausgabe noch kein grünes Licht gegeben. Die Ausbildungsmission ist zunächst bis März 2015 befristet, die Kosten der deutschen Beteiligung beziffert die Bundesregierung auf 2,6 Millionen Euro.
Die Pläne von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatten schon im Februar für Mißstimmung in der Unions-Fraktion gesorgt, zumal die dortigen Verteidigungs- und Außenpolitiker davon erst aus der Zeitung erfuhren. „Somalia ist ein sehr gefährlicher Ort. Deshalb müssen wir es gut überlegen, ob wir überhaupt Soldaten schicken“, sorgte sich CDU-Außenexperte Philipp Mißfelder gegenüber der Bild. Als Anfang März die Obleute des Verteidigungsausschusses informiert wurden, bezeichnete Volker Wieker, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Gefahrenlage in Somalia als „erheblich“. Das ist die höchstmögliche Risiko-Einstufung. Die Bundesregierung zeigte sich dennoch überzeugt, daß der Einsatz „militärisch vertretbar und politisch verantwortbar“ sei.
Somalia gilt als „failed state“, als gescheiterter Staat. Seit 1991 tobt dort ein Bürgerkrieg, der Tausende von Toten gekostet und über eine Million Menschen auf die Flucht getrieben hat. Die Fronten sind unübersichtlich. Hauptgegner der Regierung sind die radikalislamischen Al-Shabaab-Milizen, die zum Al-Quaida-Netzwerk gezählt werden und bereits weite Regionen Somalias unter Kontrolle hatten. Derzeit befinden sich die geschätzt noch 1.000 Kämpfer aber in der Defensive. Gemeinsam mit Eingreiftruppen der Afrikanischen Union hat die somalische Armee sie aus der Hauptstadt und anderen Städten vertrieben. Einsatzfähig ist die Shabaab jedoch immer noch, erst im Februar verübte sie einen verheerenden Anschlag auf den Präsidentenpalast.
Experten gehen davon aus, daß die angezählten Milizen sich nun noch mehr auf Attentate und andere Formen der „asymmetrischen Kriegsführung“ verlegen werden. „Deutsche Soldaten sind ein lohnendes Ziel für die Al-Shabaab“, zitiert die Deutsche Welle den Politologen Mathias Weber. Bei Attentaten auf deutsche Soldaten könnte „sie sicher sein, daß das durch die ganze Weltpresse geht“. Kritisch wird der Einsatz deshalb auch von der Opposition gesehen. So stellte Christine Buchholz, die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, zu der Mission fest: „Die Bundesregierung setzt zur Durchsetzung ihrer außenpolitischen Strategie erneut das Leben von Soldatinnen und Soldaten aufs Spiel.“
Diese Strategie wird von der Regierung nur ganz allgemein mit der erforderlichen „Stabilisierung“ der Region begründet, da „Piraterie und Terrorismus in Somalia die internationale Sicherheit und auch die Interessen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) bedrohen“. Schemenhafter geht es kaum. Tatsächlich geht es wohl eher darum, die deutschen Streitkräfte immer mehr in die Rolle einer international einsetzbaren Interventionsarmee zu drängen, auch wenn eine deutsche Beteiligung an Kampfeinsätzen derzeit tunlichst vermieden wird. Bereits auf der Münchener Sicherheitskonferenz hatte Ursula von der Leyen ein verstärktes deutsches Engagement in Afrika angekündigt.
„Gleichgültigkeit ist keine Option“, so von der Leyen auf der Veranstaltung. „Wenn wir handeln können, müssen wir es tun“. Die zur Begründung solcher Forderungen verwendete Standard-Floskel lautet bekanntlich, Deutschland müsse „mehr Verantwortung“ in der Welt übernehmen. In diesem Tenor war auch die Eröffnungsrede von Bundespräsident Joachim Gauck in München gehalten, der es bei dieser Gelegenheit gar als „Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse“ bezeichnete, das System der Globalisierung zu erhalten.
Steve Lerod