Foto: flickr/MichaelRiedel, CC BY 2.0
Washington. Der Rest der Welt hat sich die amerikanische Zumutung schlicht und einfach zu lange gefallen lassen. Deshalb wird die aktuelle Empörung über die weltweite Spitzeltätigkeit amerikanischer und anderer westlicher Geheimdienste am Ende zu nichts führen.
Die US-Regierung hat gute Gründe, den ausgestiegenen Geheimdienstmann Edward Snowden von einem Ende des Globus zum anderen zu jagen. Snowden, selbst langjähriger Mitarbeiter des Geheimdienstes NSA (steht für: National Security Agency), hielt die Mitwisserschaft an den monströsen Spionageaktivitäten seiner Regierung irgendwann nicht mehr aus und mußte auspacken. Seither wartet er fast wöchentlich mit neuen und unangenehmen Enthüllungen auf. Für die Washingtoner Regierung ist der Mann ein wandelndes Sicherheitsrisiko. Ein unschönes Ende des Dissidenten Edward S. würde niemanden überraschen.
Der Fall macht einmal mehr deutlich, daß die Schurken und Bösewichte vermutlich nicht drittklassige Regionalpotentaten wie der (inzwischen ermordete) frühere libysche Staatschef Gaddafi oder Iraks Saddam Hussein sind. Die beiden genannten waren gewiß keine Unschuldslämmer, und rechtsstaatliche Systeme in unserem Sinne waren weder Libyen noch der Irak unter ihrer Fuchtel.
Aber weder Gaddafi noch Saddam Hussein bedrohten den Rest der Welt, vergingen sich in einem fort am Völkerrecht, setzten sich generös und ununterbrochen über die staatliche Souveränität anderer Länder hinweg und überzogen die Menschheit mit einer ausgeklügelten Rundum-Überwachung nahezu ihrer gesamten Kommunikation auf allen nur denkbaren Kanälen.
Nichts geringeres – das wissen wir seit wenigen Wochen, seit dem Bekanntwerden der weltweiten NSA-Spionagetätigkeit – praktizieren dagegen die USA. Schon das ist schlimm und inakzeptabel. Aber besonders perfide wird die Haltung des Großen US-Bruders gegenüber dem Rest des Globus dadurch, daß sich Amerika selbst als Mutterland und Hort der „Demokratie“ glorifiziert – während es in anderen Weltteilen tagtäglich von fliegenden Kampfrobotern Menschen wie in einem Computerspiel „ausknipsen“ läßt, ständig und weltweit auf massivste Weise in die inneren Angelegenheiten anderer Länder hineinwirkt und auf der halben Welt Konflikte schürt, Umstürze finanziert und die Stabilität ganzer Großregionen vorsätzlich unterminiert.
Was für eine bodenlose Heuchelei: US-Präsident Obama ist Träger des Friedens-Nobelpreises, der allein dadurch eigentlich für alle Zeit als entwertet gelten müßte. Im Lager Guantánamo auf Kuba werden nach wie vor zwischen 100 und 250 Gefangene zum Teil seit über zehn Jahren ohne Anklage und Prozeß festgehalten, weil sie von den US-Behörden als „Terror“-Verdächtige eingestuft werden. Im Lager wurde und wird gefoltert, gedemütigt und auch gemordet – wie auch in zahlreichen „schwarzen“ US-Lagern rund um den Globus, in denen Inhaftierte zum Teil von „befreundeten“ Sicherheitsdiensten aufs schlimmste mißhandelt werden.
Rechtsstaat USA? Das Gegenteil ist der Fall. Würden zum Beispiel China oder Rußland ein weltweites System von Lagern oder Militärbasen in allen Weltteilen unterhalten, in denen gefoltert wird und von denen aus ganze Regionen militärisch in Schach gehalten werden – ein Fall dafür ist das berüchtigte „Camp Bondsteel“ im Kosovo –, die vielbeschworene „Weltgemeinschaft“ würde Zeter und Mordio schreien. Doch Amerika gegenüber bleibt die Welt stumm. Entweder weil die Politiker von Washington gekauft oder installiert sind oder schlicht, weil die USA seit Jahrzehnten der globale Hegemon sind, gegen den jede Gegenwehr aussichtslos erscheint.
Das alles ist schlimm genug. Nur: Von Rechtsstaat und Demokratie soll man endlich aufhören zu reden, wenn von den Vereinigten Staaten von Amerika die Rede ist.
Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.