Bern/Brüssel. Das ist heftig und zeigt, wohin die Reise geht: Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Viviane Reding, hat die Schweiz wegen einer bevorstehenden Abstimmung über Einwanderung jetzt unter massiven Druck gesetzt.
„Die Schweiz ist für die EU ein wichtiger Partner. Aber die EU ist für die Schweiz ein unerläßlicher Partner“, sagte Frau Reding mit ungutem Unterton in einem Gespräch mit Schweizer Vertretern dieser Tage. „Man sollte also gut überlegen, was man da tut.“ Hintergrund ist eine Initiative gegen Masseneinwanderung, über die die Schweizer am 9. Februar abstimmen sollen. Die von der SVP getragene Initiative will den Zustrom von EU-Bürgern in die Schweiz reglementieren. Im Wortlaut heißt es im Text der Initiative (Volksabstimmung): „Die heutige Zuwanderung ist für die Schweiz weder kulturell noch mengenmäßig verkraftbar.“ Sie fordert deshalb eine Aufhebung der Personenfreizügigkeit und die Wiedereinführung von Ausländerkontingenten.
Die mächtige EU-Frau lehnt eine solche Änderung strikt ab. „Es ist eine Illusion, zu meinen, die Personenfreizügigkeit könnte einzeln nachverhandelt werden.“ Sie sei unverzichtbarer Bestandteil des Binnenmarktes. „Da kann die Schweiz nicht hier oder da Rosinen picken.“ Die Brüsseler Politikerin forderte statt dessen die Schweiz auf, ihre nationale Gesetzgebung dem EU-Recht anzugleichen. „Wir haben 120 verschiedene bilaterale Abkommen, wir haben ein Dutzend technische Kommissionen: Das ist undurchsichtig, bürokratisch und nicht mehr zeitgemäß.“ Deshalb solle die Schweiz sich kurzerhand den Brüsseler Vorgaben unterordnen. Allerdings räumte die EU-Politikerin ein, daß es innerhalb der EU „mancherorts eine Konzentration von ärmeren Zuwanderern gibt, die Schwierigkeiten bereiten“, auch wenn diese natürlich „viel kleiner“ seien, als es „von rechten Parteien mit extremen Parolen“ dargestellt werde.
Für die Zukunft erhofft sich Frau Reding für die EU eine Zunahme der Arbeitswanderung. „Unsere Bevölkerung altert, und wir haben fast überall einen Mangel an Fachkräften.“ Einen großen Gewinner der Personenfreizügigkeit sieht die Luxemburgerin bereits mit der Bundesrepublik: „Wenn ich ein Land wie Deutschland anschaue, das händeringend Menschen für Zehntausende Stellen sucht, erschließt sich das sofort.“ Doch diese Litanei kennen wir schon. Die betroffene bundesdeutsche Normalbevölkerung, die in diesen Wochen den vollen Anprall der Massenzuwanderung aus dem europäischen Südosten abbekommt, ist vermutlich nicht der Meinung der gutdotierten Vizechefin der EU-Kommission. Und die Schweiz ist gut beraten, sich dem Druck aus Brüssel ebenfalls nicht zu beugen, sondern auch in Zukunft die Lebensinteressen ihrer Bürger zu verteidigen.
Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.