München. Die Verteidigerin des Mitangeklagten Ralf Wohlleben im Münchener Prozeß um den „National-sozialistischen Untergrund“ (NSU), Nicole Schneiders, hat im Interview mit ZUERST! erhebliche Zweifel an der offiziellen Version des Geschehens geäußert.
Schneiders sagte der August/September-Ausgabe von ZUERST!, sie habe „ein großes Interesse“ an der Aufklärung der Frage, „ob staatliche Behörden schon seit Jahren Kenntnis vom Aufenthaltsort von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hatten.“ Es sei nicht begreiflich, weshalb die drei in Chemnitz in der Szene von „Blood and Honour“ untertauchen konnten, „ohne daß dies von Ermittlungsbehörden dort entdeckt wurde.“ Denn: „Wie zwischenzeitlich ja bekannt ist, sind gerade die Kontaktpersonen in Chemnitz, bei denen die Untergetauchten zunächst Zuflucht fanden, Personen gewesen, die als V-Leute gearbeitet haben.“ Außerdem sei es offensichtlich, daß ein unerkanntes Abtauchen in einer derart stark überwachten Szene unmöglich sei, so Schneiders.
„Das behauptete Nichtwissen der Landesämter für Verfassungsschutz bzw. des Bundesamtes für Verfassungsschutz halten wir, ebenso wie die Nebenkläger, für eine reine Schutzbehauptung“, sagte Schneiders. „Wenn es nichts zu verstecken gab, weshalb dann die Sonderschichten am Aktenschredderer?“ Die Frage, ob es nach ihrem Erkenntnisstand konkrete Hinweise darauf gebe, daß es bei den Behörden nicht nur angebliche Pannen, sondern eine wie auch immer geartete Mitwirkung an den Taten gab, bejahte Schneiders. „Gerade in dem Mordfall in Kassel ist es offensichtlich, daß der Verfassungsschützer Temme sich zum Zeitpunkt des Mordes am Tatort aufgehalten hat. Wenn man sich die Übersichtsaufnahmen des Internetcafés anschaut, dann muß, wenn die Angaben des Verfassungsschützers Temme richtig sein sollen, dieser quasi über den bereits dort hinter dem Tresen liegenden Toten ‚gestolpert‘ sein.“ An dieser Stelle sei „vieles sehr, sehr unstimmig“ und es bestehe Einigkeit mit der Nebenklage, „daß die zentrale Figur Andreas Temme als Behördenmitarbeiter des Verfassungsschutzes eine zentrale Rolle am Tatort Kassel gespielt hat“, so Schneiders. „Unserer Ansicht nach steht die Anklage insgesamt auf wackeligen Füßen.“
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