Geteilte Insel: Vor 50 Jahren eskalierte der Konflikt um Zypern

30. Januar 2014
Geteilte Insel: Vor 50 Jahren eskalierte der Konflikt um Zypern
Geschichte
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Foto: Symbolbild

Nikosia. Die Mittelmeerinsel Zypern kennt heute jedermann als geteilte Insel: im Norden gibt es einen türkischen Teil, der Süden ist griechisch. Die Beziehungen zwischen beiden Landesteilen gelten noch immer als problematisch, und die Lage wird nur obenhin entspannter dadurch, daß sich Zypern als Ganzes um eine EU-Mitgliedschaft bemüht. Die EU drängt im Gegenzug auf eine Beilegung des Konfliktes. Worum geht es?

Zypern, die malerische und geschichtsträchtige Insel im östlichen Mittelmeer, war von jeher Zankapfel zwischen Griechen und Türken. Aber während die ethnischen Spannungen auf dem Festland im Anschluß an den Ersten Weltkrieg durch wechselseitige Rückwanderungen der Minderheiten in ihre jeweiligen Mutterländer weitgehend bereinigt werden konnten, war das auf Zypern nicht der Fall. Hier sorgte die Kolonialmacht Großbritannien für Stabilität und Ruhe – solange, bis England nach dem Zweiten Weltkrieg ankündigte, Zypern in die Unabhängigkeit zu entlassen. Sofort begannen die Zwistigkeiten zwischen der griechischen und der türkischen Volksgruppe. Das Ende ist bekannt, und 1974 annektierten die Türken den Norden. Seither ist Zypern gespalten.

1960 erlangte die Insel formell die Unabhängigkeit. In zähen Verhandlungen war ein Garantievertrag zwischen Zypern, Griechenland, der Türkei und Großbritannien ausgehandelt worden, der die fragilen ethnischen Verhältnisse widerspiegelte und deshalb von Anfang an umstritten war. Keine der beiden Volksgruppen war mit dem Vertragswerk zufrieden, das mit einigen herben Fußangeln behaftet war. So war das Amt des Präsidenten für alle Zukunft einem griechischen Zyprioten vorbehalten, das des Vizepräsidenten einem Türken, und beide verfügten über ein Vetorecht, konnten also wichtige Entscheidungen stets torpedieren. Das führte dazu, daß es niemals zum Aufbau zypriotischer Streitkräfte kam, weil sich die verantwortlichen Führer der beiden Volksgruppen nicht einig werden konnten. Am Ende machte der Vizepräsident von seinem Vetorecht Gebrauch und blockierte alle weiteren Bemühungen um den Aufbau einer Armee komplett. Dabei blieb es.

Auch die Gemeindeverwaltung war von Anbeginn an problematisch: Die Türken bestanden auf einer getrennten Verwaltung, was der griechische Bevölkerungsteil als unsinnig ablehnte. Auch hier lähmten zahlreiche Vetos jede Entwicklung.

Neuen Schwung versprach der angesehene Präsident Markarios, ein Geist licher, in die festgefahrene Situation zu bringen, der im November 1963 ein 13-Punkte-Memorandum mit zahlreichen Vorschlägen für eine Verfassungsänderung vorlegte. In dem Plan war unter anderem die Abschaffung des lästigen Vetorechts vorgesehen. Doch die türkische Regierung lehnte rundweg ab. Die Stimmung wurde zunehmend gereizter.

Am 21. Dezember, kurz vor Weihnachten, kam es zur Explosion: zyperngriechische Polizeikräfte verübten ein Massaker an Türken und gaben damit das Startsignal für weitere Morde und Verbrechen. Zypern drohte im Blut zu versinken. Plötzlich standen sich die beiden Volksgruppen gegenüber, und die ethnischen Bruchlinien zogen sich durch zahlreiche Gemeinden. Rund 1.000 türkische und mindestens 200 griechische Zyprioten wurden Opfer der Auseinandersetzungen. Das Menetekel des Bürgerkrieges stand über der Insel.

Sofort setzte ein Exodus ein. Fast 100.000 türkische Zyprer flohen, ein Großteil davon nach Großbritannien. Aber auch unter den griechischen Inselbewohnern kam es zu einer Massenflucht – fast 25 Prozent von ihnen, rund 165.000, kehrten Zypern den Rücken. Noch heute gelten 1.493 griechische und 502 türkische Zyprioten als vermißt.

Immerhin, schon am 24. Dezember 1963 konnte ein Waffenstillstand abgeschlossen und Schlimmeres verhindert werden. Die Vereinten Nationen taten, was sie in vergleichbaren Fällen immer tun – sie stellten eine Friedenstruppe auf, die die Aufgabe hatte, die verfeindeten Volksgruppen zu trennen. Das klappte einigermaßen. Aber die Türken auf der Insel hatten nun vollends die Lust an der gemeinsamen Verwaltung verloren und zogen sich aus allen Institutionen der Insel zurück. Gleichzeitig sahen sie sich als Opfer der griechischen Seite, die den türkischen Rückzug wiederum mit Genugtuung betrachtete. So oder so war das Klima gründlich vergiftet.

Die türkische Invasion, die im Juli 1974 weltweit für Schlagzeilen sorgte, änderte daran nicht mehr allzu viel. Die Teilung der Insel war in den Köpfen der Menschen längst beschlossene Sache. Sie währt bis heute, und die Beitrittsangebote der EU haben daran nicht ernsthaft etwas zu ändern vermocht. So ist Zypern bis heute geteilt. Begonnen hat alles vor einem halben Jahrhundert: mit den Massakern im Dezember 1963.

Dieser Artikel erschien in ZUERST! Ausgabe 12/2013
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