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Federal Reserve: Mit der neuen FED-Chefin Janet Yellen ändert sich auf dem internationalen Finanzsektor nicht viel
Stabübergabe bei der Federal Reserve: Mit 1. Februar 2014 wird erstmals eine Frau an der Spitze der mächtigsten Zentralbank der Welt stehen. Die 67jährige Janet Yellen tritt die Nachfolge von Ben Shalom Bernanke an, der das Amt seit 2006 bekleidet hatte. Unter seiner Regie hatte die FED in den letzten Jahren mit Niedrigzinspolitik und einer kräftigen Betätigung der Notenpresse versucht, die krisengeschüttelte US-Wirtschaft zu stimulieren. So kauft die US-Zentralbank seit September 2012 Monat für Monat Staatsanleihen und Immobilienpapiere im Wert von 85 Milliarden Dollar (etwa 64,7 Milliarden Euro) auf.
Auf seiner letzten Pressekonferenz kurz vor Weihnachten 2013 hatte Bernanke angekündigt, daß das Aufkaufprogramm von Januar 2014 an zunächst um zehn Milliarden Dollar abgesenkt werde. Im Verlauf des Jahres erwarte er weitere Reduzierungsschritte. Der Leitzins werde aber noch eine ganze Weile auf dem historisch niedrigen Stand von null bis 0,25 Prozent bleiben. Für die Finanzwirtschaft bedeutet das, daß sie sich weiterhin sehr günstig refinanzieren kann, entsprechend jubeln Banken und Börsen. Bernanke hat damit seiner bisherigen Stellvertreterin die Richtung vorgegeben, zwischen ihm und Yellen herrschte allerdings auch bisher stets große Einigkeit über den geldpolitischen Kurs.
Janet Yellen ist seit 2010 Vize-Chefin im „Board of Governors“, dem siebenköpfigen Vorstand der FED, dessen Mitglieder vom US-Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt werden müssen. Im Oktober 2013 nominierte Barack Obama seine Parteifreundin Yellen zur Nachfolgerin von Ben Bernanke. Mit einer Mehrheitsentscheidung von 14 zu 8 Stimmen stellte sich Ende November auch der Bankenausschuß der Kongreßkammer hinter Obamas Entscheidung. Die letzte Entscheidung lag Anfang Januar beim Senat, der Janet Yellen mit seiner demokratischen Mehrheit den Weg an die FED-Spitze freimachte.
Allerdings war Yellen nicht Obamas erste Wahl. Der US-Präsident hätte lieber den früheren Finanzminister Larry Summers auf dem Posten gesehen, der jedoch nach einer Reihe umstrittener Äußerungen unter Druck geraten war und von einer Kandidatur Abstand nahm. Summers, der auch Präsident der Elite-Universität Harvard war, erscheint als das glatte Gegenteil von Yellen: groß, direkt, temperamentvoll, mit dem Herzen auf der Zunge. Janet Yellen, die kleine Frau mit dem silbergrauen Haarschopf, pflegt dagegen ein eher unauffälliges Auftreten, gilt aber als durchsetzungsfähig.
„Es gibt wohl niemanden, der auf dem Papier qualifizierter ist als sie für den Posten des FED-Chefs“, urteilte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem ausführlichen Porträt über Janet Yellen. Das ist wohl kaum bestreitbar, wenn man sich ihre akademische Laufbahn anschaut. Berufliche Stationen in der Wallstreet befinden sich dagegen keine in ihrem Lebenslauf, dennoch hat die neue Zentralbankchefin auch praktisch ein gutes Händchen fürs Geld. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften (2001) George Akerlof, wird sie von der FED in die Vermögensklasse zwischen 4,8 und 13,2 Millionen Dollar eingestuft.
Janet Yellen „stammt aus einer bürgerlichen jüdischen Familie“, so die Jüdische Allgemeine. Als Tochter von Anna (geb. Blumenthal) und Julius Yellen, einem Arzt, wurde sie 1946 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren und wuchs dort auch auf. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften und erwarb 1971 an der Elite-Universität Yale einen Doktortitel. In den folgenden gut zwei Jahrzehnten forschte und lehrte sie an so berühmten Hochschulen wie Harvard, der London School of Economics and Political Science sowie der Universität von Kalifornien in Berkeley. Dazwischen war sie bereits 1977/78 kurzzeitig für die FED tätig, 1994 wurde sie dann Mitglied im „Board“.
Zwischen 1997 und 1999 fungierte Yellen als führende Wirtschaftsberaterin des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton. 2004 wurde sie Gouverneurin der Federal Reserve Bank von San Francisco (zuständig für die Bundesstaaten Kalifornien, Nevada und Arizona), einer der zwölf regionalen FED-Banken, aus denen sich das Federal-Reserve-System zusammensetzt. Teile der Wirtschaftspresse heben hervor, daß die kluge Frau schon 2005 als eine der ersten darauf hingewiesen habe, daß sich die Immobilienpreise zu einer Spekulationsblase entwickeln. Die Konsequenzen hat sie allerdings ganz falsch eingeschätzt. Wie die FAZ schreibt, hat Yellen seinerzeit von einem Platzen der Blase keine besonders gravierenden Auswirkungen auf die Wirtschaft erwartet.
Offenbar war ihr damals auch nicht bewußt, welchen Anteil die Geldpolitik der FED selbst an der Entstehung der Krise hatte. Zentralbankchef war zu dieser Zeit der schillernde Alan Greenspan. „Erst nach seinem Abgang stellte sich heraus“, so das österreichische Wirtschaftsblatt, „daß die niedrigen Zinsen und die in der Ära Greenspan forcierte Liberalisierung der Finanzmärkte geradewegs in die größte wirtschaftliche Katastrophe seit der Großen Depression in den 30er Jahren führten: die Weltfinanzkrise“. Yellen habe damals zwar durchaus andere Positionen als Greenspan vertreten, ihre Einwände aber nicht konsequent genug vorgebracht.
Da sie wie ihr Vorgänger Bernanke für eine lockere Geldpolitik steht, gilt sie als „Liebling der Börsen und vieler Demokraten“ (n-tv.de), besonders auf dem linken Flügel der Partei. Die Finanzwirtschaft schätzt sie, weil sie mit niedrigen Zinsen weiterhin an billiges Geld kommt, und die Linken halten ihr zugute, daß Yellen für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gern auch eine höhere Inflation in Kauf zu nehmen bereit ist. Das hat die Arbeitsmarktexpertin immer wieder bekräftigt. Bevor die derzeit etwas über sieben Prozent liegende Arbeitslosenquote nicht auf 6,5 Prozent gesunken ist, sei mit einer Anhebung der Leitzinsen nicht zu rechnen. Wahrscheinlich werde das niedrige Niveau sogar noch „weit länger“ beibehalten, wie Bernanke ankündigte.
Kritiker befürchten, daß damit die nächsten Krisen bereits vorprogrammiert sind. „Die langfristigen Kosten dieser Politik sind unklar und besorgniserregend“, warnte laut Handelsblatt Senator Michael Crapo. Der Republikaner gehört zu jenen, die Yellen die Unterstützung verweigern. Noch härtere Worte fand der Finanzinvestor David Stockman, der unter dem früheren US-Präsidenten Ronald Reagan Haushaltsdirektor war, in einem Interview mit Bloomberg TV. Mit dem Führungswechsel an der FED-Spitze wechsle man nur die Liegestühle auf der Titanic aus, es sei ein Übergang von „Bubbles-Ben“ (Blasen-Ben) zu „Calamity-Janet“ (Katastrophen-Janet). Yellen sei eine „monetäre Bürokratin“, die keine Idee habe, wie man die Wallstreet von ihrer Sucht nach billigem Geld befreien könne.
Unter Ben Bernanke hat die FED Wertpapiere mit einem Volumen von über drei Billionen US-Dollar angehäuft. Vor diesem Hintergrund erscheint es Kritikern fraglich, ob die jüngst angekündigte Reduzierung der monatlichen Ankäufe tatsächlich als Beginn einer Kehrtwende einzuschätzen ist. Yellen müßte „den Kurs für den Ausstieg aus der Ära des billigen Geldes abstecken – und dies den Märkten glaubhaft vermitteln“, umschreibt n-tv.de die Erwartungen an die neue FED-Chefin. Ganz überwiegend wird Yellen jedoch eher als Garant für die Kontinuität der bislang verfolgten Geldpolitik gesehen.
Änderungen gibt es womöglich im Arbeitsstil und der Kommunikation. Wie die Washington Post berichtet, hat sich der FED-Vorstand bislang zumeist auf dieselben Mitarbeiter gestützt, wenn es etwa um Recherchen oder das Verfassen von Redetexten ging. Janet Yellen hat dagegen eine Gruppe loyaler Mitarbeiter zusammengestellt, die hauptsächlich für sie allein arbeiten, darunter den Ökonomen Andrew Levin, der zeitweise als eine Art inoffizieller Stabschef fungierte. Levin ist mittlerweile zum Internationalen Währungsfonds gewechselt.
Wie verschiedene Medien melden, wird die künftige Nr. 2 der FED der Altmeister Stanley Fischer sein. Unter Berufung auf Insider berichten Washington Post und Bloomberg, US-Präsident Obama habe Fischer die Position bereits angeboten und dieser habe zugesagt. Der 70jährige hat bis Juni 2013 noch als Chef der israelischen Notenbank amtiert, er besitzt sowohl die US-amerikanische wie die israelische Staatsbürgerschaft. Als Ökonomie-Professor beim Massachusetts Institute of Technology (Cambridge) war er einst Lehrmeister sowohl von Yellen-Vorgänger Bernanke als auch des Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi.
Fischer gilt als begnadeter Krisenmanager, er hat bereits als Erster Vizedirektor für den Internationalen Währungsfonds gearbeitet und war von 1988 bis 1990 Chefökonom der Weltbank. Zu seiner letzten Wirkungsstätte hat er eine besondere Beziehung. Bereits als Jugendlicher war er Mitglied der zionistischen Jugendgruppe Habonim, Anfang der 1960er Jahre lebte er sechs Monate lang in einem Kibbuz in Israel, wo er Hebräisch lernte. Auch an der Wallstreet war der umtriebige Stanley Fischer bereits aktiv. „Von 2002 bis 2005 war er bei der US-Großbank Citigroup tätig, die wenige Jahre später in der Finanzkrise vom Staat aufgefangen werden mußte“, so das Schweizer Magazin Cash.
Das Gespann Yellen/Fischer wird voraussichtlich gut harmonieren. „Mein Eindruck ist, daß Janet und Stan weitgehend gleichartige Ansichten über Geldpolitik haben“, so der frühere Yellen-Berater Andrew Levin. Was das für die USA, aber auch für die europäische Wirtschaft bedeutet, wird sich wohl schon bald zeigen. Yellens Posten „gilt als einer der mächtigsten in der ganzen Welt“, meint Tagesschau.de. „Ein falscher Satz kann die Aktienmärkte abstürzen lassen. Die amerikanische Notenbank kann mit ihrer Politik Länder stützen oder ruinieren.“ Die FED, die letztes Jahr ihr 100jähriges Jubiläum feiern konnte (siehe ZUERST! 12/2013), kann man bestenfalls als „halbstaatlich“ bezeichnen. Die Anteile an den zwölf regionalen FED-Banken gehören privaten US-Geldhäusern.
Steve Lerod