Caen. Der französische Molekularbiologe und Professor an der Universität von Caen, Gilles-Éric Séralini, führte die bisher einzige Langzeitstudie über mögliche Auswirkungen einer Ernährung mit Gen-Mais, der mit dem Herbizid Roundup behandelt worden war, unter kontrollierten Bedingungen durch.
Seine Forschungsergebnisse reichte Séralini bei der renommierten Fachzeitschrift „Journal of Food and Chemical Toxicology“ des Elsevier-Verlags ein. Daraufhin prüften wissenschaftliche Experten vier Monate lang den Beitrag bezüglich Methode und anderer Kriterien. Demnach testete Séralini mit seinen Mitarbeitern über 200 Ratten, die volle zwei Jahre lang mit Genmais gefüttert wurden. Die Studie, deren Kosten sich auf drei Millionen Euro beliefen, wurde unter Geheimhaltung durchgeführt, um eine eventuelle Einflußnahme der Industrie zu vermeiden.
In der Novemberausgabe des vergangenen Jahre erschien schließlich die Studie im „Journal of Food and Chemical Toxicology“ unter dem Titel „Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Rounduptolerant genetically modified maize“ (Langzeit-Toxizität eines Roundup-Herbizids und einer Roundup-toleranten gentechnisch veränderten Maissorte).
Der Futtermittel-Weltkonzern Monsanto reichte ebenfalls eine Studie über Gen-Mais bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zur Zulassung der Maislinie ein, doch Séralini und seine Forschungsgruppe studierte die Wirkung des Gen-Maises wesentlich länger, nämlich über die gesamte durchschnittliche Lebenserwartung der Tiere von zwei Jahren. Die Monsanto-Studie hingegen erstreckte sich nur über einen Zeitraum von 90 Tagen. Dies war für die Ergebnisse entscheidend, denn die ersten Tumore traten erst vier bis sieben Monate nach Beginn der Untersuchungen auf. Die Ergebnisse der Séralini-Studie waren im Gegensatz zu denen der Monsato-Studie denn auch schockierend. So starben bei den Weibchen in allen behandelten Gruppen zwei- bis dreimal mehr Tiere als in der Kontrollgruppe. Bei den mit GVO (gentechnisch veränderten Organismen) gefütterten Männchen wurde 2,5 bis 5,5mal häufiger eine Leberstauung und -nekrose beobachtet. Die Ergebnisse waren hormon- und geschlechtsabhängig, das pathologische Bild war vergleichbar. GVO und Roundup veränderten die Sexualhormonbalance.
Monsanto und die gesamte GVO-Industrie wollten sich die Veröffentlichung der unbequemen Séralini-Studie daraufhin nicht einfach so gefallen lassen. Auch der EU-Kommission und der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA gefielen die Ergebnisse nicht, schließlich empfahlen beide 2009 die Zulassung der Roundup-toleranten Maissorte NK603. Man verließ sich auf die von Monsanto vorgelegte 90-Tage-Studie und kam zum Schluß, daß die von Monsanto „eingereichten Daten ausreichen und keinen Anlaß zu Sicherheitsbedenken geben“. Daher wurde verkündet: „Das EFSA-Gremium ist der Ansicht, daß der Mais NK603 ebenso sicher wie herkömmlicher Mais ist. Der Mais NK603 und daraus hergestellte Erzeugnisse haben im Rahmen der vorgesehenen Verwendungszwecke wahrscheinlich keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier.“
Nach der Veröffentlichung der Séralini-Studie sah die EFSA in Brüssel Grund zum Handeln und gab am 28. November 2012, also kurz nach Veröffentlichung der Studie, eine Presseerklärung heraus: „Aufgrund schwerwiegender Mängel im Hinblick auf Design und Methodik erfüllt die Studie von Séralini et al. nicht die anerkannten wissenschaftlichen Standards; daher besteht keine Notwendigkeit, die früheren Sicherheitsbewertungen für die gentechnisch veränderte Maissorte NK603 zu überprüfen.“
Außerdem hätte eine Auswertung durch die EFSA ergeben, daß die Studie von Séralini et al. aufgrund ihrer Unzulänglichkeiten keine ausreichende wissenschaftliche Qualität für eine Risikobewertung aufweise. Séralini habe die falsche Art von Ratten verwendet, die Anzahl der Tiere sei zu gering und die statistische Auswertung unzureichend gewesen.
Beim Elsevier-Verlag wurde ein halbes Jahr nach Veröffentlichung der Séralini-Studie plötzlich die neue Position eines „Associate Editor for Biotechnology“ eingerichtet. Diesen Posten erhielt Richard E. Goodman – ein früherer Monsanto-Mitarbeiter. Sechs Monate nach dem Amtsantritt Goodmans entschied Dr. A. Wallace Hayes, der Chefredakteur der Zeitschrift „Food and Chemical Toxicology“, die Studie von Professor Séralini und seinem Team zurückzuziehen.
Normalerweise müssen für den
Widerruf einer wissenschaftlichen Publikation gravierende Gründe vorliegen, beispielsweise Datenfälschung, Plagiat oder unethische Untersuchung. Auf Séralinis Beitrag trifft keines dieser Kriterien zu. Hayes räumt sogar ein, daß die Prüfung von Prof. Séralinis Rohdaten keinen „Hinweis auf Betrug oder absichtliche Falschdarstellung der Daten“ oder „inkorrekte“ Daten ergeben habe, die Rücknahme erfolge ausschließlich aufgrund der „nicht beweiskräftigen“ Natur der Ergebnisse über Tumore und Sterblichkeit.
Offenbar hat Monsanto die Redaktion bei Elsevier, einem der größten und bisher seriösesten Wissenschaftsverlage der Welt, übernommen. So funktioniert das, wenn viel Geld im Spiel ist: Die Kritiker werden einfach geschluckt.
Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.