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Riga. Nun sind auch die Letten an Bord des längst leckgeschlagenen Havaristen gekommen, der sich Euro nennt. Zwar gab es ein großes Feuerwerk zum Jahreswechsel, doch die Begeisterung der lettischen Bevölkerung über die Ablösung des Lats durch die Gemeinschaftswährung hält sich in Grenzen.
Als die Regierung im Dezember 800.000 Starter-Kit-Plastiktütchen mit je 45 Euromünzen im Wert von 14,32 Euro in Umlauf brachte, herrschte kein Andrang bei den Bankschaltern. Anders war dies, als die letzte Sonderprägung des Lats angeboten wurde. Sie war in Rekordzeit vergriffen. Offensichtlich hat die Bevölkerung schon üble Vorahnungen, was ihr blüht, ganz im Unterschied zur lettischen Regierung. Die ist immer noch begeistert von der Euro-Einführung und lobt sich selbst. „Die Einführung des Euro wird positiv für Lettland sein, sie wird einen Beitrag für die Wirtschaft und das Wohlergehen der Menschen leisten“, verkündete der nunmehrige Ex-Ministerpräsident Valdis Dombrovskis.
Er trat samt seinem Kabinett Ende November zurück, um die politische Verantwortung für den Einsturz eines Supermarktes in Riga mit 54 Toten zu übernehmen. Danach stand die Ostseerepublik ohne Regierung da, die bisherigen Minister regierten kommissarisch weiter. Auch Zentralbank-Chef Ilmars Rimsevics ist stolz und voller Zuversicht. Für ihn bedeutet der Euro die vollwertige Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion und die „tiefgreifende und unwiderrufliche Integration Lettlands in Europa – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch“.
Natürlich wird in Brüssel, wie sollte es auch anders sein, die Euro-Einführung in Lettland als „historischer Moment“ begrüßt. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem betonte im Oktober bei einem Besuch in Riga, sie verstärke die Beziehungen zwischen dem kleinen Baltenstaat und der Eurozone zu einem Zeitpunkt der schrittweisen Erholung der Eurozone nach der Wirtschaftskrise.
Nur ist weder die wirtschaftliche Krise des Euro beendet, noch kann von einer Erholung der Eurozone gesprochen werden. Lettland wurde auch ohne Euro nicht von der Krise verschont. Zwischen 2008 und 2010 brach die Wirtschaftsleistung um 20 Prozent ein. Die Baltenrepublik konnte nur durch Hilfskredite der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor dem Staatsbankrott gerettet werden.
Heute sind Haushalt und Wirtschaft nach einem radikalen Spar- und Reformprogramm wieder auf Kurs, doch dies gelang nur, weil Lettland bislang noch über seine eigene Währungshoheit verfügte und entsprechende volkswirtschaftliche Anpassungsinstrumente einsetzen konnte. So konnte Lettland nicht nur die Beitrittsbedingungen erfüllen, es ist auch das wachstumsstärkste Land in der EU, leidet aber unter hoher Abwanderung. Seit 1989 haben fast 700.000 Letten ihrer Heimat den Rücken gekehrt, um im Ausland Arbeit zu finden. Die verblieben zwei Millionen Letten stehen dem Euro großenteils skeptisch gegenüber.
Mit dem Versprechen „Euro. Lettland wächst“ versucht die Regierung in Fernsehspots und Anzeigen, der Bevölkerung die Gemeinschaftswährung schmackhaft zu machen. Doch in Umfragen sprechen sich unverändert mehr als die Hälfte der Letten gegen den Währungswechsel aus. Sie befürchten vor allem steigende Preise und einen Identitätsverlust durch die Aufgabe des Lats.
Der Vorstand der Pharmafirma Olainfarm, Salvis Lapins, hofft zwar, daß seine Firma ab Januar von der Euro-Einführung profitiert, weil bisherige Währungsrisiken bei Geschäften mit der Euro-Zone künftig wegfallen. Wie viele Letten fürchtet er aber, daß die Preise steigen. „Was auch immer die Regierung uns erzählt, die Preise werden steigen“, sagt Lapins. „Und das wird unvermeidlich die Löhne unter Druck setzen.“
Jedenfalls scheint die Bevölkerung Lettlands mehr Spürsinn zu haben als ihre Regierung. Mittlerweile denken andere über einen möglichen Austritt nach. Weil der aber nur mit einem gleichzeitigen Verlassen der Europäischen Union möglich ist, forderte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte eine Art Euro-Notausgang durch die Einführung einer Exit-Klausel in den EU-Verträgen.
Die Schweden überlegen es sich offensichtlich noch rechtzeitig, sie wollen gar nicht hinein in die Gemeinschaftswährung. 1994 votierten in einem Referendum noch 52 Prozent für einen Beitritt. 2003, als es ernst werden sollte, war die Mehrheit dagegen. Inzwischen liegt die Ablehnungsquote bei 82 Prozent. Der große Vorteil für die bonitätsstarken Skandinavier ist, daß sich die Regierung an den Willen des Volkes halten muß.
Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.