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Das US-Pentagon hat Forschungsaufträge an deutsche Universitäten vergeben. Jetzt fordern linke Gruppen verstärkt „Zivilklauseln“
Für reichlich Empörung sorgte im November 2013 die Meldung, daß 22 deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den vergangenen Jahren Forschungsaufträge des Pentagons erhalten hatten. Rund zehn Millionen Dollar (etwa sieben Millionen Euro) hat das US-Verteidigungsministerium seit dem Jahr 2000 für Forschungen verschiedenster Art in Deutschland investiert. Die Universitäten haben den Sachverhalt überwiegend bestätigt. Zum Teil handelte es sich um Grundlagenforschung, zum anderen Teil um wehrtechnische Forschung im engeren Sinne.
An der Universität Marburg wurde etwa im US-Auftrag untersucht, wie sich Orientierungssysteme für Drohnen verbessern lassen. Für 470.000 Dollar ging 2012 ein Projekt zur Optimierung von militärischen Sprengstoffen an die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Thomas Klapötke, Professor für anorganische Chemie an der LMU, sieht darin nichts Verwerfliches. „Wenn man an das Nato-Bündnis glaubt, ist es nicht verwerflich, seine eigenen Leute mit gutem Material auszustatten“, zitiert die Süddeutsche Zeitung den Professor.
Dennoch schlug allenthalben mal wieder die Stunde der „Anti-Militaristen“. Im Bundestag forderten SPD, Grüne und Linke „mehr Transparenz“ im Bereich der Militärforschung. Andere halten Forschung zu Rüstungszwecken gleich generell für ethisch nicht vertretbar und erneuern die Forderung nach sogenannten „Zivilklauseln“ an den Hochschulen. Solche Klauseln verpflichten die Universitäten dazu, ihre wissenschaftliche Arbeit an rein friedlichen Zielen auszurichten und untersagen Kontakte zur Bundeswehr und zur wehrtechnischen Industrie.
Als erste hatte die Universität Bremen 1986 eine solche Klausel eingeführt. Darin heißt es, daß „jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung“ von der Universität abzulehnen sei. Die Mitglieder der Universität werden aufgefordert, „Forschungsthemen und -mittel abzulehnen, die Rüstungszwecken dienen können“. Solche Klauseln existieren – teils in weniger eindeutigem Wortlaut – an derzeit 13 weiteren deutschen Universitäten. In Nordrhein-Westfalen hat die rot-grüne Landesregierung eine Zivilklausel gleich in das neue Hochschulzukunftgesetz geschrieben.
Allerdings mußte selbst NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) einräumen, daß gerade in der Grundlagenforschung eine Abgrenzung von militärischer und ziviler Nutzung „nahezu unmöglich“ sei. Tatsächlich fällt ein Großteil von Forschungen aus verschiedensten Disziplinen in die sogenannte „Dual Use“-Grauzone, ihre Ergebnisse könnten sowohl zivil wie auch militärisch genutzt werden. Das Volumen für Forschungsaufträge mit militärischem Bezug an deutsche Universitäten lag nach offiziellen Angaben zwischen 2007 und 2012 bei 35 Millionen Euro, für die betroffenen Hochschulen sind das in der Regel weniger als ein Prozent der Drittmittel.
Auch deswegen versteht Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Kieler Universität, die ganze Aufregung nicht. Der Professor hält die Klauseln für Störmanöver linker und linksextremer Gruppen. „Wo immer Zivilklauseln an Universitäten bestehen, führen diese zu inquisitorischen Vorgängen, die es an Unis nicht geben darf“, so der Politikwissenschaftler gegenüber dem Weser-Kurier. „Der Versuch, aus politischen Motiven Forschung zu verbieten, ist ein massiver Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Forschung und Lehre.“
In der Wirtschaftswoche registriert Kommentator Ferdinand Knauß in der Debatte „die billige Empörung derjenigen, die ihre Hände gerne öffentlich in Unschuld waschen und davon ausgehen, daß sich die Drecksarbeit von alleine macht“. Wer der Meinung sei, „die radikale Ablehnung jeder Rüstungsforschung und der deutschen Rüstungsindustrie sei eine moralisch einwandfreie Position, sollte sich vielleicht kurz vorstellen, der eigene Bruder, Sohn, Freund oder Ehegatte stünde im Dienste seines Landes im lebensgefährlichen Einsatz und wäre auf die Leistungsfähigkeit der Erzeugnisse dieser Industrie angewiesen“.
Dirk Reinartz